Jahrelang konnte sich die Schweiz als Jurisdiktion mit international einzigartigen Regeln zu Krypto-Assets und Blockchain-Technologien rühmen. Der Vorsprung gegenüber anderen Ländern schrumpft jedoch, warnen Branchenvertreter. Dennoch bleibt die Schweizer Politik gelassen.
Die Schweiz hat sich früh als führende Krypto-Jurisdiktion positioniert, indem sie ein regulatorisches Umfeld geschaffen hat, das Innovation und Anlegerschutz in Einklang bringt und ihren Ruf für finanzielle Stabilität und Datenschutz nutzt. Die umfassenden ICO-Richtlinien der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) im Jahr 2018 waren international einzigartig. Und auch die Einführung der Distributed Ledger Technology (DLT)-Gesetzgebung im Jahr 2021 war ein Meilenstein, der weltweit zum ersten Mal rechtliche Klarheit für Blockchain-basierte Vermögenswerte schuf. Dieser proaktive Ansatz festigte das Schweizer "Crypto Valley" in Zug als Zentrum für Blockchain-Innovationen.
Länder in Asien und im Nahen Osten holen aber rasant auf und bieten zunehmend attraktive Bedingungen für Blockchain-Unternehmen - der scharfe Politikwechsel der Trump-Regierung wirkte wie ein Fanal. In der Schweiz wiederum schwächelt der politische Wille seit den oben genannten Meilensteinen, wie Branchenverbände warnen. Eine neue Übersicht der Stellungnahmen der Mitglieder des Schweizer Parlaments stützt diese These.
Jahrelange Pionierarbeit im Crypto Valley
In den Anfangsjahren gelang es der Blockchain-Branche, prominente Politiker für ihre Mission zu gewinnen. Bereits 2013, zeitgleich mit der Gründung von Bitcoin Suisse als Grundstein des Crypto Valley, zeigte sich die Politik dialogbereit. Vertreter aller Ebenen – von Stadt- über National- und Ständeräte bis hin zum Bundesrat – stellten sich hinter die Krypto-Nation Schweiz. Dieser Enthusiasmus sensibilisierte die FINMA und führte zu international einzigartigen Regulierungsrahmen. Einzelne Namen der Pioniere in Bern können im Interview mit Alexander Müller, Autor des Buchs Crypto Nation, nachgelesen werden.
Die Anstrengungen zahlten sich aus: Anfang 2025 sind 1'749 Blockchain-Unternehmen in der Schweiz und Liechtenstein registriert. Stiftungen führender Projekte wie Ethereum, Solana und Cardano haben ihren Sitz in Zug, und selbst BlackRock wählte das "Crypto Valley" für seinen europäischen Bitcoin-ETP. Die Standortbedingungen sind günstig, die politischen Grundsatzfragen geklärt – neue Vorstösse haben daher nicht mehr denselben Stellenwert.
Unterstützend, aber nicht begeistert
Auf einer neuen persönlichen Website führt der Bitcoin Suisse-Mitgründer Fabian Hediger ein Ranking aller Parlamentsmitglieder. Bewertet werden ihre Stellungnahmen und Vorstösse zum Thema Blockchain: Unterstützende Aktivitäten bringen Pluspunkte, kritische Aussagen Abzug. Grundlage sind Daten von Schweizer Nachrichtenagenturen, offiziellen Bundeswebsites und der CVJ.CH-Umfrage zu den Parlamentswahlen 2023, wie die Methodologie ausweist.

Auffällig ist: Nur 12% der National- und Ständeräte gelten als klar "pro-Krypto." Damit bestätigt sich die Einschätzung des Branchenverbands Swiss Blockchain Federation (SBF), wonach andere Themen derzeit Priorität haben. Politik und Gesellschaft sehen sich mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert – von geopolitischen Spannungen über Energiefragen bis hin zum Standortwettbewerb, erklärt eine SBF-Sprecherin gegenüber CVJ.CH. Vor diesem Hintergrund sei nachvollziehbar, dass Blockchain nicht ganz oben auf der Agenda steht. Zugleich sei die Thematik komplex und schwer verständlich. Dennoch müsse die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts langfristig gesichert werden. Konkret hat der Verband zusammen mit der Crypto Valley Association und Bitcoin Association Switzerland zwölf Punkte identifiziert, um den Schweizer Finanzplatz zu stärken. Diese sind in einem achtseitigen Manifest nachzulesen.
