Der Investmentbankriese Goldman Sachs spricht dem Metaversum einen grossen Markt zu, der neben Technologie und Plattformen auch einen regen, globalen Handel umfasst und ihrer Ansicht nach ein neues Ökosystem schafft. Neben NFTs gehören Kryptowährungen ebenfalls zu ihrer Vision der Zukunft.
In den letzten sechs Monaten hat das Metaversum branchenübergreifend an Zugkraft gewonnen. Während das Metaversum die physische und die virtuelle Welt durch Innovationen in Hard- und Software verbindet, benötigt es auch ein Wirtschaftssystem, um zu gedeihen. Hier werden wir laut Goldman Sachs erleben, wie NFTs und Kryptowährungen in den Mittelpunkt rücken, um Werte zu erschliessen. Um ihren Enthusiasmus für den Bereich zu betonen, beförderte die zweitgrösste US-Investmentbank ihre Berichte zum Thema auf ihre Startseite. Kryptowährungen, Web3 und Metaversum seien schliesslich die drei wichtigsten "Mega-Trends der Digitalisierung", die unsere Volkswirtschaften verändern werden.
Grosses Potenzial des Metaversums
Um die Möglichkeiten des Metaversums für das Bankwesen wirklich zu verstehen, erklärt Goldman Sachs erst, was das Metaversum ausmacht und welche Bausteine diesem digitalen Zwilling unserer derzeitigen Realität tatsächlich zugrundeliegen. Sie identifizieren vier verschiedene Teile des Puzzles: Technologie, Plattform, Marktplatz und der Handel. Jeder dieser Bausteine würde von einer einzigartigen Gruppe von Akteuren des Ökosystems angetrieben, die ihre eigene Reifungskurve durchlaufen haben.
Es haben schon einige Unternehmen die potenzielle Grösse des Metaversums geschätzt. Brand Essence Research schätzt den Markt 2021 auf über 200 Milliarden, mit einem Potenzial von über 600 Milliarden im Jahr 2027. Die Investmentbank Morgan Stanley prognostizierte im November letzten Jahres, dass das Metaverse eine Marktchance von 8 Milliarden Dollar darstellt. Die Geschäftsführerin von Ark Investment Management, Cathie Wood, ist der Ansicht, das Metaversum werde ein Markt mit einem Volumen von mehreren Milliarden Dollar sein, während der Krypto-Asset-Manager Grayscale Investments und JPMorgan die potenzielle Geschäftsmöglichkeit auf lediglich 1 Milliarde Dollar einschätzen.
Goldman Sachs Research
Goldman Sachs' Analyst Eric Sheridan erläuterte die Metaverse-Prognose der Bank in einer kürzlich erschienenen "Exchanges at Goldman Sachs"-Folge mit dem Titel "Understanding the metaverse and Web 3.0". Das "Metaversum" habe die Fantasie der Technologieinvestoren beflügelt, doch was ist es und was bedeutet es für die nächste Ära der Computertechnik? In der Januar-Ausgabe des Podcasts untersuchte Sheridan, wie die Verschmelzung von Elementen der physischen und der digitalen Welt durch Virtual Reality, Augmented Reality, Spiele und immersive Online-Communities zur Entstehung eines dezentraleren Web 3.0 beiträgt.
In ihrem Bericht "Framing the Future of Web 3.0" offenbart Goldman Sachs Research ausserdem, wie die Spiele-/Medienlandschaft bereits einige Schlüsselelemente für die Entwicklung des Metaverse gezeigt hat. Darüber hinaus finden sich Themen wie dezentralisierte Web-Aktivitäten und virtuelle Erlebnisse, welche in der nächsten Welle der Digitalisierung zu einem Markenzeichen werden könnten. Als Dreierpaket wurden die beiden Podcasts und der ausführliche Forschungsbericht auf der Startseite der Investmentbank ausgestellt, was ihr Engagement in diesem Bereich unterstreicht.
Die Rolle der Finanzen im Metaverse
Obwohl es den Anschein hat, dass der Schwerpunkt auf virtueller Realität, digitalen Vermögenswerten, Blockchain, Kryptowährungen und vor allem Videospielen liegt, wird das Metaverse laut Goldman in Wirklichkeit viel umfassendere Möglichkeiten für viele Branchen bieten. Die Bank erwartet, dass sich das Metaverse zu einer wichtigen digitalen Plattform sowohl für persönliche als auch für geschäftliche Interaktionen, einschliesslich der Finanzwelt, entwickeln wird.
Genau wie in der realen Welt könne jeder, der im Metaversum agiert, finanzielle Transaktionen durchführen. Die Nutzer würden in der Lage sein, Avatare, virtuelle Accessoires oder ganze Umgebungen und Immobilien zu kaufen, welche von Unternehmen oder anderen Personen geschaffen wurden. Darüber hinaus würden die Nutzer Peer-to-Peer-Transaktionen durchführen wollen, welche nicht in den Rahmen des traditionellen Paradigmas "Verbraucher gegen Unternehmen" fallen.
All diese Transaktionen werden eine neue Art von Finanzinfrastruktur erfordern. Laut Goldman Sachs denken bereits die meisten traditionellen Banken darüber nach, wie sie sich diesen Raum erschliessen können. Es gibt Finanzakteure, die rasch in die Metawelt einsteigen, um sich als Pioniere der Zukunft des digitalen Finanzwesens positionieren zu können. Wie die Korea Times im August 2021 feststellte, haben Brokerhäuser und Banken in Korea bereits damit begonnen, aktive virtuelle Umgebungen für ihre Kunden zu schaffen. Überraschenderweise war die Investmentbank jedoch der Meinung, dass die traditionellen Finanzinstitute möglicherweise gar nicht die Hauptakteure im aufstrebenden Metaversum darstellen werden.
Schweizer Grossbanken halten sich zurück
Das Krypto-Engagement diverser US-Banken hat stark zugenommen. Neben Goldman Sachs sind auch Finanzriesen JPMorgan, Bridgewater, Morgan Stanley und viele mehr in den Bereich eingetreten. Sie alle haben ein Potenzial in der rapid wachsenden Branche erkannt und bauen ihre Angebote für Kunden aus. Dies trotz der etwas dürftigen Regulierungslage in den Vereinigten Staaten. In der Schweiz, dem sogenannten Crypto Valley, wären die Rahmenbedingungen eigentlich ideal gesetzt. Trotzdem bleiben die ansässigen Grossbanken zurückhaltend.
Der Schweizer Bankenriese UBS hat in den vergangenenen Jahr laut eigenen Aussagen wiederholt Kundenanfragen zu digitalen Assets erhalten. So veröffentlichten sie im Januar 2021 den Artikel "Should I Buy Bitcoin?". Darin nahm die UBS eine überwiegend skeptische Haltung ein und empfahlt ihren Kunden, die Finger von Kryptowährungen zu lassen. Nur wenige Monate später warnte die Grossbank erneut vor den Risiken der "Krypto-Blase". Konkurrent Credit Suisse anerkennt Bitcoin zwar als aufstrebende Anlageklasse, doch auch sie scheut sich vor ersten Kundenangeboten. Die Themen Geldwäscherei und Nachhaltigkeit sowie Regulierung seien noch nicht fortgeschritten genug, so CEO Thomas Gottstein.