Seit rund einem Jahr wird Tesla-Gründer Elon Musk oftmals beschuldigt, mit seinen Social-Media-Aktivitäten die Preise spezifischer Kryptowährungen wie Bitcoin und Dogecoin zu beinflussen. Eine ausführliche Studie zum "Musk Effekt" und deren Implikationen für die Krypto-Märkte.
In der Studie „How Elon Musk’s Twitter activity moves cryptocurrency markets“ geht es einerseits darum, den „Musk Effekt“ in Kryptowährungsmärkten zu identifizieren und andererseits darum zu quantifizieren wie stark dessen Markteinfluss ist. Hierzu wurde mithilfe eines Event-Study-Ansatzes analysiert, inwieweit Elon Musks Twitter-Aktivitäten die Renditen und Volumina von Kryptowährungen kurzfristig beeinflussen. Dazu wurde im ersten Schritt eine Stichprobe von 47 kryptobezogenen Tweets aus Elon Musks Twitter-Timeline extrahiert, die die sogenannten „Events“ repräsentierten.
Anhand der angewandten Methodik wurde nachfolgend betrachtet, inwieweit sich die Renditen und Handelsvolumina der erwähnten Kryptowährungen mit Bekanntwerden der Information bzw. dem Stattfinden des Events verändert haben. Dafür wurden Marktinformationen rund um das Event mit historischen Daten verglichen. Dabei wurden die identifizierten Abweichungen als „abnormal“ klassifiziert, da sich jene nur durch das Event erklären ließen und abschließend auf statistische Signifikanz getestet.
Der erste "Musk Effekt"
Am 29. Januar 2021 stieg der Preis eines Bitcoins innerhalb weniger Stunden von etwa 32'000 Dollar auf 38'000 Dollar. Dieser Wertzuwachs entsprach einem Anstieg der Marktkapitalisierung von Bitcoin um etwa 111 Milliarden Dollar. Kurz zuvor hatte Elon Musk, Gründer von Unternehmen wie Tesla oder SpaceX und zu jenem Zeitpunkt reichster Mensch der Welt, sein Twitter-Profil angepasst.
Die Anpassungen wurden wie folgt vorgenommen: Zum einen stellte Elon Musk in seiner Twitter-Kontobeschreibung ausschließliche den Begriff „#bitcoin“ ein und zum anderen setzte er den Tweet „In retrospect, it was inevitable“ ab, was eine Unterstützung der dezentralisierten Kryptowährung Bitcoin durch Elon Musk vermuten ließ. Aspekte, die der Allgemeinheit zu diesem Zeitpunkt jedoch unbekannt waren, sind, dass Tesla vor Anpassung des Twitter-Profils von Elon Musk nicht nur eine beträchtliche Investition in Bitcoin getätigt hatte, sondern auch beabsichtigte, Bitcoin als Zahlungsmittel zu akzeptieren.
Krypto-Renditen rund um einen Tweet von Elon Musk
Die nachfolgende Abbildung zeigt die kumulierten (logaritmisch-transformierten) Renditen von 360 Minuten vor bis 120 Minuten nach einem Kryptowährungs-Tweet von Elon Musk. Die Gruppe „alle“ umfasst die Renditen von Bitcoin, Ether und Dogecoin, während die beiden anderen Gruppen lediglich Beobachtungen für Dogecoin oder Bitcoin darstellen. Ethereum (N=1) ist ausgelassen. Bei allen 47 Ereignissen kam es zu einem Kurssprung von etwa 3% nach Veröffentlichung des Tweets. In der darauffolgenden Stunde stiegen die Preise weiter an, bevor sie schließlich wieder abnahmen.
Eine differenziertere Betrachtung der Ereignisse in Bezug auf Dogecoin und Bitcoin lieferte weitere Einblicke in das Zusammenspiel der beschriebenen Effekte. Bitcoin Tweets wurden tendenziell eher in Zeiten fallender Bitcoin-Kurse gepostet (etwa -2% in den sechs Stunden vor einem Tweet), wohingegen Tweets zu Dogecoin im Durchschnitt erst nach einem sechsstündigen Anstieg um etwa 2% erfolgten. Diese Erkenntnisse könnten darauf hindeuten, dass es sich bei Musks Dogecoin Tweets um eine Reaktion auf den Anstieg des Wertes der jeweiligen Kryptowährung handelte, wohingegen Bitcoin-bezogene Tweets möglicherweise eher eine Reaktion auf fallende Preise darstellten.