"Andere Länder haben das Potenzial von Blockchain, Digital Assets und Stablecoins bereits erkannt und ihre Politik entsprechend ausgerichtet. Damit wir den Anschluss nicht verlieren, braucht es auch in der Schweiz verstärkt politisches Handeln und mehr Aufmerksamkeit für das Thema." - Stellungnahme der Swiss Blockchain Federation
Vorsicht vor Parteipolitik
Die Übersicht zeigt auch die Haltungen der Parteien: Bürgerliche Vertreter treten deutlich enthusiastischer auf, während Sozialdemokraten und Grüne eher neutral bleiben. Grundsätzlich sollte Blockchain-Regulierung jedoch ein parteiübergreifendes Anliegen sein, betont die Swiss Blockchain Federation (SBF). Die Kernprinzipien – Dezentralität, Transparenz und Unveränderbarkeit – bieten Mehrwert für viele gesellschaftliche Bereiche und könnten Brücken über Parteigrenzen schlagen. In der Praxis aber setzen die Parteien unterschiedliche Schwerpunkte: Die einen stellen den wirtschaftlichen Nutzen in den Vordergrund, andere fokussieren stärker auf Verbraucherschutz und Nachhaltigkeit.

Gegenüber CVJ.CH warnt Unternehmerin und Ex-Parlamentarierin Pascale Bruderer davor, Politiker pauschal nach ihrer Krypto-Haltung einzuordnen. Wie Ethereum-Gründer Vitalik Buterin reagiere sie darauf mit denselben Gegenfragen: Was bedeutet eine „Pro-Krypto“ Haltung? Stehen dahinter Werte – und wenn ja, welche? Steht dahinter eine Vision in Bezug auf Technologie, Politik und Wirtschaft im 21. Jahrhundert? Steht dahinter ein Verständnis der Kryptografie und ihrer Anwendungen? Oder einfach nur ein Interesse, vielleicht gar Eigeninteresse, in einem kleinen Teilaspekt?
Bruderer betont zudem die Bedeutung, die Vorteile und vielfältigen Anwendungen der DLT-Technologie bekannter zu machen. Schlagworte ohne klare Definition würden der Sache nicht gerecht. Ganz im Gegenteil müsse man aufzeigen, wo diese Technologie noch mehr Relevanz erlangen wird in Zukunft – auch und gerade in der regulierten Welt. Im Zuge dieser Entwicklung werde die politische Aufmerksamkeit mit Sicherheit steigen, was Bruderer ausdrücklich begrüsst und mit eigenem Engagement unterstützt. Die frühere Nationalrätin, Nationalratspräsidentin und Ständerätin gründete 2022 die Swiss Stablecoin AG, die ein offen zugängliches, breit abgestütztes und vollständig reguliertes digitales Pendant zum Schweizer Franken entwickelt.
"Blockchain ist bekanntlich weder Produkt noch politische Haltung, sondern eine Technologie. Das Interesse an dieser Technologie sowie daran, Forschung und Anwendungen dazu zu fördern, lässt sich gemäss meiner Erfahrung nicht parteipolitisch zuordnen. Sonst müsste man dazu beispielsweise die Unterstützung der BFI-Vorlage zu Bildung, Forschung und Innovation mitberücksichtigen.
Regulationsforderungen dürfen meines Erachtens nicht per se mit einer kritischen Haltung gegenüber digitalen Assets gleichgesetzt werden. Wir erleben ja immer wieder und gerade in den letzten Monaten auch eine ganz andere Marktentwicklung: Denn Regulation adressiert nicht nur Risiken, sondern erhöht gleichzeitig Rechtssicherheit, Vertrauen und damit Reichweite." - Pascale Bruderer, Gründerin und Verwaltungsratspräsidentin der Swiss Stablecoin AG (SSC)








