Ein turbulentes Jahr neigt sich dem Ende zu. Die Bereiche Blockchain Technologie und digitale Währungen rückten 2020 abermals in eine breitere Wahrnehmung. Die wichtigsten Entwicklungen des abgelaufenen Jahres im kompakten Jahresrückblick 2020.
Die zuletzt erreichten Jahreshöchststände von Bitcoin und anderen Kryptowährungen kommen nicht von ungefähr. Die Branche hat sich letzten Endes auch angesichts weiterer Klarheit in Sachen Rechtssicherheit weiterentwickelt. Bereits 2019 erhielten Banken in Deutschland die formale Berechtigung, digitale Assets für ihre Kunden zu verwahren. Es folgte im Juli 2020 die US-amerikanische Aufsichtsbehörde (OCC), welche landesweit zugelassenen Banken erlaubte, Verwahrungsdienste für Krypto-Währungen anzubieten. Seither sind neben innovativen Instituten auch Grossbanken wie J.P. Morgan weiter in den Bereich vorgedrungen und haben neben dem Ausbau ihres Dienstleistungsangebotes sich erstmalig öffentlich positiv zu digitalen Vermögenswerten wie Bitcoin geäussert. Doch nicht nur als digitale Wertaufbewahrung wurde Bitcoin&Co. zugänglicher, auch in Sachen Zahlungsmittel hat sich mit dem Markteintritt von Paypal im abgelaufenen Jahr einiges getan.
Geldpolitisch war 2020 aussergewöhnlich. Mit COVID wurden die Risse im Fundament einer überschuldeten globalen Wirtschaft deutlich sichtbar. Die Zentralbanken intervenierten mit einer massiven Ausweitung der Geldmenge sowie mit einer neuartigen Offenmarktpolitik. Beides Handlungsweisen, welche CBDCs und Kryptowährungen weiter in den Fokus rückten, wenn auch aus unterschiedlichen Gesichtspunkten. Vertreter von Zentralbanken liebäugeln mit neuen Möglichkeiten einer Einführung von digitalen Zentralbankwährungen und registrieren nicht in Bitcoin, sondern in privaten Stablecoins eine Bedrohung für das globale Finanzsystem.
Rahmenbedingungen in der Schweiz
Die Schweiz mit ihrer fortschrittlichen Gesetzgebung gilt seit jeher als wichtiger Standort für die Entwicklung des Blockchain-Ökosystems. Die Verschmelzung zwischen der traditionellen- und der digitalen Finanzwelt war hierzulande in diesem Jahr besonders gut zu beobachten. Innovative Unternehmen treiben die Entwicklung voran und vergrössern sichtbar den Rahmen von Dienstleistungen rund um digitale Assets. Auch der Kanton Zug ist vorne mit dabei. Als erster Schweizer Kanton bot Zug 2020 die Möglichkeit an, Steuerschulden mit Kryptowährungen zu bezahlen. Nicht ohne Grund ist an dieser Stelle der Entstehungspunkt des Crypto Valleys, dem Zentrum des Blockchain-Ökosystems der Schweiz entstanden.
Insgesamt hat sich das Fundament rund um Kryptowährungen 2020 massiv gefestigt. Neben einer verbreiteten Adoption ist auch ein wachsendes Ökosystem mit einer einhergehenden breiteren Dienstleistungspallette um digitale Assets zu beobachten. Der beachtliche Fortschritt 2020 verlief allerdings nicht linear. COVID sorgte neben Verwerfungen an den Märkten auch für fundamentale Herausforderungen.
Corona-Crash im März
COVID sorgte an den globalen Märkten, in der Realwirtschaft und im sozialen Leben für massive Beeinträchtigungen. Im März brachte die Pandemie erstmals chaotische Zustände mit sich. Regierungen reagierten weltweit mit harten Massnahmen auf die vorerst unterschätzte Covid-Pandemie. Komplette Lockdowns, einhergehende Arbeitslosigkeit, überlastete Krankenhäuser und nie zuvor gesehene expansive Geldpolitik der Zentralbanken waren direkte Folgen. Am 12. März folgte an den globalen Märkten ein Schock. Sowohl Aktienindizes, Gold, aber auch Bitcoin unterlagen massiven Kurskorrekturen. Letzterer büsste innerhalb eines Tages knapp 50% an Wert ein und verlor zu diesem Zeitpunkt seine zuvor propagierte Unkorreliertheit zu anderen "Riskassets". Entsprechend wurde die Krisenresistenz der gössten Kryptowährung abgesprochen. In diesem Moment ahnte noch kaum jemand, dass Bitcoin ab diesem Zeitpunkt bis zum Jahresende eine Wertsteigerung von 655% hinlegen, und das Jahr 2020 als "bestperforming Asset" prägen wird.
