Das bevorstehende Upgrade Ethereums (aka Merge) ist eine der ehrgeizigsten und anspruchsvollsten Aufgaben in der Blockchain-Industrie mit dem Potenzial, dezentrale Netzwerke zu revolutionieren. Durch den Konsensus-Wechsel schafft das Protokoll auch die politisch geforderte Energieeffizienz für eine nachhaltige Zukunft.
Ethereum hat schon erhebliche Veränderungen erfahren. Das Protokoll wird im Gegensatz zum "digitalen Gold" regelmässig aktualisiert, um globale Nachfrage zu befriedigen sowie die Sicherheit und Dezentralisierung zu verbessern. Der nächste Schritt in der Geschichte Ethereums wurde als Ethereum 2.0 bekannt und zeichnet sich in der ersten Phase durch einen Wechsel des Konsensmechanismus auf Proof-of-Stake aus. Diese erste Phase wurde im Dezember 2020 eingeläutet und soll Mitte 2022 in einer Verschmelzung (engl. = Merge) der Proof-of-Stake-Blockchain (Beacon Chain) und der Haupt-Blockchain resultieren. Eine Einführung zu den unzähligen Implikationen des Ethereum-Merge.
Geteilte Konsens- und Applikationsschicht
Ethereum ist eine gemeinsam genutzte virtuelle Maschine, die es Nutzern ermöglicht, den globalen Zustand des Systems durch dezentralen Konsens zu verwalten. Ein Nutzer kann Transaktionen zwischen Adressen senden und empfangen sowie Turing-komplette Computerprogramme, sogenannte Smart Contracts, auf der Blockchain einsetzen. Diese Smart Contracts können für unzählige Applikationen genutzt werden, die beliebtesten Anwendungen finden sich momentan in der Welt der dezentralen Finanzen (DeFi) und nicht-fungiblen Token (NFTs).
Die seit Ende 2020 operierende Beacon-Chain wird neben der Ethereum-Blockchain als Konsensschicht fungieren, welche die Blockchain mit dem Proof-of-Stake-Konsens sichert. Ähnlich wie bei herkömmlichen Proof-of-Work-Systemen wählt die Beacon Chain den Node aus, der den nächsten Block in der Kette validiert. Allerdings wird diese Entscheidung nicht aufgrund der Rechenleistung getroffen (Mining), sondern anhand der hinterlegten Ether (Staking). Anschliessend koordiniert die Beacon Chain die Aufnahme der validierten Blöcke und schliesslich die Aufteilung der Kette in die Ethereum-Blockchain.
Die Verschmelzung der Beacon-Chain mit Ethereum
Die Beacon Chain wurde wie bereits erwähnt ursprünglich getrennt von der Ethereum-Blockchain ausgeliefert. Das Ethereum-Mainnet wird weiterhin durch Proof-of-Work gesichert, während die Beacon Chain parallel dazu mit Proof-of-Stake läuft. Der Merge bezeichnet den Zeitpunkt, an dem diese beiden Systeme schliesslich zusammengeführt werden. Die Ethereum Foundation nutzt oft den Vergleich eines Raumschiffs, das noch nicht ganz bereit für eine interstellare Reise ist. Mit der Beacon Chain hat die Community einen neuen Motor und einen gehärteten Rumpf gebaut. Wenn die Zeit gekommen ist, wird das aktuelle Schiff an das neue System andocken und zu einem Schiff verschmelzen, das einige Lichtjahre zurückzulegen und das Universum erobern kann.
Aktuellen Schätzungen zufolge wird die Ethereum-Blockchain im Juli 2022 mit der Beacon Chain "verschmelzen" und zu einem eigenen "Shard" werden, der anstelle von Proof-of-Work das ressourcenschonende Proof-of-Stake verwendet. Der Merge wird es dem Ethereum-Netzwerk so ermöglichen, Smart Contracts im Proof-of-Stake-System auszuführen. Da die gesamte Geschichte und der aktuelle Stand von Ethereum übernommen werden muss, damit der Übergang für alle Ethereum-Nutzer reibungslos verläuft, gehen die Entwickler mit äusserster Sorgfalt vor. Im Falle eines signifikanten Fehlers wären hunderte Milliarden an Nutzergeldern gefährdet.
