Die milliardenschweren Insolvenzfälle des vergangenen Jahres haben US-Regulatoren auf den Plan gerufen. Mit der Wertpapier- und Börsenaufsicht SEC an vorderster Front und weiteren Behörden im Rücken stehen Krypto-Firmen zunehmend unter Beschuss. Eine Übersicht zu den jüngsten Ereignissen und deren Implikationen.
Innerhalb weniger Monate hat sich das regulatorische Umfeld für Krypto-Unternehmen in den USA drastisch verschärft. Aufeinanderfolgende Klagen gegen die Krypto-Börse Kraken, den drittgrössten Stablecoin-Emittenten Paxos sowie Luna-Gründerteam Terraform Labs zeichnen ein klares Bild: die Regulierungsbehörden nehmen die Lage ernst. Dabei handelt es sich um keinen Einzelfall. Zwar agiert die Wertpapieraufsicht SEC am aggressivsten, doch auch diverse Kongressmitglieder, die Fed, die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC), das Office of the Comptroller of the Currency (OCC) und das US-Justizministerium haben einen Krypto-skeptischen Weg eingeschlagen.
Der Fall FTX hinterlässt seine Spuren
2022 wird als ein Jahr in die Geschichtsbücher der noch jungen Blockchain Technologie eingehen, das durch Insolvenzen bedeutender Krypto-Dienstleister gezeichnet war. Die Implosion des Krypto-Hedgefonds Three Arrows Capital führte letzten Sommer zu einer ernsthaften Liquiditätskrise in der Branche. Diese zwang in einem Dominoeffekt etliche Anbieter und Projekte in die Knie. Betroffen waren milliardenschwere Krypto-Kreditplattformen wie Celsius Network, BlockFi, Voyager Digital und viele weitere.
Das Crescendo endete in einer Implosion der zweitgrössten Krypto-Börse und sprengte den bisherigen Rahmen. FTX offenbarte nach einem erfolglosen Kräftemessen mit dem Konkurrenten Binance ein Loch in ihrer Bilanz von knapp 10 Mrd. USD und meldete in der Folge Insolvenz an. Der schockierende Schritt war das Endergebnis einer widerrechtlichen Entwendung von Kundengeldern, um den ebenfalls von FTX-CEO Sam Bankman-Fried (SBF) taumelnden Hedgefonds Alameda Research zu retten. Ein massgebender Konkurs in den USA, von dem Kunden, Anleger und Gegenparteien in aller Welt noch heute betroffen sind.
Ironischerweise lobbyierte der FTX-Gründer zwei Jahre lang für eine stärkere Regulierung des Krypto- und DeFi-Bereichs in Washington. Durch Zeugenaussagen vor dem US-Kongress, privaten Treffen mit dem SEC-Vorsitzenden Gary Gensler und CFTC-Kommissar Dan Berkovitz, sowie Millionen in politischen Spenden wollte sich der selbsternannte Krypto-Altruist einen regulatorischen Wettbewerbsvorteil schaffen. Neben einem schwerwiegenden Vertrauensverlust in zentrale Dienstleister auch ein Rückschlag für den Ruf diverser Führungsspitzen unter Top-US-Regulatoren.
Die SEC übernimmt das Steuer
Die Regulierung von Kryptowährungen in den USA war bereits vor dem FTX-Skandal heiss umstritten. Verschiedene Regierungsbehörden stritten um die Zuständigkeit für die schnell wachsende Technologie und schlugen unterschiedliche Klassifizierungen vor. Die Securities and Exchange Commission (SEC) spricht sich seit Jahren dafür aus, Kryptowährungen als Wertpapiere zu regulieren, während die Commodity Futures Trading Commission (CFTC) sie als Rohstoffe betrachtet und somit den Zuständigkeitsbereich in ihrer Gewalt sieht. Diese unterschiedlichen Ansichten haben zu Konflikten zwischen den Behörden geführt.
Um mühselige Debatten teilweise zu umgehen, setzt die SEC nun auf "Regulierung durch Durchsetzung". Statt der Definition klarer Richtlinien geht die Agentur rechtlich gegen Unternehmen vor, die sie als Teil ihrer Zuständigkeit betrachtet. Dieser Zuständigkeitsbereich gestaltet sich in den Augen des Vorsitzenden Gary Gensler als überaus weitreichend. Krypto-Börsen, Stablecoins, Staking-Dienste, DeFi-Anwendungen, NFTs, und letztendlich alle Kryptowährungen ausser Bitcoin hätte der ehemalige Investmentbanker gerne unter seiner Gewalt.