In den nächsten Wochen wurden die mittelfristigen wirtschaftlichen Folgen absehbar. Investitionen wurden gestoppt und der Lockdown führte zu weltweit steigenden Arbeitslosenzahlen. Auch im Crypto Valley hatten Unternehmen, insbesondere Startups, unter der Krise gelitten.
Neuigkeiten von Libra (neu Diem)
Unabhängig von der Corona-Krise hatte Libra, das Stablecoin-Projekt von Facebook schon seit seiner ursprünglichen Ankündigung Probleme mit Regulationsbehörden. Mitglieder wie Visa, Mastercard und eBay stiegen deshalb schon im Vorjahr aus. Im April veröffentlichte die Libra Association schliesslich ein neues Whitepaper und reichte bei der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) ein Gesuch ein.
Diesen Dezember kündigte die Organisation ausserdem einen Namenswechsel an. Das Libra Projekt heisst seit neustem "Diem" (Latein für Tag). Damit will sich das Konzept zumindest teilweise von Facebook distanzieren, nicht zuletzt um wieder mit Regulatoren ins Gespräch zu kommen. Laut Reuters plant die Diem Association die Lancierung ihres ersten Stablecoins im Januar 2021, sofern es die FINMA erlaubt.
Bitcoin Halving Nummer drei
Bitcoin ist als limitiertes digitales Gut, ähnlich wie Silber oder Gold, entworfen worden. Die digitale Währung hat vorgegebene Grenzen, was die Angebotsseite und die Inflationsrate betrifft. Durch sogenannte «Halvings» kommen weniger Bitcoins in Umlauf, das Angebot wird knapper. Die Ausgabegeschwindigkeit respektive die Inflationsrate reduziert sich also zunehmend. Neu geschaffene Bitcoins werden als Entgelt den Minern ausgeschüttet, welche Rechenleistung zur Sicherstellung des Blockchainsystems beisteuern. Die entsprechende Belohnung halbiert sich alle 4 Jahre, daher der Begriff «Halving». Zum dritten Mal wurde 2020 diese Angebotsverknappung gemäss Bitcoinprotokoll durchgeführt. Auf mittlere Sicht führt eine Minderung des Angebots eines limitierten Gutes bei gleichbleibender Nachfrage zu Preissteigerungen. Historisch gesehen haben die bisherigen "Halvings" den Bitcoinkurs in den Folgemonaten jeweils in die Höhe getrieben.
Auch das dritte Halving 2020 folgte diesem Muster. Seltenheit steigert den Wert. Ein Ansatz welcher diese These zur Geltung bringt, ist beispielsweise das Stock-to-Flow Modell. Das Halving kombiniert mit zuvor ungesehener Geldmengenausweitung als Antwort der Zentralbanken auf die aufkommende wirtschaftliche Krise, lenkte mehr Aufmerksamkeit auf die Kryptowährung und sollte später zu einem Umdenken in der Finanzmittelbewirtschaftung von einzelnen Unternehmen führen. Der Stempel "härtestes Geld" war der Katalysator für 2020. Prominente Investoren wiesen auf die einzigartigen Eigenschaften der Kryptowährung und deren Potenzial in einem Umfeld expansiver Geldpolitik hin.
Aufsteigendes Ökosystem DeFi
Insbesondere im Jahr 2020 hat sich ein stark wachsendes neues Feld von dezentralen, blockchainbasierten Anwendungen entwickelt. Das Gebiet der dezentralisierten Finanzapplikationen (DeFi). Im Allgemeinen sind damit auf Ethereum basierende Anwendungen (dApps) gemeint, die in der Form von "Smart Contracts" Finanzierungen gegen Sicherheiten in der Gestalt von Krypto-Assets bieten. Im DeFi Gebiet werden traditionelle Finanzdienstleistungen in vertrauenswürdige und transparente Protokolle umgewandelt, welche ohne Zwischenhändler auskommen.
