Ein Monatsrückblick über das Geschehen an den Krypto-Märkten angereichert mit institutionellem Research zu den wichtigsten Themen der Branche in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Spezialisten für digitale Assets, 21Shares AG.
Die weltweite Marktkapitalisierung aller Kryptoassets ist den Daten von CoinMarketCap zufolge im Monatsvergleich um 22.3% gestiegen. Dieser markante Anstieg ist under anderem auf den grossen Wirbel um den Merge - den Umstieg von Ethereum auf den Proof of Stake-Mechanismus (PoS) - zurückzuführen. Denn im Juli wurde ein vorläufiger Starttermin dafür verlautbart (8. September).
Wie in der folgenden Abbildung zu sehen ist, verzeichnete das DeFi-Protokoll Lido in den letzten 30 Tagen einen Anstieg von sage und schreibe 313%, während die Ethereum-Skalierbarkeitslösung Optimism einen Anstieg von 168% verzeichnete. Im gleichen Zeitraum wuchsen die zwei grössten Kryptoassets Bitcoin (BTC) und Ethereum (ETH) um 18% bzw. 47%. Darüber hinaus sank die Korrelation zwischen Bitcoin und dem wichtigsten US-Aktienindex S&P 500 leicht - Mitte Juli lag sie bei 0.5, während sie zuvor zwei Monate lang 0.6 betragen hatte.
Makroökonomische Lage
Die Inflation stieg in den USA auf 9.1%, kurz darauf erhöhte die Federal Reserve ihre Zinssätze um 75 Basispunkte – und steigerte sie damit insgesamt auf 2.5%. Auch die Inflation im Vereinigten Königreich erreichte mit 9.4% einen 40-Jahres-Höchststand. Dazu trugen vor allem die steigenden Energiepreise bei, die im Oktober voraussichtlich weiter stark ansteigen werden. Während die Bank of England (BoE) die Zinssätze im August anheben wird, hat die Europäische Zentralbank (EZB) eine Zinserhöhung um 50 Basispunkte vorgenommen - die erste seit 2011.
Die Zinssätze steigen damit auf effektive 0% und das sich über acht Jahre erstreckende Experiment Europas mit negativen Zinssätzen nimmt ein Ende. Die EZB wird höchstwahrscheinlich im September eine weitere Zinserhöhung vornehmen. Wie in der untenstehenden Grafik ersichtlich, liegen die globalen Inflationsraten aktuell auf dem Niveau der späten 1970er.
Regulierung zieht an
Zum ersten Mal überhaupt wurde im Juli 2022 ein Fall von Krypto-Insiderhandel bekannt: Ein ehemaliger Manager von Coinbase wurde zusammen mit zwei weiteren Personen wegen Betrug verhaftet. Aufgrund dieses Vorgangs stufte die Börsenaufsichtsbehörde SEC neun Token auf Coinbase als Wertpapiere ein, darunter Amp, Rally, DerivaDAO und XYO Network. In Südkorea wiederum wird gegen Kryptowährungsbörsen - Bithumb, Upbit, Conine und vier weitere - wegen eines Betrugsfalls im Zusammenhang mit dem Kollaps des Terra-Stablecoins UST ermittelt. Zu den wichtigsten regulatorischen Entwicklungen in diesem Monat gehören die folgenden:
- Das US-Finanzministerium veröffentlichte ein Rahmenwerk für die Behandlung digitaler Assets aus internationaler Perspektive.
- Taiwan hat den Erwerb von Kryptoassets mit Kreditkarten praktisch verboten.
- Paraguay hat ein Gesetz zur Regulierung von Krypto-Mining und -Handel verabschiedet.
- Das Vereinigte Königreich hat den "Financial Services and Markets Act" veröffentlicht, der die Verwendung von Stablecoins im Zahlungsverkehr regelt.
Die Commons Foundation, eine in Singapur ansässige Non-Profit Organisation, hat mit dem staatlichen Netzbetreiber Paraguays einen Vertrag über den Kauf von 100 Megawatt Strom abgeschlossen. Das Übereinkommen soll die Commons Foundation für zehn Jahre mit Strom für das Mining versorgen. Schätzungen zufolge sollen damit im Laufe der nächsten vier Jahre auch rund 1'000 Arbeitsstellen geschaffen und zudem die überschüssige Energie des weltweitgrössten, Strom-erzeugenden Damms absorbiert werden.