"Für alles andere als Bitcoin gibt es eine Website, eine Gruppe von Unternehmern, die ihre juristischen Einheiten in einem Steuerparadies im Ausland ansiedeln, eine Stiftung gründen, einen Anwalt beauftragen, um rechtliche Arbitrage zu betreiben und die Rechtsprechung zu erschweren, und so weiter. [...] Aber im Kern sind diese [alle diese]Token Wertpapiere, weil es eine Gruppe im Mittelpunkt gibt und die Öffentlichkeit auf der Grundlage dieser Gruppe Gewinne erwartet." - Gary Gensler im Gespräch mit dem New York Magazine
Druck der US-Regierung auf Krypto-freundliche Banken
Für Krypto-Firmen war der Zugang zum Bankensystem schon immer eine Herausforderung. Insbesondere in den Staaten haben Krypto-Startups noch heute grosse Schwierigkeiten, während nur eine Handvoll Boutiquen den notwendigen Risikoappetit aufweisen. Allerdings haben die Bemühungen, die Krypto-Branche vom traditionellen Bankensystem zu isolieren, seit dem FTX-Fall deutlich an Intensität zugenommen.
- 6. Dezember: Drei US-Senatoren machen die US-Krypto-Bank Silvergate mitverantwortlich für den FTX-Skandal.
- 7. Dezember: Signature Bank reduziert ihre Krypto-Einlagen um die Hälfte (von rund 20 Mrd. USD auf 10 Mrd. USD) und verschiebt ihren Schwerpunkt zurück in das traditionelle Finanzsystem.
- 3. Januar: Die Federal Reserve, die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) und das Office of the Comptroller of the Currency (OCC) heben in einer gemeinsamen Erklärung die "erheblichen Risiken" von Kryptowährungen für Banken hervor.
- 27. Januar: Federal Reserve Board lehnt den über zwei Jahre alten Antrag auf Aufnahme in das Federal Reserve System der Krypto-Bank Custodia ab.
- 27. Januar: Federal Reserve Board schränkt Krypto-Aktivitäten für staatlich anerkannte Banken weiter ein
- 27. Januar: Der Nationale Wirtschaftsrat des US-Präsidenten rät Banken stark davon ab, weiterhin mit Krypto-Firmen zu interagieren.
- 2. Februar: US-Justizministerium leitet Betrugsverfahren gegen Silvergate wegen FTX- und Alameda-Geschäften ein.
- 8. Februar: Bankcharta-Anträge der Krypto-Banken Protego und Paxos nach Ablauf der 18-monatigen Frist weiterhin ausstehend. Gerüchte spekulieren auf eine baldige Ablehnung.
- 13. Februar: New Yorker Finanzaufsichtsbehörde (NYDFS) zwingt Paxos zur Einstellung des drittgrössten Stablecoins Binance USD (BUSD) kurz nach einer SEC-Klage gegen das Krypto-Unternehmen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Banken mit Einlagen von Krypto-Kunden, selbst ausgegebenen Stablecoins, der Verwahrung von Kryptowährungen oder Kryptowährungen als Eigenkapital momentan erheblichen regulatorischen Gegenwind erleben. Zwar verbietet keine der Erklärungen den Banken ausdrücklich, Krypto-Kunden zu betreuen. Doch die neuen Vorschriften der Fed, rechtliche Verfahren der SEC sowie die Ermittlungen gegen Silvergate sind eine starke Abschreckung für jede Bank, die eine Krypto-freundliche Positionierung in Erwägung zieht.
Licht am Ende des Tunnels?
Angesichts der Verschärfung des regulatorischen Umfelds für den Krypto-Bereich ist es für Branchenvertreter und Lobbyisten unerlässlich, sich für ihre Industrie einzusetzen. Diese Akteure sind dafür verantwortlich, mit politischen Entscheidungsträgern und Regulierungsbehörden in Kontakt zu treten, um einen ausgewogenen Regulierungsrahmen zu gewährleisten. Andernfalls besteht die Gefahr, dass ein regulatorisches Rahmenwerk geschaffen wird, das Innovationen erstickt und das Wachstumspotenzial der Krypto-Branche massgebend einschränkt.
Leider erhielt die CVJ.CH Redaktion auf mehrere Anfragen von keinem der bedeutenden Krypto-Interessenverbänden eine Antwort, während ungeschickte Auftritte vor dem US-Senat weiter schlechtes Licht auf die Branche werfen. Glücklicherweise stehen einige der grössten Krypto-Unternehmen in den Staaten für den Bereich ein. Die Digital Currency Group (DCG) reichte vor einem halben Jahr eine Klage gegen die SEC wegen willkürlichem Ablehnen eines Bitcoin-Spot-ETFs ein, Coinbase bereitet sich auf eine juristische Verteidigung von Staking-Diensten vor, vereinzelte Senatoren verlangen sinnvolle Regulierung vor dem Kongress und Genslers Amtskollegin Hester Pierce kritisiert die Entwicklungen aus den eigenen Reihen.
"Am besorgniserregendsten ist jedoch, dass unsere Lösung für einen Registrierungsverstoss die vollständige Abschaltung eines Angebots ist, das den Leuten einen guten Dienst erwiesen hat. […] Eine bevormundende und faule Aufsichtsbehörde entscheidet sich für ein Vorgehen wie die in diesem Verfahren: Sie initiiert keinen öffentlichen Prozess, um ein praktikables Registrierungsverfahren zu entwickeln, das Investoren wertvolle Informationen liefert. Stattdessen schaltet [sie]es einfach ab." – Hester Peirce, eine der fünf SEC-Kommissaren, zum Kraken-Staking-Verbot