Durch die proaktive Rolle des ansässigen Regulators befindet sich die Schweiz in einer einzigartigen Situation für Kryptowährungsunternehmen. Günstige Rahmenbedigungen ermöglichten schon früh ein florierendes Ökosystem rund um digitale Assets, dem sich noch heute jährlich hunderte Firmen anschliessen.
Im August 2019 gehörte Sygnum neben der SEBA Bank zu den ersten Finanzdienstleistern im Bereich der digitalen Vermögenswerte, die von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) eine Banklizenz erhielten. Seither hat die Kryptobank international expandiert und ist sowohl in der Schweiz als auch in Singapur vollständig reguliert. Auf der Crypto Valley Conference 2022 äusserte sich Thomas Brunner - Leiter des Geschäftsbereichs “Custody & Staking” - in einem Gespräch mit CVJ.CH zur Regulierung von Krypto-Firmen, Entwicklungen im DeFi-Bereich, und die Zukunft der digitalen Assets.
CVJ.CH: Sygnum war eines der ersten Krypto-Startups mit einer FINMA-Banklizenz. Welche Türen öffnete diese Zertifizierung?
Thomas Brunner: Uns war es von Anfang an sehr wichtig, sämtliche regulatorischen Anforderungen zu erfüllen und diesbezüglich keinerlei Kompromisse für unsere Kunden einzugehen. Insbesondere für institutionelle Kunden ist die Banklizenz oftmals ein sehr wichtiges Auswahlkriterium, wenn nicht sogar eine strikte Anforderung bei der Wahl von Partnerinstituten für die Zusammenarbeit. Die Banklizenz gibt diesen Instituten die Sicherheit und das Vertrauen, mit einer regulierten Gegenpartei zu arbeiten.
Als Folge der kürzlichen Konkurse von unregulierten Krypto-Dienstleistern wie z.B. Celsius haben die Themen Regulierung und Anlegerschutz auch bei privaten Anlegern schlagartig an Relevanz gewonnen. Dabei kam insbesondere die Frage auf, ob Kundeneinlagen im Falle eines Konkurses Teil der Konkursmasse sind, so wie es jetzt bei Celsius und bei weiteren unregulierten Instituten der Fall war bzw. immer noch ist. Im Vergleich dazu sind die Kundeneinlagen bei einer regulierten Bank, wie Sygnum, im Falle eines Konkurses vollumfänglich geschützt. Während also in der Vergangenheit der Fokus fast nur auf der User Experience und einer möglichen Rendite lag, während Gegenpartei- und andere Risiken mehr oder weniger ausgeblendet wurden, sind diese Risiken den Anlegern plötzlich wieder sehr bewusst geworden.
Wie erlebten Sie bisher die Zusammenarbeit mit dem Schweizer Regulator?
Da wir mit unserem breiten Portfolio an Produkten und Dienstleistungen rund um digitale Vermögenswerte in vielen Bereichen regulatorisches Neuland betreten, ist die Zusammenarbeit mit der FINMA für uns von zentraler Bedeutung. Der kontinuierliche regulatorische Dialog erlaubt es uns, einen gangbaren Mittelweg zu finden, welcher Innovation ermöglicht, ohne Kompromisse z.B. bei der Geldwäschereibekämpfung oder dem Anlegerschutz einzugehen.
Ich denke in der Schweiz wurde dieser Balanceakt bisher sehr erfolgreich gemeistert und auch in vielen für uns relevanten Bereichen klare rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen geschaffen. Die Minimierung von rechtlicher und regulatorischer Unsicherheit bezüglich Investitionen in Kryptowährungen und tokenisierte Vermögenswerte ist essenziell, um die Adoption dieser stetig wachsenden Anlageklasse weiter zu fördern. Dass die Schweiz hier eine Vorreiterrolle eingenommen hat, ist sicherlich ein wichtiger Grund dafür, weshalb wir eine der führenden Nationen im Bereich Kryptoanlagen geworden sind.
Neben der Schweiz sind Sie auch in Singapur ansässig. Gibt es entscheidende Unterschiede dieser Jurisdiktionen für Kryptofirmen?
Ähnlich wie in der Schweiz, ist der Regulator in Singapur offen für Innovation und hat das Ziel die relevanten Rahmenbedingungen zu schaffen, um neue innovative Angebote zu ermöglichen. Wir haben Singapur nicht zuletzt auch aufgrund dieser vorteilhaften regulatorischen Rahmenbedingungen sehr bewusst als Standort für unseren Hauptsitz im asiatischen Raum gewählt und sind weiterhin sehr glücklich mit dieser Wahl. Darüber hinaus würde ich sagen, dass Singapur einen etwas stärkeren Fokus auf Anlegerschutz hat, speziell im Retailbereich. Seit Januar 2022, ist es den Anbietern gemäss den Guidlines der Währungsbehörde von Singapur (MAS) untersagt, in der Öffentlichkeit Werbung für Kryptoanlagen zu platzieren.
Welche Dienstleistungen werden momentan am häufigsten nachgefragt?
Wir sehen eine anhaltend hohe Nachfrage in fast allen Bereichen. Im Bereich “Digital Asset Banking” entwickeln sich die Nettoneugeldzuflüsse im Verwahrungsgeschäft, wie auch das Handels- und Kreditvolumen sehr erfreulich. Auch unsere Fonds- und strukturierten Produkte und unsere Tokenisierungsdienstleistungen sind weiterhin sehr gefragt.
