Seit dem Amtsantritt des ehemaligen Investmentbankers Gary Gensler befindet sich die US-Wertpapieraufsicht (SEC) in einem Kreuzzug gegen die Krypto-Branche. Jede Kryptowährung ausser Bitcoin möchte die Behörde unter ihrer Aufsicht. Der Handel sollte nicht mehr offen und für jedermann zugänglich sein.
Als die Biden-Administration Gary Gensler Anfang 2021 zum Vorsitzenden der SEC ernannte, erfreute sich die Krypto-Branche. Der ehemalige Goldman Sachs Investmentbanker amtierte für Jahre bei der Rohstoffmarktaufsicht (CFTC) und lehrte einen Blockchain-Kurs am MIT. Diese Krypto-Affinität sollte sich allerdings nicht auf die Einstellung der SEC auswirken. In den drei Jahren seit Genslers Amtsantritt lancierte die Behörde 85 Durchsetzungsmassnahmen gegen Krypto-Unternehmen, wie aus der SEC-Website hervorgeht. Zum Vergleich: das waren 25% mehr Klagen als gesamthaft in den vorherigen zehn Jahren seit der Erschaffung Bitcoins. Und keine der Massnahmen verhinderte die verheerenden Zusammenbrüche von Terra/Luna, BlockFi, Celsius oder FTX. Stattdessen verklagt die SEC legitime Unternehmen wie Coinbase, Kraken, Robinhood und Uniswap - ohne der Krypto-Branche Leitlinien bereitzustellen.
Alle Kryptowährungen ausser Bitcoin sind Wertpapiere
In den Vereinigten Staaten teilen sich einige Regulatoren das Finanzgebiet. Während die SEC den Handel mit Wertschriften überwacht, liegt der Rohstoffhandel im Zuständigkeitsbereich der Commodity Futures Trading Commission (CFTC). Da für digitale Assets keine rechtliche Klassifizierung der politischen Kammern vorherrscht, rangen die beiden Behörden seit geraumer Zeit um die Aufsicht des Bereichs. Unter dem Einsatz des 1933 eingeführten Howey-Tests argumentiert die SEC ihrerseits, dass alle Kryptowährungen ausser Bitcoin als Wertpapiere eingestuft werden müssen. Dies steht im Kontrast zu der Position der CFTC, die einige digitale Assets als Rohstoffe reguliert.
Um nicht auf einen rechtlichen Grundsatz warten zu müssen, setzt die SEC seit einigen Monaten auf eine Strategie, die Branchenvertreter als "Regulierung durch Durchsetzung" (engl. = regulation by enforcement) bezeichnen. Statt der Definition klarer Richtlinien geht die Agentur rechtlich gegen Unternehmen vor, die sie als Teil ihrer Zuständigkeit betrachtet. Diese willkürliche Einstufung von Kryptowährungen als Wertpapiere wirft zwei Herausforderungen für die Branche auf.
Einerseits müssten Gründerteams sich bei der SEC als Emittenten eines Wertpapiers registrieren. Weder möchte die Behörde jedoch festlegen, welche Art von Projekten diesen Anforderungen unterliegen sollten. Noch gibt es überhaupt einen Prozess, um eine Kryptowährung als Wertpapier anzumelden. Die Dokumente der SEC sind nur auf traditionelle Unternehmen anwendbar. Auf der anderen Seite müssten auch Handelsplätze eine Lizenz zum Anbieten von Krypto-Wertpapieren erlangen. Seit 2022 bemühen sich die grössten Akteure wie Robinhood und Coinbase um eine solche Lizenz. Bisher hat die SEC ohne Begründung alle Anträge abgelehnt.