Das Spektrum der Anwendungen im DeFi Bereich gestaltet sich vielfältig. Besicherte Kreditvergabe, dezentralisierte Stablecoins, Derivate, dezentrale Börsen; die Auswahl an Applikationen ist vielschichtig. Dominierend ist dabei der „Lending“ Bereich, also die Kreditvergabe, welche gegen Sicherstellung von Krypto-Assets stattfindet. Der Sektor verzeichnete im abgelaufenen Jahr ein beeindruckendes Wachstum und erreichte im 4. Quartal mit hinterlegten Kryptowährungen im Umfang von knapp 15 Mrd. USD einen neuen Rekordstand.
Digitale Zentralbankwährungen (CBDCs)
Schon im Juni äusserte sich die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) bezüglich CBDCs. Die BIZ befürwortet laut eigenen Angaben Innovationen der Zentralbanken, die darauf abzielen, die Bereitstellung von Zahlungsdienstleistungen zu vereinfachen, Transaktionskosten zu senken und die Qualität zu verbessern. In einer Studie kamen sie zum Schluss, dass über 80% der Zentralbanken an CBDC Pilotprojekten arbeiten. Darunter auch die Europäische Zentralbank (EZB), die sich stark für einen digitalen Euro ausspricht und erste Verfahren eingeleitet hat.
Diese Dynamik ist weltweit zu beobachten. In einer Versammlung zwischen den Finanzministern der G7 Staaten, der FED, des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank waren CBDCs und private Stablecoins ein zentrales Thema. Dezentrale Kryptowährungen wie Bitcoin wurden nicht als Gefahr wahrgenommen, während private Stablecoin-Projekte wie Diem ins Schussfeld gerieten.
New Kids on the Blockchain
2020 ging das Interoperabilitäts-Protokoll Polkadot live. Der Ethereum-Konkurrent hatte 2020 eine fulminante Markteinführung und etablierte sich schnell in den Top-10 Coins nach Marktkapitalisierung. Das Projekt versucht über "Sidechains" verschiedene Blockchains zu verbinden, um eine höhere Spezialisierung und tiefere Transaktionskosten innerhalb des Ökosystems zu ermöglichen. Für die Ausführung von "Smart Contracts" sind Daten aus der "realen Welt" von Nöten. In der Blockchainwelt werden solche Dienste "Oracles" genannt. Mit Chainlink erreichte zusätzlich ein "Oracle Dienstleister" die Top 10.
Aufkeimendes institutionelles Interesse an Bitcoin
Im August sorgte die Ankündigung des US-Amerikanischen Softwarehersteller MicroStrategy für Aufsehen. Eines der grössten Unternehmen im Bereich Business Intelligence liess verlauten, 21’454 Bitcoins für 250 Millionen USD im Rahmen ihrer neuen Anlagestrategie erworben zu haben. Nach Erwägung von verschiedenen Vermögenswerten kam das Unternehmen zu dem Schluss, dass es sich bei Bitcoin (BTC) um die beste langfristige Investition handeln würde. Die Entscheidung untermauerte die Firma im Dezember mit der Ausgabe einer Wandelanleihe über 550 Mio. USD, mit dem alleinigen Zweck, weitere Bitcoins zu erwerben.
Kurz darauf kündigte auch Finanzdienstleister Square an, einen Teil ihrer liquiden Mittel in Bitcoin zu investieren. Es handelte sich zwar um "nur" 1% ihres Gesamtvermögens aus, doch verdeutlichte den institutionellen Trend. Anfang Dezember kündete MassMutual als erste Versicherungsfirma an, für ihren Investmentfonds in Bitcoin investiert zu haben.
Der rasante Anstieg der verwalteten Vermögen des weltweit grössten Vermögensverwalters für digitale Assets, Grayscale Investments, spricht dieselbe Sprache. Der Anbieter von börsenkotierten Trusts verzeichnete mit über einer Milliarde US-Dollar an neuen Investitionen den grössten vierteljährlichen Zufluss aller Zeiten. Dabei handelt es sich um das dritte Rekordquartal in Folge. Die Investmentfirma mit Sitz in New York verwaltet unterdessen knapp sechs Milliarden USD an digitalen Vermögenswerten, so ihr letzter veröffentlichter Quartalsbericht. Das Vermögen ist auf zehn Anlageprodukte verteilt, die institutionellen Investoren den Zugang zum Krypto-Markt ermöglichen sollen.
