Algorithmus-basierte Stablecoins gewinnen zunehmend an Schwung in der Welt der dezentralen Finanzanwendungen (DeFi). Eine Einführung zum führenden dezentralen Stablecoin TerraUSD (UST) mit dessen Stabilisierungsmechanismen, Adoptionsgeschichte und Risiken.
Algorithmische Stablecoins sind im Gegensatz zu ihren zentralisierten Gegenstücken nicht mit Sicherheiten verbunden. Daher werden sie auch als nicht-besicherte Stablecoins bezeichnet. Der Algorithmus oder das Protokoll, das diesen Stablecoins zugrunde liegt, fungiert als „Zentralbank“. Er hilft bei der Erhöhung des Angebots im Falle einer deflationären Tendenz des Tokens oder bei der Verringerung des Angebots im Falle eines Rückgangs der Kaufkraft. Mit einer Marktkapitalisierung von über 10 Milliarden US-Dollar entwickelte sich Terra's UST zum Aushängeschild des Sektors. Allerdings verbergen sich auch hinter dem grössten algorithmischen Stablecoin beachtliche Risiken.
Der Stabilisierungsmechanismus für TerraUSD (UST)
Terra nutzt für den Erhalt der Fiat-Bindung ein duales Tokensystem. Einerseits wird der LUNA-Token für das Auszahlen von Netzwerkgebühren, Abhalten von Governance-Abstimmungen, Teilnahme am Konsensverfahren (PoS) und Prägen von Stablecoins genutzt. Doch der eigentliche Stablecoin ist TerraUSD (UST), dessen Bindung durch ein einzigartiges Seigniorage-System gewährleistet wird.
Der Grossteil der herkömmlichen Stablecoins ist durch hinterlegte Assets gedeckt, die im Falle eines Bindungsverlusts eingelöst bzw. liquidiert werden können. Terra's System nutzt stattdessen einen Verbrennungsmechanismus in Verbindung mit dem Plattform-Token LUNA. Um neue TerraUSD (UST) zu schaffen, muss derselbe Dollar-Betrag in LUNA vernichtet werden. 1 Dollar in LUNA können also immer in 1 UST eingetauscht werden und umgekehrt. So ergibt sich eine Arbitrage-Möglichkeit für Marktteilnehmer, falls der TerraUSD-Kurs von 1 Dollar abweicht. Auch übt der Mechanismus einen deflationären Druck auf LUNA aus, wenn UST an Adoption gewinnt.
Das dezentrale Sparprotokoll Anchor
Das Anchor-Protokoll wurde von Terraform Labs entwickelt und im März 2021 eingeführt. Es wurde unter anderem geschaffen, um die Gesamtnachfrage nach UST zu steigern. Dabei handelt es sich um ein dezentrales Sparprotokoll, das gering schwankende Renditen auf Terra Stablecoin-Einlagen bietet (rund 20% pro Jahr). Der Anchor-Zinssatz wird durch einen diversifizierten Strom von Staking-Belohnungen aus grossen Proof-of-Stake-Blockchains gespiesen und sollte daher stabiler sein als herkömmliche Geldmarktzinsen.
Das offene, erlaubnisfreie Anchor-Protokoll definiert einen Geldmarkt zwischen einem Kreditgeber, der stabile Renditen auf seine Stablecoins erzielen möchte und einem Kreditnehmer, der Stablecoins auf hinterlegte Vermögenswerte leihen will. Um Stablecoins zu leihen, sperrt der Kreditnehmer Bonded Assets (bAssets) als Sicherheit und leiht sich Stablecoins unterhalb der vom Protokoll definierten Liquidationsschranke. Der diversifizierte Strom von Staking-Belohnungen, der dem globalen Pool von Sicherheiten zufliesst, wird dann in Stablecoin umgewandelt und dem Kreditgeber in Form einer stabilen Rendite gewährt. Neben einigen anderen DeFi-Applikationen und E-Commerce-Lösungen gewährleistet Anchor die höchste Nachfrage für TerraUSD.
