Nach hochrangigen Insolvenzen unterschiedlichster Krypto-Unternehmen, fühlt sich der EZB-Generaldirektor Ulrich Bindseil dazu berufen, in einem Blogbeitrag der Notenbank seine Ansicht zu teilen. Nach der Spekulationsblase vermutet er, dass Bitcoin in die Bedeutungslosigkeit verschwindet.
Auf dem Blog der Europäischen Zentralbank (EZB) veröffentlichte der Generaldirektor in Zusammenarbeit mit EZB Adviser Jürgen Schaff ein Meinungsstück. Sein Hauptfokus wird dabei auf den "Untergang" von Bitcoin (BTC) gerichtet. Schliesslich werden Bitcoins, so die Autoren, nur selten für legale Transaktionen verwendet. Eine sicherere Alternative seien CBDCs. Die Worte der EZB haben Gewicht. Schliesslich ist der Währungshüter die oberste Aufsichtsbehörde für die Banken der Eurozone und hat ein Mitspracherecht bei der Finanzregulierung der Europäischen Union. Wie stichhaltig sind die Argumente der Notenbank?
Ende der Spekulationsblase
Laut dem EZB-Generaldirektor sei es wahrscheinlich, dass nach dem Höchststand im November 2021 bei 69k USD und dem jüngsten FTX-Crash keine Entspannung folgt. Im Gegenteil: mit hoher Wahrscheinlichketi werde Bitcoin in die Bedeutungslosigkeit fallen. Es sei schon vor dem FTX-Debakel absehbar gewesen, dass der Bitcoin Preis deutlich unter 16k USD fallen musste. Die scheinbare Stabilisierung sei ein letztes, künstlich herbeigeführtes Aufatmen vor dem finalen Fall.
Seit 2010 werde die Hoffnung auf stetige Wertsteigerung durch Fehlinformationen geschürt. Bitcoin-Befürworter vermarkten Bitcoin zwar als globale und dezentrale digitale Währung. Doch laut dem EZB-Generaldirektor machen technische Unzulänglichkeiten die Kryptowährung als Zahlungsmittel fragwürdig. Da Bitcoin weder einen Cashflow generiert, noch Dividenden abwirft, ist er in den Augen der Autoren auch als Investition ungeeignet. Schliesslich habe Bitcoin auch weder einen produktiven (wie Rohstoffe), noch einen sozialen Nutzen, wie zum Beispiel es bei Gold der Fall sei. Deshalb basiere die Marktbewertung von Bitcoin auf reiner Spekulation.
Bitcoin selten für legale Transaktionen verwendet
Spekulationsblasen sind darauf angewiesen, dass neues Geld nachfliesst. Auch Bitcoin habe immer wieder von Wellen neuer Investoren profitiert. Die Manipulationen durch einzelne Börsen oder Stablecoin-Anbieter während der ersten Wellen sei gut dokumentiert, weniger jedoch die stabilisierenden Faktoren nach dem vermeintlichen Platzen der Blase im Frühjahr. Ausserdem sei Bitcoin nie in nennenswertem Umfang für legale Transaktionen in der realen Welt verwendet worden.
Zum Vergleich: der geschätzte Betrag des weltweit in einem Jahr gewaschenen Geldes beträgt 2 bis 5% des globalen BIP oder 800 Milliarden bis 2 Billionen USD. Chainalysis-Statistiken deuten auf einen Wert von 14 Milliarden USD an illegalen Aktivitäten auf Basis von Kryptowährungen im Jahr 2021 hin - rund 0.15% des Gesamtvolumens. Von diesen können 8.6 Milliarden USD auf Geldwäscheaktivitäten zurückgeführt werden. Dass spekulative Transaktionen ebenfalls keine "legalen" Aktivitäten darstellen, muss als fragwürdig eingestuft werden.
Regulierung vermittelt falsche Sicherheit
Regulierungsbehörden auf der ganzen Welt arbeiten an Regeln für die Kryptowelt. Es ist ein komplexes Ökosystem, das von Stablecoins bis hin zu diversen Formen der Kreditvergabe reicht, die auf dezentralen Blockchains stattfinden. In der Tat haben Gesetzgeber laut dem EZB-Generaldirektor den Zufluss von Geldern erleichtert. Sie unterstützten die vermeintlichen Vorzüge von Bitcoin und bieten eine Regulierung an, die den Eindruck vermittelte, dass Krypto-Assets nur eine weitere Anlageklasse darstellen.
Die derzeitige Regulierung von Kryptowährungen sei von falschen Vorstellungen geprägt. Der Glaube, dass der Innovation um jeden Preis Raum gegeben werden muss, halte sich hartnäckig. Da Bitcoin auf einer neuen Technologie - DLT / Blockchain - basiert, habe die Kryptowährung ein hohes Transformationspotenzial. Doch haben diese Technologien laut den Autoren bisher nur einen begrenzten Wert für die Gesellschaft geschaffen. Dabei sei egal, wie gross die Erwartungen an die Zukunft sind. Der Einsatz einer vielversprechenden Technologie sei keine hinreichende Bedingung für einen Mehrwert eines darauf basierenden Produkts. Kryptowährungen sollten von den Regulierungsbehörden am besten als Wetten oder Glücksspiele eingestuft werden, präzisierte Bindseil in einer Mail an Reuters.
Die vermeintliche Sanktion der Regulierung habe auch die konventionelle Finanzindustrie in Versuchung gebracht, den Kunden den Zugang zu Bitcoin zu erleichtern. Dies betreffe sowohl Vermögensverwalter und Zahlungsdienstleister als auch Versicherer und Banken. Der Einstieg der Finanzinstitute suggeriere den Kleinanlegern, dass Investitionen in Bitcoin sinnvoll sind.
"Die Finanzindustrie sollte sich vor den langfristigen Schäden der Förderung von Bitcoin-Investitionen hüten - trotz der kurzfristigen Gewinne, die sie erzielen könnten." - Ulrich Bindseil, Generaldirektor der EZB
Konkurrenz für den digitalen Euro?
Erwähnenswert ist die zentrale Rolle Bindseils in der Ausarbeitung und Bewertung eines digitalen Euros in Form einer digitalen Zentralbankwährung (CBDC). Seit 2020 arbeitet die Europäische Zentralbank (EZB) intensiv an den Plänen für die digitale Cash-Alternative. Direkt von der Notenbank ausgegeben soll ein CBDC neue Effizienzgewinne sichern und EU-Bürgern ein zuverlässiges digitales Zahlungsmittel bereitstellen. Der digitale Euro würde einerseits die Abwicklung zwischen Grosskunden erleichtern und andererseits die Abhängigkeit von FinTechs für digitale Zahlungen verringern.
Die rechtliche Grundlage soll Anfang 2023 durch einen ersten Gesetzesvorschlag geschaffen werden. Grund für die Beschleunigung ihrer bestehenden Pläne sind nicht zuletzt die rapide Adoption von Kryptowährungen und Stablecoins. Fühlt sich der Währungshüter bedroht von einer neuen Technologie?
The apparent stabilisation of bitcoin’s value is likely to be an artificially induced last gasp before the crypto-asset embarks on a road to irrelevance. #TheECBblog looks at where bitcoin stands amid widespread volatility in the crypto markets.
Read more https://t.co/Hk1LuYX2de pic.twitter.com/I3Uidks8Xo— European Central Bank (@ecb) November 30, 2022