Nach Angaben der Denkfabrik Atlantic Council erforschen neun von zehn Zentralbanken auf der ganzen Welt derzeit den Einsatz von CBDCs, während fast ein Dutzend Länder bereits eigene digitale Währungen eingeführt haben. Zusammen repräsentieren sie Volkswirtschaften, die mehr als 95% des globalen BIP ausmachen.
Die Blockchain-Technologie bietet diverse Vorteile gegenüber der Architektur herkömmlicher Zahlungsnetzwerke. Ihr verteiltes Hauptbuch (engl. = distributed ledger) ermöglicht eine dezentralisierte und sichere Aufzeichnung von Transaktionen, wodurch Intermediäre überflüssig werden und das Risiko von Betrug reduziert wird. Ausserdem werden grenzüberschreitende Zahlungen schneller, günstiger und effizienter abgewickelt. Alles Vorteile, die unterdessen auch Notenbanken rund um die Welt erkannt haben. Ein Überblick zu den teilweise fortgeschrittenen CBDC-Bemühungen rund um die Welt.
Notenbanken unter Druck der Digitalisierung
Die Digitalisierung des Zahlungsverkehrs hat die Abwicklung von Transaktionen revolutioniert und macht den grenzüberschreitenden Geldtransfer einfacher, schneller und sicherer. Der Blockchain-Technologie kommt dabei eine wichtige Rolle zu, da sie dezentralisierte, fälschungssichere Transaktionen ermöglicht, die keinen Mittelsmann benötigen. Durch den Einsatz der Blockchain-Technologie können Unternehmen kostengünstige und effiziente Zahlungslösungen anbieten, die bereits mit traditionellen Bankdienstleistungen konkurrieren. Darüber hinaus erlaubt die Blockchain-Technologie die Erstellung von Smart Contracts, mit denen sich komplexe Finanzvereinbarungen automatisieren lassen und Zwischenhändler überflüssig werden.
Ein Grossteil dieser Blockchain- und FinTech-Applikationen befinden sich allerdings in den Händen privater Unternehmen. Diese Machtdelegierung in den Privatsektor hat bei diversen Zentralbanken zu Bedenken hinsichtlich der Sicherheit und Stabilität des Finanzsystems geführt. Eine Reaktion widerspiegelt sich in der Beschleunigung jeglicher Projekte rund um digitale Zentralbankwährungen (CBDCs) - direkt von der Notenbank ausgegebene und regulierte Digitalwährungen. Laut Aussagen der führenden Zentralbanken würden CBDCs ihre Kontrolle über die Geldmenge und das Finanzsystem wahren und gleichzeitig den Verbrauchern ein effizientes Zahlungssystem zu bieten.
China an vorderster Front
Keine andere grosse Wirtschaftsmacht hatte so früh (2014) mit der Entwicklung eines CBDCs begonnen wie China, was das fortgeschrittene Stadium des digitalen Yuans erklärt. Inzwischen befindet sich der einwohnerstärkste Staat der Welt in einer umfangreichen Testphase, in der Bürger den CBDC bereits zur Bezahlung realer Dienstleistungen und Produkte verwenden können. Damit hat sich China als klarer Vorreiter im Bereich etabliert. Dass es dem digitalen Yuan stark an Privatsphäre mangelt, muss wohl kaum erwähnt werden.
Doch der asiatische Wirtschaftsraum als Ganzes arbeitet fleissig an CBDC-Pilotprojekten. Indonesien spielt mit einem CBDC für Grosskunden (Project Garuda), die japanische Regierung studiert Blockchain-basierte Zahlungsinfrastrukturen mit der Volksrepublik Laos (Project DLak), Fidschi, Vietnam sowie den Philippinen und die Monetary Authority of Singapore (MAS) nutzt CBDCs für grenzüberschreitende Transaktionen.
