Ein Monatsrückblick über das Geschehen an den Krypto-Märkten angereichert mit institutionellem Research zu den wichtigsten Themen der Branche in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Spezialisten für digitale Assets, 21Shares AG.
Ende Mai gab der Staatsrat der Volksrepublik China - das exekutive Regierungsorgan Chinas - eine Erklärung zur Finanzstabilität heraus, die ein hartes Durchgreifen gegen Bitcoin-Mining und Handelsaktivitäten beinhaltete. Die Stimmung an den Kryptomärkten hat sich aufgrund der erhöhten Unsicherheit in China wieder ins Negative gedreht, was den Verkaufsdruck der Woche vom 10. Mai verschärfte, als Tesla Bitcoin-Zahlungen aufgrund von Umweltbedenken einstellte.
Liquidationskaskade im Mai
Trotz des Mangels an weiteren Details und Klarheit über dieses Durchgreifen fiel Bitcoin um 8% innerhalb einer Stunde, da chinesische Marktteilnehmer härtere Beschränkungen für Krypto-Adoption erwarteten. In Antizipation einer möglichen Liquiditätskrise auf dem chinesischen Markt setzte sich der Verkaufsdruck am Wochenende fort, wobei 80% überwiegend von kurzfristigen Händlern kamen, die Bitcoin in den letzten 6 Monaten gekauft hatten.
Diese vorherrschende Sorge betraf zweifellos die cash-armen Miner, die ihre Ausgaben mit der Konvertierung ihrer Bitcoin in Yuan (CNY) decken müssen. Da die Banken am Wochenende geschlossen waren, blieb viel Kapital auf der Blockchain, da die Kryptomärkte rund um die Uhr geöffnet sind. Krypto-Bestände wurden in USD-gekoppelte Stablecoins wie Tether und USDC konvertiert, die neue Allzeithochs in Bezug auf ihre Marktkapitalisierung erreichten. So durchbrach USD Coin (USDC) zum ersten Mal die 20 Milliarden Dollar Marke.
Zunehmende Volatilität an den Märkten
Ebenso stieg die Volatilität bei allen Assets an. DVOL (der Deribit Implied Volatility Index), der als prominenter Volatilitätsindikator dient, stieg unerwartet stark an. DVOL ist der VIX des Bitcoin-Marktes, der die implizite oder erwartete Volatilität basierend auf den Bitcoin-Optionen misst, die auf Deribit - der grössten Krypto-Optionsbörse - gehandelt werden. Diese Panikverkäufe betrafen auch den Long Tail der Kryptoassets, von denen die meisten um mehr als 5 % von ihrem jeweiligen Allzeithoch gefallen sind. So wurden Hunderte von Milliarden Dollar an Gesamtmarktwert vernichtet.
Obwohl die Nachrichten in China nichts Konkretes beinhalteten, erlebte der Bitcoin-Markt die bedeutendste Verkaufswelle in seiner Gesamtgeschichte. Die täglichen Nettoverluste der Händler beliefen sich auf 2.56 Milliarden USD und übertrafen damit die bemerkenswertesten Deleveraging-Ereignisse wie im März 2020 (1.38 Milliarden USD) und im letzten Bärenmarkt im November 2018 (0.95 Milliarden USD). Doch die gute Nachricht ist, dass anders als während der COVID-19 Panik am 12. März 2020 die heutigen Handelsvolumina eine Grössenordnung höher sind. Daher hat der Bitcoin-Markt die Verkaufswelle in dieser Woche viel besser verkraftet als zu dieser Zeit.
Trotz der grossen Verkaufswelle ist Bitcoin um 15% von seinem Wochenendtief bei 32'000 USD gestiegen. Wir werden genau verfolgen, wie sich der gesamte Markt in den kommenden Wochen entwickeln wird. Wie bereits vor einem Jahr vorhergesagt, glauben wir, dass das Bitcoin-Mining einen Exodus aus China erlebt und sich allmählich nach Nordamerika verlagern wird. Im Einklang mit unserer Vorhersage haben Elon Musk und Michael Saylor von MicroStrategy vor kurzem ein privates Treffen mit Minern aus Nordamerika abgehalten, um einen Rat zu bilden, der den Energieverbrauch standardisiert offenlegt und die Nutzung erneuerbarer Energiequellen in der Welt fördert.
Fundamentale Grundlagen von Krypto-Assets intakt
Für uns haben sich die Fundamentaldaten von Kryptowährungen nicht geändert. Krypto ist eine aufstrebende Anlageklasse, die darauf abzielt, das "Backend" der traditionellen Finanzsysteme zu verbessern. Mit nur 2.5% der Internetbevölkerung als Krypto-Nutzer befinden wir uns noch in den Anfängen des Lebenszyklus dieser Anlageklasse. Daher wird es auf dem Weg dorthin immer wieder zu Korrekturen kommen.
Bitcoin (BTC) ist in vielerlei Hinsicht ein besseres Asset als Gold, obwohl Gold eine lange Lebensdauer hinter sich hat. Bitcoin ist digital nativ und überall mit einer Internetverbindung zugänglich, transparenter, teilbar, überprüfbar, programmatisch knapp und einfacher zu lagern als Gold. Nebenbei: Ray Dalio, legendärer Hedgefonds-Manager und historisch gesehen ein Bitcoin-Skeptiker, gab bekannt, dass er nun Bitcoin besitzt.
Auf der anderen Seite war Ethereum (ETH) in den letzten 5 Jahren das "best performing Asset" und hat die Demokratisierung von Finanzdienstleistungen durch die Abschaffung von Zwischenhändlern ermöglicht. Wir sehen dieses Muster bereits im konventionellen Finanzwesen mit den Hedgefonds-Giganten Millennium, Matrix und Point72, die ihre Zehen in den dezentralen Finanzsektor (DeFi) tauchen.
Schliesslich sind die meisten Marktteilnehmer langfristige Investoren, während der grosse Verkaufsdruck von Neueinsteigern und gehebelten Händlern ausging. Diese beiden Faktoren sind Gründe, warum wir nicht glauben, dass sich im Moment etwas Grundlegendes am Markt geändert hat.