Das Metaversum ist in letzter Zeit in aller Munde, und sowohl Facebook als auch Microsoft erheben ihren Anspruch darauf. Per Definition Ist es eine digitale Alternative zur physischen Welt, doch wie genau können wir uns das Metaversum vorstellen und wann wird es zur Realität?
Das Metaversum ist kein Spiel und hat kein festgelegtes Ziel, es stellt lediglich eine eigene digitale Realität dar. Das Metaversum umfasst damit weit mehr Bereiche des Lebens als das heutige Internet. Führende Firmen auf der ganzen Welt beginnen das Potenzial zu erkennen und für sich zu nutzen. Es folgt ein Überblick über das Metaversum, sein Entstehen, mitwirkende Akteure und eine Auseinandersetzung mit der Frage: Wann wird es kommen?
Was ist das Metaversum?
Der Begriff Metaversum wurde erstmals in dem 1991 veröffentlichten Science-Fiction-Roman „Snow Crash“ von Neal Stephenson benutzt. Darin beschreibt der Autor das Metaversum als eine globale virtuelle Realität, in der Menschen als Avatare vertreten sind und ihr Leben digital leben, wie in heutigen Onlinespielen. Jedoch ist das Metaversum kein allumfassendes Spiel, es gibt keinen Highscore und kein festgelegtes Ziel. Das Metaversum ist viel mehr eine digitale Alternative zur physischen Welt.
In dem 2020 veröffentlichten Essay von Matthew Ball, der als einer der einflussreichsten Essays zum Metaversum gilt, identifiziert der Risikokapitalgeber sieben Kernattribute des Metaversums:
- Das Metaversum wird beständig sein - das heisst, es wird niemals "zurückgesetzt" oder "pausiert" oder "beendet", sondern es geht einfach unendlich weiter.
- Es wird synchron und live sein - auch wenn im Voraus geplante und in sich abgeschlossene Ereignisse stattfinden werden, genau wie im "echten Leben", wird das Metaversum eine lebendige Erfahrung sein, die für jeden konsistent und in Echtzeit existiert.
- Es wird keine Obergrenze für die Anzahl der gleichzeitigen Nutzer geben, während gleichzeitig jedem Nutzer ein individuelles Gefühl der "Präsenz" vermittelt wird - jeder kann ein Teil des Metaversums sein und an einem bestimmten Ereignis/Ort/einer bestimmten Aktivität gemeinsam, zur gleichen Zeit und mit individueller Handlungsfähigkeit teilnehmen.
- Es wird eine voll funktionsfähige Wirtschaft sein - Einzelpersonen und Unternehmen werden in der Lage sein, ein unglaublich breites Spektrum an "Arbeit" zu schaffen, zu besitzen, zu investieren, zu verkaufen und dafür belohnt zu werden, die einen "Wert" erzeugt, der von anderen anerkannt wird.
- Es wird eine Erfahrung sein, die sowohl die digitale als auch die physische Welt, private und öffentliche Netzwerke/Erfahrungen sowie offene und geschlossene Plattformen umfasst.
- Es wird eine noch nie dagewesene Interoperabilität von Daten, digitalen Gegenständen/Assets, Inhalten usw. über alle diese Erfahrungen hinweg bieten - ein Counter-Strike-Waffen-Skin könnte beispielsweise auch zur Verzierung einer Waffe in Fortnite verwendet oder einem Freund über Facebook geschenkt werden. In ähnlicher Weise könnte ein für Rocket League (oder sogar für die Porsche-Website) entworfenes Auto auch in Roblox zum Einsatz kommen. Heute verhält sich die digitale Welt im Grunde wie ein Einkaufszentrum, in dem jedes Geschäft seine eigene Währung verwendet, eigene Ausweise benötigt, eigene Masseinheiten für Dinge wie Schuhe oder Kalorien und unterschiedliche Kleiderordnungen hat.
- Sie wird von "Inhalten" und "Erlebnissen" bevölkert, die von einer unglaublichen Vielzahl von Mitwirkenden geschaffen und betrieben werden, von denen einige unabhängige Einzelpersonen sind, während andere informell organisierte Gruppen oder kommerziell ausgerichtete Unternehmen sein können.
Ball erwartet, dass das Metaversum noch mehr Umsatz generieren wird, als es das Web heute schon tut. Genau diese Prognose dürfte ausschlaggebend gewesen sein, Zuckerberg und Sweeney dazu zu veranlassen, schon so früh in den Bereich einzusteigen. Denn so, wie die Internetkonzerne viele klassischen Unternehmen vom Thron stossen konnten, könnte ein zukünftiger Erfolg des Metaversums dazu führen, dass „viele Platzhirsche fallen werden“ – zumindest wenn Ball recht behält.
Arbeitswelt im Metaversum
Abgesehen von der Verlagerung in die virtuelle Realität würde sich das Metaversum nicht wesentlich vom heutigen Web unterscheiden. Der einzige Unterschied ist, dass es viel mehr Bereiche unseres Lebens umfassen würde - und damit auch die Arbeitswelt weiter verändern würde.
"Während diese "Arbeit" typischerweise niederträchtig, repetitiv und auf einige wenige Anwendungen beschränkt ist, werden die Vielfalt und der Wert dieser "Arbeit" mit dem Metaversum selbst wachsen. Der Wert ist ein wichtiger Teilnehmer, wenn nicht gar eine treibende Kraft eines solchen Systems. Es gibt heute keinen "Besitzer" des Internets, aber fast alle führenden Internetunternehmen gehören zu den zehn wertvollsten Aktiengesellschaften der Welt." - Matthew Ball
Als Beispiel nennt Ball Unternehmen, die bereits jetzt Videospieler in ärmeren Ländern anstellen, um im Spiel Objekte zu verdienen, die dann an Spieler aus reicheren Ländern verkauft werden. Der Autor geht davon aus, dass das Metaversum sogar noch mehr Einnahmen generieren wird als das Web es heute schon tut.
