Die US-amerikanische Bankenaufsichtsbehörde Office of the Comptroller of the Currency (OCC) hat mit einer Serie von Interpretationsschreiben den regulatorischen Rahmen für Krypto-Aktivitäten von US-Banken deutlich erweitert.
Mit dem jüngsten Schreiben dürfen Banken nun auch als Intermediäre in sogenannten "riskless principal"-Transaktionen agieren – ein Meilenstein, der die Integration digitaler Assets in das traditionelle Bankensystem beschleunigen wird. Die Interpretationsbriefe 1183, 1184 und 1188 bilden gemeinsam einen umfassenden Rechtsrahmen, der es bundesweit zugelassenen Banken und Sparkassen ermöglicht, Krypto-Verwahrungsdienste anzubieten, Stablecoin-Aktivitäten durchzuführen, an Blockchain-Netzwerken teilzunehmen und als Broker für digitale Assets zu fungieren. Die OCC hebt damit frühere Beschränkungen auf, die Banken einen aufwendigen Genehmigungsprozess auferlegten, bevor sie Krypto-Dienstleistungen anbieten konnten.
Risikolose Principal-Transaktionen als Broker-Funktion
Das jüngste Interpretationsschreiben 1188 bestätigt, dass bundesweit lizenzierte US-Banken als Principal in Krypto-Transaktionen auftreten dürfen, wenn sie gleichzeitig eine gegenläufige Transaktion mit einem anderen Kunden abschliessen. In diesem Modell kauft die Bank ein digitales Asset von einem Kunden und verkauft es unmittelbar an einen anderen weiter, ohne die Assets im eigenen Bestand zu halten.
Die OCC argumentiert, dass diese Form von Intermediär-Geschäften dem Marktrisiko minimiert, da die Transaktionen nahezu zeitgleich ablaufen. Für Banken verbleibt lediglich ein begrenztes Kreditrisiko. "Die OCC hat seit langem einen technologieneutralen Standpunkt in Bezug auf die Zulässigkeit eingenommen", heisst es im Schreiben. Die Behörde erlaubt bundesweit lizenzierten US-Banken bereits seit Jahren risikolose Principal-Transaktionen bei Wertpapieren – der zentrale Unterschied bei Krypto-Assets liege in der verwendeten Technologie, nicht in der grundsätzlichen Struktur der Geschäfte.
Die Bank fungiert damit effektiv als Broker, der im Auftrag von Kunden handelt, ohne selbst spekulativen Positionen in digitalen Vermögenswerten einzugehen. Die OCC betont allerdings, dass diese Aktivitäten "auf sichere und solide Weise" durchgeführt werden müssen und im Rahmen der laufenden aufsichtsrechtlichen Prüfung bewertet werden.
Umfassende Befugnisse für Verwahrung und Ausführung
Mit dem im März 2025 veröffentlichten Interpretationsschreiben 1183 bestätigte die OCC ausserdem, dass Krypto-Verwahrung, bestimmte Stablecoin-Aktivitäten und die Teilnahme an unabhängigen Blockchain-Netzwerken als zulässige Bankdienstleistungen gelten. Gleichzeitig hob die Behörde die Anforderung auf, dass beaufsichtigte Institute vor der Aufnahme solcher Geschäfte eine aufsichtsrechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung einholen mussten – ein Verfahren, das die Branche als erhebliches Hindernis wahrgenommen hatte.
Das im Mai 2025 folgende Schreiben 1184 präzisierte, dass Banken im Auftrag ihrer Kunden verwahrte digitale Assets kaufen und verkaufen dürfen. Zudem können sie zulässige Krypto-Aktivitäten an Drittanbieter auslagern, sofern angemessene Risikomanagementpraktiken für Drittparteien eingehalten werden. Diese Regelung ermöglicht es Instituten, spezialisierte Technologiepartner einzubinden, ohne die regulatorischen Anforderungen zu verletzen. Die Bandbreite erlaubter Dienstleistungen umfasst Transaktionsabwicklung, Handelsausführung, Buchführung, Bewertung, Steuerservices und Berichterstattung. Alle Aktivitäten müssen jedoch in Übereinstimmung mit geltenden Gesetzen durchgeführt werden und "starke Risikomanagementkontrollen" aufweisen, wie Acting Comptroller of the Currency Rodney E. Hood betonte.
Die Aufhebung des Staff Accounting Bulletin 121 (SAB 121) durch die SEC im Januar 2025 war ein weiterer Katalysator. Die Regelung hatte Banken zuvor gezwungen, im Kundenauftrag verwahrte Krypto-Assets in der eigenen Bilanz zum Fair Value auszuweisen, was erhebliche Kapital- und Compliance-Belastungen verursachte. Laut Branchenschätzungen ist der institutionelle Verwahrungsmarkt für digitale Assets bis 2025 auf 683 Milliarden US-Dollar angewachsen, wobei Banken und ETFs zusammen über 65 Prozent ausmachen.
Internationaler Vergleich und Ausblick
Während die USA mit dem OCC-Rahmenwerk eine pragmatische Öffnung des Bankensystems für Krypto-Dienstleistungen vollziehen, verfolgen europäische Jurisdiktionen unterschiedliche Ansätze. Die Schweiz hat mit Anpassungen am Finanzinstitutsgesetz zwei neue Lizenzkategorien für digitale Assets geschaffen – die "Payment Instrument Institution License" für Stablecoin-Emittenten und die "Crypto Institution License" für Krypto-Dienstleister. Bis zu 55 Banken in Europa bieten inzwischen kryptobezogene Dienstleistungen an, wobei Länder ausserhalb der EU wie die Schweiz, Liechtenstein und Grossbritannien im Serviceangebot führend bleiben.
In den USA hat die OCC nach eigenen Angaben 2025 insgesamt 14 Anträge für De-novo-Banklizenzen erhalten, darunter mehrere von Unternehmen mit Fokus auf digitale Assets. Anchorage Digital bleibt die einzige föderal lizenzierte Krypto-Bank unter OCC-Aufsicht. Acting Comptroller Hood bezeichnete die "Ausweitung verantwortungsvoller Bankaktivitäten im Bereich digitaler Assets" im April 2025 in einer Rede vor dem Exchequer Club als eine der vier strategischen Prioritäten der Behörde.
Die schrittweise Annäherung traditioneller Finanzinstitute an den Krypto-Markt erfolgt parallel zur politischen Neuausrichtung in Washington. Die Federal Reserve, die OCC und die FDIC haben restriktive Leitlinien aus früheren Jahren zurückgezogen. Für institutionelle Investoren dürfte die regulatorische Klarheit den Weg für breitere Produktangebote und tiefere Marktintegration ebnen – vorausgesetzt, die Banken erfüllen die von der OCC geforderten Risikomanagement-Standards.








