Wie bei Wertpapieren und Edelmetallen, etablierten sich für Bitcoin diverse Methoden zur Bewertung des digitalen Assets. Stock-to-Flow (S2F), eines der bekanntesten Preismodelle, wurde beispielsweise für physisches Gold entwickelt und an das "digitale Gold" angepasst. Wie steht es um diese Prognosen?
Das Stock-to-Flow (S2F) Ratio wurde erstmals 1997 vom ungarischen Professor Fekete beschrieben. Dabei wird der Bestand eines Edelmetalls ins Verhältnis zur jährlichen Produktion gesetzt. Je höher das Stock-to-Flow Ratio, desto geringer der Einfluss eines Angebotsschocks auf den Preis des Edelmetalls. Gold hat sich zuerst als Wertaufbewahrungsmittel etabliert, da es selten war. Der Siegeszug gegenüber anderen seltenen Edelmetallen hat Gold jedoch dem hohen S2F-Ratio zu verdanken, da diese zu höherer Preisstabilität gegenüber anderen Edelmetallen wie Silber, Platin oder Palladium geführt hat.
S2F Bitcoin-Preisvorhersage als ungültig erklärt
Am 18. Juni 2022 stürzte der Preis von Bitcoin (BTC) auf einen Tiefstand von 17'600 USD und durchbrach damit erstmals die untere Grenze des S2F-Modells. Dies hat die Gültigkeit des mathematischen Modells infrage gestellt. Das von Plan B vorgeschlagene Modell geht davon aus, dass der Bitcoin-Preis grob prognostiziert werden kann und sich auf einem stetigen Weg nach oben befindet. Alle vier Jahre wird damit eine fast zehnfache Rendite berechnet. Das mathematische Modell vergleicht das vorhandene Bitcoin-Angebot (die verfügbare Gesamtmenge) mit dem neuen Produktionsfluss (die in einem bestimmten Jahr geschürfte Menge).
Zudem sagt das Modell voraus, dass der Bitcoin-Preis bis Ende 2021 die 100'000-Dollar-Marke erreichen und bis zum Jahr 2026 auf dem besten Weg zur 1-Million-Dollar-Marke sein würde. Mit dem Erreichen eines Zwei-Jahres-Tief unter 20'000 USD wirft eine zunehmende Anzahl Marktteilnehmer dem Modell von Plan B vor, den Massen von Kleinanlegern falsche Hoffnung verkauft zu haben.
Rob Wolfram, ein Bitcoin-Maximalist, vergleicht die Bitcoin-Preise ständig mit dem S2F-Modell von Plan B. Der dunkelblaue Bereich stellt einen Standardfehler des vorhergesagten Preises dar, und der hellblaue Bereich stellt zwei Standardfehler dar. In der obigen Grafik wird der vorhergesagte Preis in die Zukunft bis zum 1. Januar 2027 verlängert.
Das S2F-Modell wurde von Rob schon als ungültig angesehen, als der Bitcoin-Preis bis Ende 2021 nicht die prognostizierten 100'000 USD erreichte. Der Analyst glaubte jedoch weiterhin an das Modell und argumentierte damit, dass Bitcoin entweder extrem unterbewertet ist und sich bald wieder erholen wird oder das Stock-to-Flow Modell in Zukunft "weniger nützlich" sein wird. Dies bestätigte sich mit dem Tiefstand der letzten Wochen wohl.
Die Grenzen des Stock-to-Flow Modells
In der Vergangenheit haben Kritiker auf mehrere Gründe für die Grenzen des Modells hingewiesen. Die Annahme, dass die Knappheit oder das Angebot die einzige Triebkraft für den Wert ist, scheint dabei am relevantesten. Der Einfluss der Nachfrage wird nicht berücksichtigt, weil dadurch andere wesentliche Preistreiber unberücksichtigt bleiben.
Das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage ist eine der grundlegendsten Theorien über den Preis eines Vermögenswerts. Wenn das Angebot die Nachfrage übersteigt, fallen die Preise und umgekehrt. Das S2F-Modell lässt den Einfluss der Nachfrage nach Bitcoin ausser Acht und übersieht dabei unerwartete Ereignisse wie einen wirtschaftlichen Zusammenbruch oder ein Black Swan Ereignis. In den kommenden Wochen wird sich zeigen, ob der Bruch lediglich ein Ausreisser war.
Weitere Modelle zur Preisvorhersage
Timothy Peterson, Global Macro Manager bei Cane Island Alternative Advisors, schrieb 2017 ein Papier, in dem er analysierte, wie das Metcalfesche Gesetz den Bitcoin-Preis beeinflusst hat. Nach dem Metcalfeschen Gesetz ist der Wert eines Netzwerks gleich der Anzahl der Nutzer im Quadrat. Solange die Adoptionsrate von Bitcoin linear wächst, wachsen der Preis und der Wert des Netzwerks exponentiell mit. Petersen hat mit der Anwendung des Gesetzes einen Bitcoin-Preis von 100'000 USD bis Januar 2024 vorhergesagt. Das ist nicht viel höher als das Allzeithoch von 68'000 Dollar. Jedoch hat Petersen auch vorhergesagt, dass der Bitcoin-Preis bis März 2028 einen Höchststand von 1 Million Dollar erreichen wird.
Die HODL-Modell-Hypothese von Twitter-Nutzer "Root" sieht den prozentualen Anteil des illiquiden Angebots am zirkulierenden Angebot parabolisch ansteigen, da die Knappheit von Bitcoin das Anlegerverhalten in Richtung Wertaufbewahrung als vorherrschenden Anwendungsfall lenken sollte. Infolgedessen wird sich das illiquide Angebot bis 2036 auf 80% des zirkulierenden Angebots nähern. Künftige Halvings mit geringerem Angebot werden diese Divergenz nur noch verschärfen.
In einem sehr weit gespannten Modell, dem Bitcoin long term power law, scheint Bitcoin noch auf Kurs zu sein. Dabei wird die aktuelle Unterstützung auf knapp über 13'000 USD gesehen.
Wie immer hängen die Logik eines solchen Diagramms und die daraus abgeleiteten Annahmen davon ab, dass die frühere Performance von BTC ein Indikator für die Zukunft ist. Das ist immer der Fall, wenn man sich auf irgendeine Art von linearer Regression verlässt. Die global vermehrten Regulierungen, ein ausgeweiteter Krieg, Sanktionen und die Sorgen vor einer Rezession können und werden in diversen Modellen nicht berücksichtigt. Solche unvorhergesehenen Ereignisse können dieses Verhalten in der Zukunft drastisch verändern, daher darf man die Preisvorhersagen dieser Modelle nicht als Evangelium betrachten.