Notenbanken rund um den Globus setzen sich mit der Digitalisierung ihrer Währungen auseinander. Zahlreiche Vor- und Nachteile für digitale Zentralbankwährungen (CBDCs) werden heiss diskutiert. Die Perspektive des Head of Digital Assets & Currency der Deutschen Bank, Alex Bechtel.
Digitale Zentralbankwährungen (CBDCs) bieten eine Reihe von überzeugenden Vorteilen, darunter die Aussicht auf nahezu sofortige Zahlungen und Abrechnungen, die Beseitigung von Schwarzmarkttransaktionen, die Reduzierung der Kosten für das Bargeldmanagement und Effizienzgewinne in der Buchhaltung. Geldbeschaffungskosten sinken mittels CBDCs. Smart Contracts, die Bezahlvorgänge zwischen Maschinen initiieren, werden rechtssicher und Mikrozahlungen ermöglicht. Auch können Massnahmen rund um Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung leichter umgesetzt werden. Sie bergen jedoch auch gewisse Risiken. Von Kritikern am meisten erwähnt ist der Schutz der Privatsphäre. CBDCs können theoretisch so programmiert werden, dass sie die Ausgaben der Bürger kontrollieren, negative Renditen auf Einlagen und Bail-ins erzwingen, sowie Einkommen und Ausgaben überwachen.
Alex Bechtel, Head of Digital Assets & Currency der Deutschen Bank, ist Speaker bei der CryptX Fintech Konferenz, die am 18. November in Offenbach stattfindet. Nationale und internationale Spezialisten aus der digitalen Wirtschaft kommen zusammen und geben einen Ausblick auf zukunftsweisende Entwicklungen in Bitcoin & Co. So werden neue Brücken zwischen der Bankenwelt und der Kryptowelt gebaut. Ein Gespräch mit dem Crypto Valley Journal.
CVJ.CH: Was ist Ihre Vision für die Zukunft von digitalen Vermögenswerten?
Alex Bechtel: Digitale Währungen sind ein weiter Begriff. Ich interpretiere das mal als tokenisiertes Geld oder Geld, das auf einer Blockchain liegt. Das kann auf der einen Seite eine Kryptowährung sein wie Bitcoin oder Ether, auf der anderen Seite aber auch ein Stablecoin oder vielleicht sogar eine digitale Zentralbankwährung (CBDC). Da gehe ich schon davon aus, dass die Nutzung in den nächsten Jahren noch deutlich wachsen wird und dass wir in Zukunft vermehrt mit digitalen Währungen bezahlen. Dabei würde ich aber einen ganz klaren Unterschied machen zwischen einem tokenisierten Euro und einem tokenisierten US-Dollar, beispielsweise in Form eines Stablecoins oder in Form einer digitalen Zentralbankwährung und einer Kryptowährung. Ich glaube nicht, dass wir künftig in grossem Stil mit Bitcoin- oder Eiher-Zahlungen tätig werden, sondern eher mit tokenisiertem Fiat-Geld, in Form von Stablecoins oder den angesprochenen Zentralbankwährungen.
Ich glaube, dass man künftig eher tokenisiertes Geld nutzen wird, anstatt wie heute accountbasiertes Geld. Mit tokenisiertem Geld kann man einfach mehr machen, es fraktionalisieren und damit so etwas wie Mikrozahlungen abwickeln. Es ist 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche verfügbar, ich kann dieses Geld programmieren und vieles mehr. Ich habe also hinsichtlich des Einsatzes eine grössere Flexibilität, wodurch sich neue Anwendungsfälle ergeben werden und bestehende Anwendungsfälle werden sich effizienter bedienen lassen. Deshalb wird es langfristig auf tokenisiertes Geld hinauslaufen.