Weltmacht USA: Schwerpunkt auf CBDC für Grosskunden
Den Startschuss für CBDC-Bemühungen in den USA gab die Federal Reserve Bank Mitte 2021 mit ihrer ersten Studie zur Thematik. Was als "erste Erwägung" einer Digitalwährung begann, mündete rasch in sich graduell ausbauende Pilotprojekte. Die Federal Reserve Bank of New York beispielweise gab im November den erfolgreichen Abschluss eines Testlaufs (Project Cedar) bekannt, bei dem ein CBDC für grenzüberschreitende Grosshandelstransaktionen verwendet wurde. Dabei wurde ein digitaler Dollar mit experimentellen ausländischen Währungen auf separaten Blockchains getauscht.
"Die Testergebnisse des Experiments zeigten, dass das Blockchain-fähige Zahlungssystem Transaktionen im Durchschnitt in weniger als zehn Sekunden abwickelt und dass der Durchsatz im gesamten System steigt, wenn zusätzliche Währungen einbezogen werden. Ein Beweis für das Potenzial einer kontinuierlichen Skalierbarkeit eines modularen Ökosystems von Ledgern und dafür, dass die DLT eine atomare Abwicklung schneller als der derzeitige Industriestandard von zwei Tagen ermöglichen könnte." - Schlussfolgerung der Federal Reserve Bank of New York
Jegliche Projekte fokussieren sich hierbei auf einen "Wholesale-CBDC" - eine Digitalwährung für Grosskunden und Bankenriesen. Die Vorteile eines "Retail-CBDCs" für Alltagszahlungen stuft die US-Notenbank eher zweitrangig ein. Risiken im Bereich des Datenschutzes und potenzielle Kompetenzausweitungen auf Kosten der Privatbanken begrüsse die Federal Reserve schliesslich nicht. Für Alltagszahlungen seien privat ausgegebene Stablecoins bereits eine fähige Alternative, wie Fed-Gouverneur Christopher A. Waller auf einem Symposium an der Harvard University erklärte.
EU möchte Rückstand aufholen
Seit 2020 rückt der digitale Euro auf der Prioritätenliste der Europäischen Zentralbank (EZB) stetig nach oben. Was damals als interessante Idee propagiert wurde, scheint schon bald Realität zu werden. In einer Studie Anfang 2023 legte die Währungshüterin des Euroraums bereits einen ungefähren Zeitplan für die Einführung eines CBDCs aus. Nach weiteren Pilotprojekten über den Sommer erhofft sich die EZB gegen Ende des Jahres die endgültige Entscheidung. Getrieben werden die CBDC-Bemühungen direkt von der Vorsitzenden Christine Lagarde, die sich seit geraumer Zeit für den digitalen Euro ausspricht.
Ähnlich sieht is im ehemaligen EU-Staat England aus. Laut dem stellvertretenden Governeur der Bank of England (BoE) Jon Cunliffe dürfte ein digitales Pfund spätestens bis zum Ende der Dekade eine Notwendigkeit sein. Ähnlich wie die EZB sieht der britische Währungshüter ebenfalls das grösste Potenzial in einer digitalen Alltagswährung. In einem noch jungen Projekt arbeitet die BoE mit dem Finanzministerium an einem umfassenden Plan eines CBDCs. Inklusive der Entwicklung des technischen Konzepts soll in drei Jahren der erste öffentliche Prototyp stehen.
Schweizerische Notenbank sieht keine Dringlichkeit für CBDC
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) gilt aufgrund ihrer aktiven Erforschung der Blockchain-Technologie und darauf aufbauender CBDCs als Vorreiterin. Mithilfe zahlreicher Prototypen erprobt die SNB bereits seit 2019 die potenziellen Vorteile und Herausforderungen einer Digitalwährung. In Zusammenarbeit mit der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) und benachbarten Notenbanken untersuchten Pilotprojekte den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr (Projekt Jura), die Tokenisierung von Wertpapieren (Projekt Helvetia) sowie den Handel jener Vermögenswerte über DeFi-Protokolle (Projekt Mariana).
Doch die SNB betont auch klar die Risiken einer digitalen Zentralbankwährung. Schwierige Abwägungen zwischen Cyber-Resilienz, Skalierbarkeit und Datenschutz lassen die Notenbank weiterhin zögern. Insbesondere ein CBDC für Privatanleger kommt daher gar nicht in Frage. Falls der digitale Franken künftig umgesetzt wird, wären im Wesentlichen Finanzinstitute davon betroffen.