Ethereum wird deflationär
Der Londoner Hard Fork, durch den eine Handvoll Ethereum Improvement Proposals (EIPs) eingeführt wurde, stellte vor einem Jahr ein substanzielles Upgrade dar. Ein Vorschlag im Besonderen, EIP-1559, sorgte für Kontroversen aufgrund der Verschiebung der Gebührenstrukturen, die von Minern erhoben und von Nutzern bezahlt werden. Ein eingebauter "Burn-Mechanismus" vernichtet einen Teil der Ether, die zur Zahlung von Transaktionsgebühren verwendet werden. Ein wesentlicher Vorteil des Londoner Hard Forks vom Juli 2021 war die deflationäre Wirkung des ETH-Burn-Mechanismus. Die Vernichtung eines bestimmten Prozentsatz an Ether nimmt kontinuierlich Coins aus der Zirkulation, was die Knappheit und den Wert des Vermögenswertes erhöhen sollte.
Im Januar 2022 konnte Ethereum erste aufeinanderfolgenden Wochen mit deflationären Emissionen inmitten steigender Netzwerkaktivität verbuchen. Seit der Einführung von EIP-1559 wurden mehr als 2 Mio. Ether verbrannt, was rund 7 Milliarden USD entspricht. Da der Ethereum-Merge ein Ende der Blockbelohnungen für PoW-Miner bedeutet, wird auch die Gesamtemission aller Ether um rund von 4.3% auf 0.43% pro Jahr sinken und durch Staking-Belohnungen ersetzt werden. In Kombination mit der täglichen Vernichtung mehrer tausend Ether wird erwartet, dass der Merge ETH zu einem durchgängig deflationären Vermögenswert befördern wird.
Umweltfreundliche Netzwerksicherung durch Proof-of-Stake
Ein bedeutender Kritikpunkt an den aktuell führenden Blockchain-Systemen wie Bitcoin und Ethereum (vor dem Merge) ist der hohe Energieverbrauch. Eine erhebliche Anzahl Energie wird aufgewendet, um neue Einheiten zu erzeugen und Transaktionen zu bestätigen (Mining). Anarchische Blockchains wie Bitcoin erlauben es jedermann, an der Blockbildung teilzunehmen. Um das Ganze teuer und Blockumstrukturierungen (51% Attacken) unmöglich zu machen, wurde absichtlich der Proof-of-Work-Algorithmus integriert. Ein Angreifer muss reale wirtschaftliche Ressourcen aufwenden, um erfolgreich zu sein. Trotz eines hohen Anteils an erneuerbaren Energiequellen führt dies zu einem erheblichen Energieverbrauch.
Proof-of-Stake-Systeme nutzen nicht Rechenleistung (Mining), um Angriffe zu verhindern. Stattdessen müssen Nodes ihre eigenen Vermögenswerte hinterlegen (Staking), die im Falle einer Attacke vom Netzwerk gestrichen werden können. Dies schafft finanzielle Anreize für alle Netzwerkteilnehmer, sich ehrlich zu verhalten und Angreifer fernzuhalten. Rechenleistung stellt somit keine Barriere mehr dar. Im Falle Ethereums führt dieser Umstieg von Proof-of-Work auf Proof-of-Stake zu einer Reduzierung des Energieverbrauchs um über 99%. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Merge diverse Vorteile für Ethereum als Netzwerk und Ether als Asset mit sich bringt:
- Spieltheoretischer Wechsel der Netzwerkvalidierer (Miner vs. Staker)
- Ether wird zu einem produktiven Asset (5-10% Rendite pro Jahr)
- Reduzierung der Ether-Emissionen für Blockproduzenten (deflationärer Druck auf ETH)
- Drastische Reduzierung des Energieverbrauchs des Netzwerks, der aus ESG-Sicht eine Hürde darstellte