Eine Woche lang spielte der US-Fernsehsender HBO die Werbetrommel für eine „bahnbrechende“ Dokumentation, die angeblich die Identität hinter dem pseudonymen Bitcoin-Gründer Satoshi Nakamoto enthüllen sollte. Die präsentierten Hinweise auf Peter Todd fallen jedoch dürftig aus.
Unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto wurde im Oktober 2008 das berühmte Bitcoin-Whitepaper und im Januar darauf die erste Version der Referenzimplementierung Bitcoin Core veröffentlicht. Knapp zwei Jahre lang blieb der mysteriöse Bitcoin-Gründer auf Online-Foren aktiv. Dann verschwand er plötzlich aus der Öffentlichkeit. Seither zirkulieren immer wieder "Enthüllungen" der wahren Identität. Laut einer HBO-Dokumentation von heute Nacht soll der frühe Bitcoiner Peter Todd hinter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto stecken.
Fragwürdige Argumentation der HBO-Enthüllung
Die Demaskierung des HBO-Dokumentarfilmers Cullen Hoback basiert auf zwei Forumbeiträgen des Bitcoin-Core-Mitenwicklers Peter Todd. Im Dezember 2010 antwortete Todd im "Bitcoin Talk" Forum auf einen Beitrag. Laut Hoback sollte dies über das Satoshi-Profil geschehen, doch Todd hatte die Antwort versehentlich über das persönliche Konto veröffentlicht. Schliesslich habe der pseudonyme Gründer kurz davor auf denselben Beitrag reagiert. Wenige Tage nach diesem angeblichen "Versehen" tauchte Satoshi unter. 2015 implementierte Todd den in diesem Beitrag besprochenen Replace-By-Fee (RBF) Mechanismus.
Ein weiteres Indiz für die skurrile Theorie sei eine spätere Chat-Nachricht Todds. Dieser beschrieb sich als "weltweit führenden Experten dafür, wie man seine Bitcoins opfert." Er habe "ein solches Opfer gebracht und zwar von Hand." Dieser Kommentar sei ein "Eingeständnis" von Todd, dass er die 1.1 Millionen Bitcoin - zum heutigen Preis über 64 Milliarden USD - in Satoshis Bitcoin-Wallet zerstört habe. Zurecht antwortete der Bitcoin-Enthusiast gegenüber Coindesk, die Dokumentation greife nach jedem Strohhalm. Die Argumente sind dürftig, die Implikationen jedoch nicht.
Zielscheibe auf unschuldigen Bitcoin-Enthusiasten?
Auf Anfrage von CVJ.CH meint Phil Lojacono, eines der neuen Vorstandsmitglieder der Bitcoin Association Switzerland (BAS), "Demaskierungen" wie die HBOs heften ein gefährliches Ziel auf den Rücken der Beschuldigten und deren Angehörigen. Es sei weitgehend bekannt, dass die Familie eines vermuteten "Satoshis" unter ständiger Bedrohung stehe. Plötzlich jemanden mit einem Vermögen von mehreren Milliarden darzustellen, könne sehr gefährlich sein. "Das sollten wir um jeden Preis vermeiden."
Über die Identität hinter dem Satoshi-Pseudonym möchte der Gründer des eigenfinanzierten Bitcoin-Unternehmens Berglinde AG deshalb gar nicht spekulieren. Er habe unmissverständlich klargestellt, anonym bleiben zu wollen. Lojaconos Verwendung des Pronomens "Er" entspreche Satoshis Absicht, als Mann dargestellt zu werden. Diesen Wunsch der Privatsphäre sollte man aus ethischen Gründen respektieren. Die Identität des Bitcoin-Gründers sei ohnehin nur als Mythos relevant.
"Wir alle sind Satoshi (ausser Craig Wright). Es ist eine Idee und ein Mythos, hinter dem die Menschen stehen können. Also ja, [seine Identität]ist in dem Sinne relevant, dass sie auch ein Mythos bleiben sollte. [...] Satoshis Schöpfergeschichte ist eine der vielen Schönheiten Bitcoins." - Phil Lojacono, Unternehmer und Vorstandsmitglied der Bitcoin Association Switzerland
Letztendlich gilt auch hier der Bitcoin-Ethos: "don't trust, verify." Ohne eine Transaktion der Bitcoin-Wallet Satoshis hält diesem Test keine Theorie stand.