Für die Kryptobörsen war das vergangene Quartal alles andere als leicht – und dennoch konnten einige von ihnen Fortschritte auf dem Weg der globalen Expansion erzielen. Crypto.com erhielt in Zypern und Italien Zulassungen, Binance wiederum darf von nun an über sein Tochterunternehmen Moon Tech in Spanien operieren. Darüber hinaus:
- Die Zentralbank von Irland verlieh der Kryptobörse Gemini die Lizenz als Krypto-Dienstleister.
- Die Digitalbank Nubank startete in Brasilien, wodurch nun über 57 Millionen Nutzer Bitcoin kaufen können.
- Die Kryptobörse Huobi erhielt Betriebslizenzen in Dubai und Neuseeland.
Der Dominoeffekt von Three Arrows Capital, LUNA und Celsius
Insgesamt war Juli immer noch von den finanziellen Nachwirkungen des Luna-Kollapses und den daraus entstandenen Pleiten von einigen der grössten Namen der Krypto-Industrie geprägt.
- Celsius hat offiziell Konkurs angemeldet und ein Loch von 1.2 Milliarden Dollar in seiner Bilanz offengelegt.
- Vauld hat sich an seine Gläubiger gewandt und einen Fehlbetrag von über 70 Millionen Dollar aufgrund von Marktwertverlusten bei BTC-, ETH- und MATIC-Geschäften offengelegt.
- Voyager, ein Krypto-Broker und -Kreditgeber, der Three Arrows Capital (3AC) 650 Millionen Dollar an unbesicherten Krediten gewährt hatte, hat Konkurs angemeldet und seine Stammaktien freiwillig von der Börse in Toronto genommen.
Auch über die Unternehmen, über die schon zuvor eine Verwicklung in die 3AC-Pleite bekannt war, gab es Neuigkeiten:
- BlockFi gestand ein, über 1.8 Milliarden Dollar an Krediten und 600 Millionen Dollar an unbesicherten Krediten gegenüber Kunden zu haben.
- FTX und Alameda haben Voyager einen Rettungsplan vorgelegt, der die Kunden entlasten würde. Voyager hat diesen Plan abgelehnt und ihn als "billig" bezeichnet, da er den Kunden schade und nur dem Unternehmen selbst nützte.
- Binance.us führt als Reaktion auf die jüngsten Marktturbulenzen ein Partnerprogramm ein, nachdem Coinbase das seine ausgesetzt hat.
- Babel Finance verlor über 280 Millionen Dollar beim Eigenhandel mit Kundengeldern.
Fazit – Was wir erwarten
Es ist bemerkenswert, wie DeFi seine Widerstandsfähigkeit trotz den Einbrüchen des Unternehmens Three Arrows Capital (3AC) und der Krypto-Bank Celsius unter Beweis stellen konnte. Darüber hinaus hat sich die Vorstellung bestätigt, dass „Code“ in der Kryptowelt so verbindlich ist, wie das Gesetz in der realen. Anders als bei Geschäften in der traditionellen Finanzwelt müssen im Voraus vereinbarte Bedingungen eingehalten werden, da unveränderliche Anwendungen nur konditionelle Anweisungen verstehen und sich nicht einfach auf unkonventionelle äussere Umstände einstellen. Der Beweis für dieses Argument ist, dass Celsius und 3AC ihre Verpflichtungen gegenüber MakerDAO und Aave lange vor den Geschäften mit den CeFi-Instituten, die sich schliesslich als zahlungsunfähig herausstellten, tatsächlich erfüllt haben.
Unserer Erwartung zufolge könnte der Markt in seiner Gesamtheit einen Hauch von Erleichterung erfahren. Das liegt auch daran, dass der Kryptomarkt die jüngste Zinserhöhung der FED um 75 Basispunkte augenscheinlich bereits eingepreist hat – schliesslich stiegen sowohl BTC als auch ETH nach der Nachricht um rund 10%. Die Federal Reserve geht im August in eine Sommerpause, was bedeutet, dass sich der Markt nicht mit einem weiteren kurzfristigen geldpolitischen Straffungszyklus befassen muss. Dies bis der Ausschuss am 23. September wieder zusammentritt. Die letzte Erklärung von FED-Präsident Jerome Powell signalisierte einen eher verhaltenen Ton: Er erklärte, dass die kürzlich beschlossenen Straffungsmassnahmen ihren Zweck, die Verbraucherausgaben zu reduzieren, erreicht haben. Nach der letzten Zinserhöhung im Juli hat die FED somit ihren Zielsatz von 2.25 bis 2.50% erreicht. Wir könnten uns also auf ein Szenario zubewegen, in dem die FED ihre seit Anfang 2022 verfolgte Politik der Quantitativen Straffung umkehren würde.