Wichtig ebenfalls: Die Infrastruktur, die wir dafür benötigen, steckt noch absolut in den Kinderschuhen. Wir sind noch weit davon entfernt, unser aktuelles Zahlungssystem auf tokenisiertem Geld aufzubauen. Deshalb glaube ich, dass wir noch sehr lange auf accountbasiertes Geld angewiesen sind und dieser Prozess ein langfristiger sein wird. Für manche Prozesse werden wir in dieser Zeit also bereits tokenisiertes Geld und für andere wiederum accountbasiertes Geld nutzen.
Wie sieht die Gesamtstrategie der Deutschen Bank in Bezug auf Krypto-Assets aus?
Alex Bechtel: Die Gesamtstrategie würde wohl den Rahmen des Interviews sprengen, aber es ist definitiv so, dass wir das Thema genau ansehen und ernst nehmen. Wir stehen, wie alle grossen und streng regulierten Banken gewissen Herausforderungen gegen, wenn es um Krypto geht. Das sind vor allem Dinge wie Geldwäscherichtlinien, Anti-Terrorismusfinanzierungen und ähnliches. Grosse Institute können also nicht einfach so Bitcoin oder Ether kaufen und verkaufen, sondern es müssen zunächst einige Prozesse aufgegleist, Regulatoren überzeugt und Lizenzen beantragt werden. Wir haben hier ein sehr genaues Auge darauf.
Müssen sich die politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen ändern, um das Aufkommen von digitalen Währungen zu ermöglichen?
Ich sehe definitiv einen Konflikt zwischen der Art und Weise, wie wir heute unser Finanzsystem designen und regulieren und wie dezentralisiertes Finanzsystem aussehen würde und reguliert werden müsste. Diese Idee, dass ich eine zentrale Instanz habe, bei der ich ansetzen und auch Regulierungen durchsetzen kann, die habe ich beispielsweise in einem DeFi-Ökosystem nicht mehr. Das bedeutet, dass es seitens des Regulators nötig ist, ein Stück weit umzudenken und quasi von first principles aus zu sagen, wie man diese neue Art des Finanzmarktes regulatorisch in den Griff bekommen kann.
Ich glaube, es darf nicht sein, dass es völlig unreguliert bleibt, es braucht aber eine neue Art der Regulierung. Viele Regulatoren in Europa sind hier übrigens schon sehr weit und haben auch ein gutes Verständnis für den Sachverhalt. Wichtig ist immer ein guter Austausch zwischen den Regulatoren und der Finanz-, bzw. der Krypto- und DeFi-Industrie. So kann sichergestellt werden, dass Innovation trotz Regulierung aufkeimen kann und man sie nicht direkt wieder abwürgt.
Welche Strategie schlagen Sie bezüglich der Gestaltung eines CBDCs vor, und kann diese mit den geltenden Vorschriften zur Geldwäsche und zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung in Einklang gebracht werden?
In einem Forschungspapier, das wir vor einigen Monaten veröffentlicht haben, zeigen wir, dass es tatsächlich möglich ist, dass man eine digitale Zentralbankwährung erschaffen kann, die Anonymitäts-Features aufweist und sich gleichzeitig im Einklang befindet mit geltenden Geldwäscherichtlinien und Gesetzen zur Bekämpfung von Terrorismusfinanzierung. Das wird von vielen Zentralbanken leider noch übergangen. Es wird so getan, als würde echte Anonymität unter Einhaltung der Geldwäscherichtlinien nicht möglich. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass es gelingen kann. Wenn ich von Anonymität spreche, meine ich tatsächlich auch echte, bargeldähnliche Anonymität.
Das bedeutet in diesem Beispiel, dass ich eine digitale Zentralbankwährung nutzen und damit so bezahlen kann, dass ich erst gar keine Daten mit irgendeinem Zahlungsanbieter teile. Das funktioniert über eine Technologie namens Zero Knowledge Proofs. Das hat übrigens nichts mit Blockchain zu tun. Es steckt aber auch Kryptographie dahinter. Wenn ich eine Zahlung tätige, beweise ich dabei, dass ich mich an gewisse Regeln halte. Also beispielsweise: Ich bin über 18, ich bin ein deutscher Staatsbürger und meine Zahlung liegt unter 1'000 Euro.