Es hagelt Klagen gegen Krypto-Unternehmen
Obwohl kein rechtlicher Rahmen für Krypto-Akteure existiert, wirft die SEC mit Klagen um sich. In den vergangenen Wochen traf ein fast schon kamikazeartiger Vorstoss der Behörde die dezentrale Börse Uniswap, den Wallet-Anbieter Metamask sowie den US-Finanzdienstleister Robinhood. Inwiefern die Projekte gegen die Wertpapiergesetze verstossen haben, bleibt bisher unklar. Der Vorwurf dürfte sich um das Anbieten von Krypto-Handelsdienstleistungen drehen. Ein Problem: weder Uniswap Labs noch Metamask sind Finanzdienstleister. Der Uniswap Smart Contract ist ein Handelsprotokoll, das ein dezentrales Netzwerk and Ethereum-Nodes betreibt. Und Metamask bietet eine Software zur Aufbewahrung von Kryptowährung (Wallet) an. Entsprechend ging Consensys, das US-Unternehmen hinter Metamask, mit einer eigenen Klage gegen die SEC auf Gegenangriff.
Robinhood wiederum versucht als in den USA notiertes Unternehmen, auf jegliche Wünsche der SEC einzugehen. So entfernte die Firma alle Kryptowährungen aus ihrer Handelsapp, die laut Angaben der Behörde als Wertpapiere gelten könnten. Auch bewarb sich der Finanzdienstleister für die Lizenz zum Angebot von Krypto-Wertpapierhandel. Diese Bemühungen, die unzählige Millionen an Anwaltskosten erforderten, waren scheinbar umsonst. In einem Blogbeitrag brachte der ehemalige SEC-Kommissar und jetzige Chief Legal Officer bei Robinhood, Dan Gallagher, seine Frustration zum Ausdruck.
"Nach jahrelangen ehrlichen Versuchen, mit der SEC für regulatorische Klarheit zu arbeiten, einschliesslich unseres bekannten Bestrebens, ' einzutreten und sich zu registrieren', sind wir enttäuscht, dass die Agentur sich für eine Wells Notice in Bezug auf unser US-Kryptogeschäft entschieden hat. [...] Robinhood Crypto hat schwierige Entscheidungen getroffen, bestimmte Token nicht zu notieren oder Produkte wie Lending und Staking anzubieten, die die SEC zuvor in öffentlichen Klagen gegen andere Plattformen als Wertpapiere bezeichnet hat. Darüber hinaus ist Robinhood den Aufforderungen der SEC nachgekommen und hat [vergeblich]versucht, sich bei der Behörde als Special Purpose Broker-Dealer zu registrieren." - Dan Gallagher, Chief Legal, Compliance and Corporate Affairs Officer bei Robinhood
Der US-Kongress muss eingreifen
Aufgabe der Regulierungsbehörden ist die Umsetzung der rechtlichen Vorschriften, die der US-Kongress festlegt. Als untergeordnete Agentur befindet sich die Erfindung neuer Richtlinien nicht im Kompetenzbereich der SEC. Letztendlich muss deshalb der Kongress einschreiten, wenn eine Behörde nicht ordnungsgemäss arbeitet. Genau dies geschieht in den Vereinigten Staaten allmählich. In Anhörungen vor den beiden Kammern fällt die SEC immer wieder in Kritik.
So meinte die Vorsitzende des Ausschusses für Kapitalmärkte im Repräsentantenhaus diesen Dienstag, es gäbe ernsthaften Grund zur Besorgnis, wenn Marktteilnehmer das Vertrauen in ihre Aufsichtsbehörde verlieren. Sollten Mitarbeiter der SEC in Fällen, in denen es um Millionen von Dollar an Strafen geht, gleichzeitig als Staatsanwalt und Richter fungieren, werde das Vertrauen der Öffentlichkeit weiter schwinden. Als Anhaltspunkt zitierte die Republikanerin das höchst unprofessionelle Verhalten der Behörde im Fall gegen das Krypto-Projekt DEBT Box.
#WATCH: Chairman @RepAnnWagner at today's hearing on SEC enforcement:
"Our goal is to protect the due process rights of all market participants, increase accountability and transparency, and enhance public trust."
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— Financial Services GOP (@FinancialCmte) May 7, 2024