Nach fast zwei Jahren heissen Diskussionen zum ersten umfassenden EU-Rechtsrahmen für Kryptowährungen (MiCA) konnten sich die Europäische Kommission, die relevanten Gesetzgeber und Mitgliedstaaten auf eine Vorlage einigen. Was bedeutet der Beschluss für Kryptofirmen und -nutzer in der EU?
Der neue Rechtsrahmen, über den seit seiner Einführung im Jahr 2020 debattiert wird, umfasst die Bereiche Transparenz, Offenlegung, Genehmigung und Überwachung von Transaktionen durch Dienstleistungsanbieter. Er zielt primär darauf ab, einen einheitlichen Ansatz in allen 27 Mitgliedstaaten zu schaffen. Allerdings bleibt MiCA nicht ganz ohne Kritik.
Rechtsrahmen für Krypto und digitale Assets
Das als Markets in Crypto-Assets (MiCA) bekannte Gesetz wird zahlreichen Akteuren auf dem Kryptomarkt neue Vorschriften auferlegen. Neben Börsen betrifft es vor allem die Emittenten sogenannter Stablecoins, die an bestehende Vermögenswerte wie den US-Dollar oder den Euro gekoppelt sind. Nach den neuen Regeln müssen Stablecoins wie Tether (USDT) und USDC von Circle ausreichende Reserven vorhalten, um im Falle von Massenabhebungen Rücknahmeanträge erfüllen zu können. Stablecoins, die zu gross (systemrelevant) werden, müssen ausserdem damit rechnen, dass ihre Transaktionen auf 200 Millionen Euro pro Tag begrenzt werden; angesichts der aktuellen Milliardenvolumina etwas absurd.
Insgesamt ist die MiCA ein erster Versuch, eine umfassende Regulierung für digitale Vermögenswerte in der EU zu schaffen. Während einige der strengeren Richtlinien Kryptounternehmen verunsichert haben, sehen mehrere Brancheninsider den Schritt als positiv an. Sie glauben, dass Europa bei der Regulierung von Kryptowährungen eine Vorreiterrolle spielen könnte. Das Gesetzespaket soll bereits 2024 in Kraft treten. Die Einführung auf EU-Ebene würde die USA und Grossbritannien unter Druck setzen, möglichst rasch gleichzuziehen.
Finanzstabil durch Gesetze
Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) erhält mit MiCA zudem die Befugnis, Krypto-Plattformen zu verbieten oder einzuschränken, wenn diese die Anleger aus ihrer Sicht nicht angemessen schützen oder gar die Finanzstabilität gefährden.
"Heute bringen wir Ordnung in den Wilden Westen der Krypto-Assets und legen klare Regeln für einen harmonisierten Markt fest, der Rechtssicherheit für Emittenten von Krypto-Assets bietet, gleiche Rechte für Dienstleistungsanbieter garantiert und hohe zudem Standards für Verbraucher und Investoren sicherstellt" - Stefan Berger, Verhandlungsführer im Europäischen Parlament
Ausserdem befasst sich MiCA auch mit Umweltfragen im Zusammenhang mit Kryptowährungen, wobei Unternehmen gezwungen werden, ihren Energieverbrauch sowie die Auswirkungen digitaler Vermögenswerte auf die Umwelt offenzulegen. Ein Gewinn gegenüber einem früheren Vorschlag, der das Mining, also den energieintensiven Prozess der Prägung neuer Einheiten von Bitcoin (BTC) und anderer Coins, vollständig verbieten wollte.
Rechtssicherheit für Unternehmen
Dass MiCA noch in diesem Jahr abgeschlossen wird, wurde allgemein erwartet. Eine Reihe von Digital-Asset-Firmen, die in Europa tätig sind oder eine Expansion nach Europa planen, haben bereits davor Schritte unternommen. Diese waren dazu gedacht, die Einhaltung der Vorschriften alsbald sicherzustellen.
Coinbase beispielsweise kündigte kürzlich an, dass die Börse fünf potenzielle europäische Gerichtsbarkeiten ins Auge fassen wird: Spanien, Italien, Frankreich, die Niederlande und die Schweiz. Das börsennotierte Unternehmen verfügt bereits über Genehmigungen aus Irland und Deutschland sowie von der britischen Financial Conduct Authority für den Betrieb eines multilateralen Handelssystems (MTF). Mit den neuen Rahmenbedingungen sieht die führende US-Kryptobörse einen günstigen Moment für den Eintritt in den EU-Markt.
Branchenvertreter nicht zufrieden mit dem gesamten Paket
MiCA soll sich nicht auf Token ohne Emittenten wie Bitcoin auswirken, allerdings müssen Handelsplattformen die Verbraucher vor dem Verlustrisiko beim Handel mit digitalen Token warnen; ähnlich wie es bei anderen Assets der Fall ist. MiCA ergänzt die bestehenden AML-Vorschriften und zielt darauf ab, die Finanzstabilität und den Anlegerschutz in Europa zu verbessern. Unabhängig davon einigten sich die Regulierungsbehörden auf Massnahmen, welche die Anonymität bei bestimmten Krypto-Transaktionen verringern werden. Die Behörden seien zutiefst besorgt über die Ausnutzung von Krypto-Vermögenswerten zum Waschen unrechtmässiger Gewinne oder zur Umgehung von Sanktionen, insbesondere nach Russlands anhaltendem Einmarsch in der Ukraine.
Überweisungen zwischen Börsen und sogenannten "ungehosteten Wallets" im Besitz von Privatpersonen müssen ausserdem gemeldet werden. Ein strittiges Thema für Krypto-Enthusiasten, die aus Gründen der Privatsphäre häufig mit digitalen Währungen handeln. Anonyme Zahlungen werden damit faktisch verboten. Zum Schluss wurde gar die von der EU-Kommission vorgeschlagene Obergrenze von 1'000 Euro für anonyme Transaktionen aufgegeben. Obwohl die zu schützenden Bürger die anonyme Verwendung von Bargeld als “wesentliche persönliche Freiheit” sehen und dies in den Befragungen kundtaten.
Paolo Ardoino, Chief Technology Officer von Tether, des weltweit grössten Stablecoin-Emittenten, begrüsst die regulatorische Klarheit trotzdem. MiCA sei für Krypto mit dem GPDR für den Datenschutz vergleichbar. Die bahnbrechenden EU-Datenschutzvorschriften haben den Standard für ähnliche Gesetze in anderen Teilen der Welt gesetzt.