Risiken des UST-Stablecoins
Das grösste Risiko liegt bei TerraUSD, ähnlich wie bei anderen algorithmischen Stablecoins, in der Haltung der 1:1 Dollarbindung. Da UST direkt mit dem LUNA-Token verknüpft ist, können sich starke Preisschwankungen drastisch auf die Bindung auswirken. Mit einer Marktkapitalisierung von 22 Milliarden USD ist die Anzahl UST (11 Milliarden) aktuell mit genügend LUNA "gedeckt". Sollte die Marktkapitalisierung des LUNA-Tokens allerdings unter die 11 Mrd. Marke fallen (rund -50%), wird ein Bindungsverlust immer wahrscheinlicher. Genau dies geschah während dem allgemeinen Markteinbruch am 23. Mai 2021, als die 2 Milliarden UST nur mit 1.6 Milliarden USD in LUNA gedeckt waren.
Die Bindung konnte sich erst erholen, als Terraform Labs und Kapitalgeber hinter dem Projekt LUNA aufkauften und den 1:1 Dollar-Preis wiederherstellten. Seitdem hat sich jedoch die Marktkapitalisierung von TerraUSD verfünffacht und ein vergleichbares Ereignis wäre verheerend. UST ist unterdessen in unzähligen DeFi-Plattformen als Dollar-Stablecoin hinterlegt, die auf einen Erhalt der Bindung angewiesen sind. Ein Bindungsverlust würde sich auf Milliarden an Assets im Ökosystem auswirken.
Anchor-Renditen entscheidend für UST-Bindung
Wie bereits erwähnt stammt der Grossteil der UST-Nachfrage vom Sparprotokoll Anchor, das mit knapp 20% pro Jahr eine sehr attraktive Rendite für Stablecoins anbietet. Diese werden durch die oben genannten Mechanismen generiert. Doch da die Geldmarktzinsen und Staking-Renditen zusammen mit dem Marktumfeld schwanken, hat das Protokoll einen Notfall-Reservepool eingerichtet. In Zeiten eines schwachen Marktes kann Anchor auf diese Reserven zugreifen, um die hohen Renditen weiterhin zu gewährleisten. Dies ist laut Terraform Labs eine Übergangslösung, bis die UST-Nachfrage auf anderen Plattformen genügend gross ist.
Sobald der Reservepool leer ist, wird die Anchor-Rendite völlig den Marktkräften überlassen. Falls die aktuellen Mechanismen keine 20% Rendite garantieren können, würde sich dies negativ auf die UST-Nachfrage auswirken. Eine Kapitalmigration auf andere Plattformen mit attraktiveren Möglichkeiten würde zur grossflächigen Einlösung von UST führen und einen entsprechenden Abwärtsdruck auf den LUNA-Preis ausüben. Mit einem fallenden LUNA-Preis steigt dann die Warscheinlichkeit eines Bindungsverlusts, die durch gehebelte Positionen auf Anchor (gelehnte UST mit hinterlegten LUNA-Sicherheiten) verstärkt wird.
Stabilisierungsmassnahmen
Um diesem Risiko entgegenzuwirken hat sich die LUNA-Community dazu entschieden, den Reservepool erneut mit 450 Millionen USD aufzufüllen. Die Reservenauffüllung soll 20% p.a. Renditen auf Anchor für drei weitere Quartale sicherstellen und eine Kapitalmigration für den Rest des Jahres verhindern. Ausserdem wird das Anchor-Team die Entwicklungsarbeiten an ihrem neuen v2-Kreditmodell beschleunigen, wodurch die Renditen für UST auch ohne den Reservepool wieder 20% p.a. erreichen sollten.
Andere Protokolle im Ökosystem haben sich ebenfalls die Bindungserhaltung des TerraUSD-Stablecoins zum Ziel gesetzt. Ein Beispiel ist das sogenannte "White Whale" Protokoll. Die dezentrale Terra-Plattform nutzt die Arbitrage-Möglichkeiten zwischen LUNA und UST, um zusätzliche Renditen für Einlagen zu generieren. Im Falle einer Bindungsabweichung kann White Whale auf die hinterlegten UST-Bestände zugreifen und die Bindung durch Arbitrage wiederherstellen. Diese Projekte in Kombination mit der Anchor-Reserveauffüllung leisten einen wichtigen Beitrag zur Stützung des TerraUSD-Stablecoins, wobei die Risiken eines Bindungsverlusts nicht vollständig beseitigt werden können.