Ich beweise also lediglich die Einhaltung dieser Beschränkungen, gebe aber sonst keine Informationen preis. Das bedeutet, die EZB, die letztlich dieses Zahlungen als Institution durchwinken würde, sähe, dass eine Zahlung getätigt wurde, die diese Bedingungen erfüllt und nicht mehr. So validiert kann sie dann ausgeführt werden.
Was die EZB in diesem Zusammenhang nicht wissen muss: mein Name, mein Wohnort, den genauen Betrag meiner Zahlung und den Namen des Onlineshops. Das ist also unser Vorschlag: Über Zero Knowledge Proofs diese Informationen erst gar nicht mit der EZB zu teilen. Bei den Vorschlägen, die sonst so herumschwirren, geht es ja immer darum, dass diese Informationen erst geteilt und dann nach zwei Wochen gelöscht werden. Das sind aber natürlich Dinge, bei denen ich nicht selbst nachvollziehen kann, inwieweit das, was ich tue, wirklich anonym ist. Über Zero Knowledge Proofs habe ich in der Hand, welche Daten ich teile und welche nicht.
Ein digitaler Euro muss den Bedürfnissen der Europäer gerecht werden und gleichzeitig dazu beitragen, illegale Aktivitäten zu verhindern und unerwünschte Auswirkungen auf die Finanzstabilität und die Währungspolitik zu vermeiden. Ist dies zu gegebener Zeit möglich?
Die ersten CBDCs sind ja schon live gegangen, beispielsweise auf den Bahamas. Auch ein paar andere Nationen sind hierbei schon ein ganzes Stück weiter als wir hier in den Europa oder in den USA. Dazu gehört natürlich vor allem China, welches auf diesem Gebiet seit vielen Jahren testet und ihre CBDC zu den kommenden olympischen Spielen auch ausrollen will.
In Europa beginnen wir im vierten Quartal dieses Jahres eine Investigationsphase, die zwei Jahre lang dauern soll. Danach folgt eine Implementierungsphase, die sicherlich weitere zwei bis drei Jahre benötigt. Es wird also mindestens noch fünf Jahre dauern, bis wir in der Euro-Zone eine CBDC sehen werden. Die Schweiz beispielsweise arbeitet aktuell gar nicht an einer CBDC. Dort fokussiert man sich eher auf eine CBDC für Banken.
Man hört oft das Argument, dass wir gegenüber den Chinesen an Zeit verlieren und dementsprechend eventuell an Markanteilen, was die Zahlungen oder die Nutzung der Währung betrifft. Ich bin da vergleichsweise entspannt. Es ist nicht so, dass wir aktuell ganz dringend eine Retail-CBDC brauchen, also eine CBDC für den Endnutzer. Das wird dann aktuell, wenn die Bargeldnutzung noch weiter abnimmt. Für mich ist dieser Retail-CBDC eher ein Ersatz für Bargeld. Was wir viel dringender brauchen ist ein sogenannter Wholesale-CBDC. Das ist eine digitale Zentralbankwährung für den Finanzmarkt, die es beispielsweise ermöglicht, tokenisierte Assets zu handeln und abzuwickeln.
Wann dürften wir dann die erste digitale Zentralbankwährung (CBDC) in Europa ungefähr erwarten?
In den nächsten fünf Jahren ist es definitiv möglich, eine CBDC zu entwerfen, die unerwünschte Auswirkungen auf Finanzstabilität und Währungspolitik vermeidet. In den nächsten zwei Jahren brauchen wir aber, so glaube ich, keine Retail-CBDC. Wir sollten uns in Europa in diesem Zeitraum eher an der Schweiz orientieren und uns einer Wholesale-CBDC widmen.
Alex Bechtel ist Head of Digital Assets & Currencies Strategy bei der Deutschen Bank, sowie Research und Teaching Assistant an der Universität St. Gallen. Bis 2018 war er als External Consultant bei der Europäischen Zentralbank tätig.