Führende Firmen erkennen das Potential des Metaversums
Sowohl Meta-Gründer Mark Zuckerberg, als auch Fortnite-Chef Tim Sweeney und Microsoft-CEO Satya Nadella haben das Potenzial des Metaversums erkannt und orientieren sich in dieser Hinsicht neu. Seit Stephenson's Science Fiction Roman haben verschiedene Entwicklungen Meilensteine auf dem Weg zu einem echten Metaversum gesetzt, einer virtuellen Online-Welt, die Augmented Reality, Virtual Reality, holografische 3D-Avatare, Video und andere Kommunikationsmittel umfasst.
Wenn sich das Metaversum ausweitet, wird es den Nutzern eine hyperreale Alternativwelt bieten, in der diese miteinander koexistieren können. Andeutungen des Metaversums gibt es bereits in Online-Spieluniversen wie Fortnite, Minecraft und Roblox. Und die Unternehmen, die hinter diesen Spielen stehen, haben ebenfalls den Ehrgeiz, an der Entwicklung des Metaversums teilzuhaben.
Selbstbestimmung statt Plattform-Abhängigkeit
Viele Wege führen ins Metaversum und es scheint keine Modeerscheinung zu sein. Anstatt mit einem Facebook-Login, welchem wohl die Historie der physischen Welt anhaftet, können neue digitale Identitäten geschaffen werden. Jedem Wallet darf unkompliziert eine neue Identität entspringen, welche sich im Metaversum kontextuell erweitern lässt. Der Transaktionsverlauf und der Besitz von entsprechenden NFTs schreiben eine automatische und fälschungssichere Biografie. Ein Avatar wiederspiegelt die digitale Identität und kann im Metaversum entsprechend eingekleidet werden.
Die Identität per se ist nicht plattformabhängig, sondern ebenso wie Gegenstände und sonstige Dinge, dezentral in der entsprechenden Blockchain-Wallet des Besitzers. Ob diese ausserhalb einer Plattform jedoch noch dargestellt werden oder die versprochene Funktion beinhaltet, hängt von der Art und Weise der geschaffenen NFTs ab. Ein NFT nach einem gewissen Standard (z.B. ERC-721) kann jederzeit von der Besitzer Wallet verschoben, verkauft oder zerstört werden, ohne eine dritte Partei zu involvieren.
Das Silicon Valley positioniert sich
Werfen wir einen kurzen Blick auf Meta. Der Tech-Gigant, der früher unter dem Namen Facebook bekannt war, hat bereits beträchtliche Investitionen in die virtuelle Realität getätigt. Unter anderem getrieben durch die frühe Übernahme von Oculus im Jahr 2014. Meta stellt sich eine virtuelle Welt vor, in der digitale Avatare mithilfe von VR-Headsets bei der Arbeit, auf Reisen oder zur Unterhaltung miteinander in Kontakt treten. Zuckerberg hat sich optimistisch über das Metaversum geäussert und glaubt, dass es das Internet, wie wir es kennen, ersetzen könnte.
"Die nächste Plattform und das nächste Medium wird ein noch immersiveres und verkörperteres Internet sein, in dem man die Erfahrung macht und sie nicht nur anschaut, und wir nennen das Metaversum" - Mark Zuckerberg Meta-CEO
Auch Metas Konkurrenz aus dem Silicon Valley hat das Potential des Metaversums erkannt. Der Softwareriese Microsoft verwendet bereits Hologramme und entwickelt mit seiner Microsoft Mesh-Plattform Mixed- und Extended-Reality-Anwendungen (XR), welche die reale Welt mit einer Augmented Reality anreichern, indem sie mit Dingen aus der Virtual Reality kombiniert werden.
Anfang dieses Monats stellte Microsoft seine Pläne vor, Mixed Reality einschliesslich Hologrammen und virtuellen Avataren im Jahr 2022 in Microsoft Teams einzuführen. Für das nächste Jahr sind ausserdem erkundbare virtuelle 3D-Räume für den Einzelhandel und den Arbeitsplatz in Planung. Die US-Armee arbeitet derzeit mit Microsoft an einem Augmented-Reality-Headset Hololens 2, mit dem Soldaten trainieren, proben und kämpfen können. Darüber hinaus verbindet Xbox Live bereits Millionen von Videospielern auf der ganzen Welt.
Wann kommt also das Metaversum?
Grundsätzlich ist es schon da, jedoch zur Zeit wohl eher für technisch-affine Menschen mit rechenstarken Gerätschaften sinnvoll oder gar immersiv nutzbar. Aktuelle VR Headsets um sich Im Metaversum zu bewegen gibts ab rund 600 Franken. Vielseitiger sind die Sets mit Eingabegeräten, welche kreative Menschen fördert, ihre eigenen Kreationen ins Metaversum zu tragen.
Metas CEO Mark Zuckerberg schätzt, dass es fünf bis zehn Jahre dauern könnte, bis sich die wichtigsten Merkmale des Metaversum durchgesetzt haben. Einige Aspekte des Metaversums existieren bereits. Ultraschnelle Breitbandgeschwindigkeiten, Virtual-Reality-Headsets und permanente Online-Welten sind bereits in Betrieb, auch wenn sie vielleicht nicht für alle zugänglich sind. Somit ist es eine Frage der näheren Zukunft, bis das Metaversum den Schritt in die breitere Allgemeinheit schafft.