Das Crypto Valley trotzt der Corona-Krise
Noch zu Beginn der Corona-Krise war nicht klar, wie sich der Lockdown auf das Crypto Valley und die hiesigen Blockchain-Unternehmen auswirken würde. Der im September erschienene Bericht "CV VC Top 50 Report" zeigte, dass die Krypto-Region auch in der Coronakrise Wachstum erfahren hat. Die Zahl der Firmen in der Schweiz und in Liechtenstein, die sich mit der Blockchain-Technologie befassen, war auf 919 gestiegen. Ende 2019 waren es 842. Ebenso zugenommen hat die Zahl der Mitarbeitenden im selben Zeitraum von 4400 auf 4780. Gleichwohl flossen substanzielle Beträge in die 50 grössten Unternehmen des Crypto Valley.
Zahlungsanbieter Paypal erweitert Sortiment mit Kryptowährungen
Bitcoin dringt in traditionelle Finanzbereiche vor und wird 2020 zunehmend als Anlageobjekt wahrgenommen. Als digitales Zahlungsmittel ist die Kryptowährung zwar vereinzelt einsetzbar, es fehlt aber nach wie vor an Anwendungen für die breite Masse. Diesem Manko wirkte im Oktober Paypal entgegen. Das Unternehmen mit Sitz in Kalifornien führt global 346 Millionen aktive Kontobeziehungen und wickelte im zweiten Quartal Zahlungen in Höhe von 222 Milliarden US-Dollar ab. An der Paypal-Plattform sind über 300 Millionen Verbraucher und Händler in mehr als 200 globalen Märkten angeschlossen. Ab 2021 können Kunden ihre Kryptowährungsbestände nutzen, um bei den 26 Millionen Händlern von PayPal zu bezahlen. Die Akzeptanz von Kryptowährungen durch PayPal ist ein grosser Wurf und wird eine breite Adaption wesentlich vorantreiben.
Ethereum 2.0
Das zweitgrösste öffentliche Blockchain-Netzwerk Ethereum hat eine bemerkenswerte Entwicklung hinter sich. Das Netzwerk stellt eine spezialisierte, dezentrale und global zugängliche Plattform für verteiltes Rechnen dar. Die Smart-Contract-Plattform wächst stetig und konnte sich in seiner noch jungen Geschichte bereits ein paar Mal neu erfinden. 2020 stellt war für die Plattform ein besonderes Jahr. So wurde im Dezember die erste Phase der Implementierung von Ethereum 2.0 eingeleitet. Das über mehrere Monate andauernde Update hat das Ziel, das zunehmende Wachstum der Blockchain sicherzustellen. Die aktuelle Skalierbarkeit ist durch den Proof of Work (PoW) Konsensalgorithmus begrenzt und soll durch einen Wechsel auf Proof of Stake (PoS) effizienter werden.
Implementierung des Schweizer DLT-Rechtsrahmens
Der regulatorische Rahmen für die Distributed Ledger Technology (DLT) in der Schweiz wurde bereits seit Jahren ausgearbeitet. Die Anpassung des Schweizer Rechts ging im Dezember mit überwältigender Unterstützung der Politik in die Endphase.
Die Schweiz entwickelt bereits seit 2014 einen regulatorischen Rahmen für DLTs und folgt dabei dem Prinzip der „Technologieneutralität“. Folglich hat die Schweiz die bestehenden, auf Prinzipien basierenden Gesetze auf pragmatische Weise an die technologische Innovation angepasst, um die Systemstabilität zu wahren, den Verbraucherschutz zu gewährleisten und nachhaltige Investitionen im DLT-Bereich zu fördern. Mit diesem Rechtsrahmen wird die Schweiz 2021 mit der weltweit umfassendsten und am besten artikulierten Blockchain-Gesetzgebung ausgestattet.
Jahresabschluss mit neuen Allzeithochs und einem regulatorischen Bugschuss
Das Jahr begann äusserst turbulent. Was anfänglich nach einem katastrophalen Jahr für Kryptowährungen aussah, wurde zu einer neuen Hausse. Am 30. November durchbrach Bitcoin das Allzeithoch von $20'000. Seither erkundet der Bitcoin Preis ungesehene Territorien nahe der 30'000 USD Marke.
Jedoch endete das Jahr nicht für alle Krypto-Projekte rosig. Ripple, das Unternehmen hinter der bis anhin drittgrössten Kryptowährung XRP, wurde von der United States Securities and Exchange Commission (SEC) kurz vor Weihnachten angeklagt. Die FinTech Firma wird beschuldigt, unlizenzierte Wertpapiere in Form ihrer XRP-Tokens verkauft zu haben. Dies führte etlichen Delistings sowie zum Ausschluss aus börsennotierten Produkten.