Handelsvolumen im Zusammenhang mit einem Kryptowährungs-Tweet
Neben der Betrachtung der Rendite spielte auch das Handelsvolumen eine wesentliche Rolle. So zeigt die nachfolgende Abbildung das (logarithmierte) Handelsvolumen rund um einen kryptowährungsbezogenen Tweet von Elon Musk. Vor der Veröffentlichung eines Tweets waren die Handelsvolumina vergleichsweise stabil, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung hingegen stiegen sie signifikant an.
Ebenso wie bei den Renditen, fiel der relative Effekt für Dogecoin deutlich größer aus als für Bitcoin. Das Handelsvolumen von Bitcoin ging in den zwei Stunden nach dem Tweet im Vergleich zu jenem bei Dogecoin nur leicht zurück, wobei das Volumen in Summe deutlich über dem Niveau von vor dem Tweet lag. Das Interessante an den Ereignissen ist, dass der plötzliche Anstieg als Reaktion auf den Tweet sowohl bei den Renditen als auch bei dem Handelsvolumen nur etwa zwei bis drei Minuten andauerte.
Ergebnisse der Event Study
Im Rahmen der Event Study identifizierten wir hochsignifikante positive Effekte in der Minute des Ereignisses und in den darauffolgenden zwei Minuten. Der Effekt in der Ereignisminute betrug 1.46%, wobei 83% der Ereignisse positive Renditen aufwiesen. In Minute 1 betrug der Effekt 1.50% und in Minute 2 0.62%. Danach fielen die abnormalen Renditen im Allgemeinen viel niedriger aus und waren nicht mehr signifikant.
Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass der Markt ebenso schnell und deutlich wie er auf Elon Musks Tweets reagierte, am Ende auch wieder in seinen „Normalzustand“ zurückfiel. Dies konnte auch aus den kumulativen abnormalen Renditen geschlussfolgert werden, die für alle betrachteten Zeiträume signifikant positiv waren und nur geringfügig im absoluten Wert variierten (3.5 bis 4.8% in allen Zeiträumen über zwei Tage hinaus). 91% der Ereignisse führten zu einer positiven abnormalen Rendite über den Zeitraum von fünf Minuten.
Signifikante Effekte gab es auch bei Dogecoin. So reagierte der Markt in der Minute, in der Elon Musk einen Dogecoin-Tweet veröffentlichte, mit einer abnormalen Rendite von 2.2%, gefolgt von weiteren 2.2% in der darauffolgenden Minute. Nach der dritten Minute (0,8%) waren die Auswirkungen nicht mehr signifikant. Für die 14 Bitcoin-Ereignisse hingegen ließen sich keine signifikanten Auswirkungen feststellen. Obgleich der Anteil der positiven Ergebnisse (mit einer Ausnahme) in allen Fällen 50% überstieg und die Gesamtergebnisse durchweg positiv waren, erlangte keines von ihnen statistische Signifikanz. Dieser starke Unterschied zwischen Dogecoin und Bitcoin könnte darauf zurückzuführen sein, dass Elon Musks Tweets zu Dogecoin fast ausschließlich positiver Natur waren, wohingegen seine Bitcoin Tweets sowohl positive als auch negative Aspekte beinhalteten, bei denen sich die Auswirkungen möglicherweise aufgehoben haben könnten.
Kumulative Renditen rund um negative, positive und neutrale Bitcoin Tweets
In Anbetracht der vorstehend beschriebenen Erkenntnisse, erfolgte eine zusätzliche Analyse der Bitcoin-Tweets. Die 14 Bitcoin Tweets bezogen sich auf neutrale, positive oder negative Meinungen oder Fakten. Da einige von ihnen Nicht-Text-Elemente enthielten, war es nicht möglich, die Tweets mit Methoden wie Sentiment-Scoring objektiv zu klassifizieren. Aufgrund dessen wurde auf die subjektive Einschätzung von Kryptowährungsexperten zurückgegriffen, wonach aus den 14 Bitcoin Tweets vier negative und zehn nicht-negative (positiv oder neutrale) klassifiziert werden konnten.
Die nachfolgende Abbildung zeigt die kumulierten Renditen von 360 Minuten vor bis 120 Minuten nach einem Bitcoin-bezogenen Tweet. Die nicht-negativen Tweets führen eindeutig zu positiven Bitcoin-Renditen, während negative Ereignisse eine negative Marktreaktion auszulösen schienen.