Wie beurteilen sie das Gebiet der dezentralen Finanzanwendungen (DeFi) und wird dieser Bereich mit der traditionellen Finanzwelt verschmelzen?
Wir glauben, dass Anwendungen im Bereich der dezentralen Finanzdienstleistungen (DeFi) enorm viel Potenzial haben. Gerade auch die Konkurse von Celsius und anderen zentralisierten Marktteilnehmern haben die Risiken von intransparenten unregulierten Finanzinstituten gnadenlos offengelegt. Interessanterweise haben dezentrale Systeme wie z.B. Aave oder MakerDAO die Marktverwerfungen schadlos überstanden und sind ein weiterer Beweis für die Resilienz und Robustheit von dezentralen Systemen. Im Moment sind aber die Regulatoren bezüglich DeFi noch recht zurückhaltend und es ist zu erwarten, dass die Regulierung von DeFi stark zunehmen wird. Obwohl dies kurzfristig das Wachstum etwas bremsen könnte, bin ich überzeugt, dass sich ein regulatorisch definierter Rahmen und damit einhergehende Sicherheit mittel- bis langfristig positiv auf das Gebiet auswirkt. Dies wird auch insbesondere das Interesse von institutionellen Anlegern weiter ankurbeln.
Wie ist ein zuletzt gesehener Zusammenbruch des Terra-Ökosystems auf die langfristige Entwicklung des DeFi Bereichs einzuschätzen?
Stablecoins sind zweifellos ein wichtiger Teil des DeFi-Ökosystems. Der Zusammenbruch des Terra-Ökosystem ist meines Erachtens aber primär das Resultat eines mangelhaften Designs. Der Mechanismus, dass neue LUNA-Tokens erzeugt wurden, wenn Benutzer ihre UST-Tokens umtauschen wollten, führte zu einer Negativspirale. Dies führte innert kürzester Zeit zu einem Kollaps von LUNA und UST. Es bleibt fraglich, ob unterbesicherte algorithmische Stablecoins überhaupt funktionieren können. Die wichtigsten Stablecoins sind zu über 100% besichert und haben sich entsprechend als sehr robust erwiesen.
Es ist zu erwarten, dass seitens Regulierung in (naher) Zukunft strengere Regeln für die Ausgabe und den Betrieb von Stablecoins etabliert werden, wobei der Markt bereits heute eine Tendenz zu Stablecoins mit transparenten Reserven entwickelt hat. Obwohl der Zusammenbruch des Terra-Ökosystems den DeFi-Bereich stark beeinflusst hat, waren die Gründe für den Kollaps meines Erachtens recht isoliert und somit gehe ich davon aus, dass dies langfristig keinen negativen Einfluss auf die Entwicklung des DeFi-Ökosystems haben wird.
Was fehlt für eine grossflächige Adoption von Krypto-Assets und -Applikationen?
Das wichtigste sind meines Erachtens die weitere Verbreitung und Adoption der bestehenden und neuen Anwendungsfälle. Viele Leute kaufen heute primär Kryptoanlagen, um Spekulationsgewinne zu erzielen. Dies allein reicht aber nicht aus, um eine wirklich grossflächige und nachhaltige Adoption zu erreichen. Viele Anwendungsfälle wie DeFi oder NFTs haben bereits eine hohe Verbreitung erreicht und haben die Vorteile der Blockchain-Technologie sehr offensichtlich gemacht. Andere Anwendungsfälle wie z.B. Blockchain-basierte Identitäten, Zahlungsverkehr, Blockchain-basierte Social Media-Plattformen oder auch das Metaverse haben sich noch nicht auf breiter Front durchgesetzt. Neben den Anwendungsfällen sind sicher auch etablierte und harmonisierte rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen sowie eine engere Verknüpfung mit bestehenden Web2-Plattformen wichtige Treiber für eine weitere Verbreitung.
Wo sehen Sie den Bereich in fünf bis zehn Jahren?
Im Bereich der Finanzdienstleistungen wird ein grosser Teil der Infrastruktur Blockchain-basiert sein. Wir werden nicht mehr zwischen dezentralisierten und traditionellen Finanzlösungen unterscheiden, sondern es wird selbstverständlich sein, dass wesentliche Teile der Infrastruktur dezentralisiert sind. Dies wird auch zu einer höheren Transparenz und Resilienz des Finanzsystems führen.
Aufgrund der offenen und programmierbaren Architektur von Finanzdienstleistungen wird ein Ökosystem von innovativen Finanzdienstleistungen entstehen und Innovation wird ein wesentlicher Wachstumstreiber der Finanzindustrie werden. Aber auch ausserhalb der Finanzindustrie werden wesentliche Teile der zukünftigen digitalen Infrastruktur auf öffentlichen Blockchains basieren und das Internet wird weniger durch eine kleine Zahl von riesigen Tech-Konzernen bestimmt, sondern durch kleinere agile Unternehmen und Projekte, welche auf einer öffentlichen Blockchain-Infrastruktur aufbauen.
Thomas Brunner leitet den Geschäftsbereich “Custody & Staking” bei Sygnum. Vor seinem Einstieg bei Sygnum anfangs 2021, hat er über 15 Jahre Erfahrung in traditionellen Finanzinstituten wie bei Julius Baer, Credit Suisse sowie Vontobel gesammelt und als Consultant für PwC gearbeitet. Er hält einen MSc in Informatik von der ETH Zürich und einen MBA der INSEAD Business School.