Für die zehn nicht-negativen Ereignisse haben wir feststellen können, dass - mit Ausnahme des Zeitraums von zwei Minuten nach dem Ereignis - alle betrachteten Zeiträume mit signifikant positiven abnormalen Renditen verbunden waren. So beliefen sie sich auf rund 1% in den ersten 5 und 10 Minuten und erreichten nach zwei Stunden 3.7%. Bei dieser Betrachtung gilt es allerdings zu beachten, dass die Auswirkungen je nach dem Inhalt der Tweets sehr unterschiedlich ausfielen. So lösten insbesondere die Anpassung von Musks Twitter Profil zu #bitcoin (13.6% nach einer Stunde und 14.3% nach zwei Stunden) sowie die Aussage in Bezug auf Tesla "having diamond hands" (9.3% und 16.9%) erhebliche Effekte aus. Der vergleichsweise größte negative Effekt konnte hingegen infolge des Tweets mit der Aussage Tesla würde Bitcoin als Zahlungsmethode für Fahrzeugkäufe aussetzen, festgestellt werden. Letzterer steht in Verbindung mit einer signifikanten negativen abnormalen Rendite von -11.9% über einen Zeitraum von zwei Stunden nach dem Tweet.
Fazit der Studie
In Anlehnung an das von Anderson und Baum (1994) dargelegte wissenschaftliche Konzept zur Coherence, legen die Ergebnisse unserer Studie nahe, dass Elon Musks Twitter-Follower sich bei der Bewertung neuer Informationen - in unserem Fall zu Bitcoin, Ether oder Dogecoin - von den Aussagen bzw. Angaben auf Elon Musks Twitter Profil aufgrund seines bestehenden Rufs als erfolgreicher und innovativer Geschäftsmann leiten lassen und dies entsprechende Auswirkungen auf ihr Verhalten hat.
Dieser Effekt lässt sich anhand der sogenannten Cognitive Balance Theory erklären. Sie wurde entwickelt um zu erklären, wie Menschen Inkonsistenzen in ihren zwischenmenschlichen Affekten auflösen. Übertragen auf die Ergebnisse unserer Studie würde dies bedeuten, dass Elon Musks Twitter-Follower versuchen ein Gleichgewicht zwischen seinen Aussagen und ihrem Bild von Elon Musk als Person herzustellen. Der Theorie folgend würde eine positive Bewertung von Elon Musk als Person demnach eine entsprechende Wahrnehmung des Tweets bei dem jeweiligen Follower nach sich ziehen und sich dessen Einstellung auch entsprechend auf das "Produkt" Kryptowährung übertragen.
Weitere Interpretationen der Ergebnisse
Im Gegensatz dazu beschäftigt sich die Signaling-Theorie mit Interpretationsmöglichkeiten von Signalen und den daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen. Dieser Theorie folgend, würden Elon Musks Tweets als Qualitätssignale an den Markt betrachtet werden, die unmittelbar eingepreist wurden. Elon Musk entstehen dadurch keine Kosten im herkömmlichen Sinne, gleichwohl setzt er in gewisser Weise seinen Ruf aufs Spiel und riskiert Gegensignale, z.B. in Form von Beiträgen durch andere Influencer. Es ist davon auszugehen, dass der Markt nur so lange reagieren wird, wie das Signal (d.h. der Tweet) einen Mehrwert liefert. Verliert der Markt das Vertrauen in die Qualität des Signals, wird die Information entsprechend ignoriert.
Folgt man dieser Sichtweise, so lässt sich für den "Musk-Effekt" festhalten, dass es sich um einen unkritischen Aspekt der Effizienz von Finanzmärkten handelt. Gleichwohl zieht die Tatsache, dass die reichste Person der Welt den Preis von Bitcoin durch einen einfachen Tweet um 16.9% erhöhen bzw. um -11.8% senken kann, de facto einige komplexe moralische Fragestellungen nach sich. Im Ergebnis konnte anhand unserer Studie belegt werden, dass die Social-Media-Aktivitäten einflussreicher Personen einen signifikanten (temporären) Einfluss auf Kryptowährungen haben können und die Erkenntnisse einen Konflikt zwischen den Idealen der Redefreiheit, der Moral und des Anlegerschutzes offenlegen.