Bitcoin wird oft als «digitales Gold» bezeichnet. Beide Assets weisen Gemeinsamkeiten auf, doch es gibt Unterschiede. Freund oder Feind? Ein Vergleich zwischen Gold und Bitcoin.
Dieser Artikel ist Teil einer Kooperation und im Original auf 10×10.ch erschienen
Freund oder Feind? Diese Frage stellen sich Bitcoiner und Goldbugs gleichermassen, wenn sie auf ein Exemplar der anderen Gruppe treffen. Die Antwort? Keiner weiss es so recht.
Trotz ähnlicher Gesinnung und Sicht auf das heutige Geldsystem deckt man sich gegenseitig mit Vorwürfen ein. Bitcoin sei ein riesiger Ressourcenverschleiss, der in erster Linier der Umwelt schade, meinen Goldbugs. Worauf Bitcoin-Enthusiasten Gold ein dreckiges Metall schimpfen, das von für Hungerlöhne schuftenden, ihre Leben riskierenden Minenarbeitern mühselig aus der Erde geholt werden müsse. Gold stehe für die Vergangenheit, ein Relikt aus der Zeit der Babyboomer, lästert die Bitcoin-Welt. Der Bitcoin sei ein Werkzeug für Kriminelle und Spielgeld in einem, kontert die Gold-Community.
Haben Bitcoiner und Goldbugs etwas gemeinsam?
Dass sich Bitcoiner und Goldbugs derart oft in die Haare geraten, verwundert, haben die beiden doch eine entscheidende Gemeinsamkeit: Sie können durch keine Zentralbank inflationiert werden, da sie – anders als Fiatgeld – kein direktes Gegenparteirisiko aufweisen und somit keine Verpflichtung einer anderen Person darstellen.
Beide gelten bei ihren Anhängern daher als Schutz vor Negativzinsen, Überschuldung und Demonetarisierung von Fiatgeld. Beide sind sie liquide Werte ausserhalb des Fiatgeldsystems. Kurz: Die sie speisenden Narrative könnten ähnlicher nicht sein. Trotz dieser Wesensähnlichkeiten bestand zwischen Gold und Bitcoin in den vergangenen Jahren eine äusserst niedrige, teils sogar negative Korrelation.
Investoren kommt dieser Umstand entgegen – mit einer geschickten Kombination der beiden können sie ihr Portfolio diversifizieren und Preisschwankungen (insbesondere wegen Bitcoin) reduzieren.
Sicherer Hafen
Gold gilt schon seit Jahrzehnten als sicherer Hafen – vom Bitcoin kann man dasselbe (noch) nicht behaupten. Obwohl er es mittlerweile aufs internationale Finanzparkett geschafft hat, ist seine tatsächliche Relevanz als markoökonomisches Fluchtasset noch immer fraglich.
Während Gold auf eine lange Historie zurückblicken kann, ist Bitcoin erst gut zehnjährig. Zwar hat es immer wieder Marktunruhen gegeben – etwa in Zypern oder Griechenland – , in denen Bitcoin von Teilen der darbenden Bevölkerung tatsächlich gekauft worden und der Preis folglich angestiegen ist. Dennoch liegt die makroökonomische und geopolitische Bedeutsamkeit des Bitcoins immer noch weit hinter jener von Gold. (Lesetipp & Hintergrund: Was man zur Kryptowelt wissen muss)
Doch gemäss den Argumenten prominenter Bitcoin-Vertreter soll das Kryptoasset für Relevanz- und damit auch Wertgewinn geradezu prädestiniert sein. So hat sich Bitcoin in technischer als auch monetärer Hinsicht schon etliche Male als antifragiles Phänomen erwiesen. Das Silk-Road-Debakel, die Segwit2x-Auseinandersetzung sowie Preis-Abstürze von über 80 Prozent – sie alle hat der Bitcoin überstanden.
Überlebenschancen Bitcoin?
Der Lindy-Effekt, sind Bitcoiner überzeugt, treffe denn auch auf den Bitcoin zu. Dieses von Nassim Nicholas Taleb erkannte Phänomen besagt, dass die künftige Lebenserwartung nicht verderblicher Dinge proportional zu ihrem Alter ist. Das heisst: Jede weitere Überlebensperiode ruft eine längere verbleibende Lebenserwartung hervor.
Je länger es den Bitcoin also gibt, desto länger wird es ihn in Zukunft geben. Enthusiasten sind überzeugt, dass sich der Bitcoin aufgrund seiner einzigartigen monetären Eigenschaften als international bedeutsames nicht-staatliches Wertspeichermedium wird etablieren können. Eine Monetarisierung von Bitcoin und die Etablierung als sicherer Hafen würde auch auf Kosten von Gold geschehen, argumentieren sie.
Gerade weil Bitcoin noch keine lange Historie vorzuweisen hat, kann er sich diese noch verdienen – als neues digitales Wertaufbewahrungsmittel hat er genügend Raum, weiter zu wachsen. Dabei ist digital für Bitcoiner das entscheidende Stichwort. Das Argument ist simpel: In einer zunehmend digitalen Welt ist Bitcoin als digitales Gold besser positioniert als physisches Gold.
Auslaufmodell Gold?
Das digitale Zeitalter erfordert echtes Internetgeld – und Bitcoin ist dafür wie geschaffen. Über das Lightning-Netzwerk, ein Zusatzprotokoll basierend auf der BitcoinBasechain, versendet Bitcoin Rappenbeträge in Sekundenschnelle in die ganze Welt. Aber auch Transaktionen in der Höhe von über einer Milliarde Dollar sind möglich – für eine Gebühr von etwas mehr als 80 Dollar.
Auch aus rein praktischer Sicht ist Bitcoin dem Gold in vielen Aspekten überlegen. Das Kryptoasset ist einheitlich, kostenfrei teilbar, einfach wiedererkennbar, unveränderlich knapp und leicht transportierbar. Zudem kann Bitcoin einfacher auditiert werden als Gold. Während es bei Bitcoin bloss einen sogenannten «Full-Node» braucht, mit dem das Bitcoin-Netzwerk auf Integrität überprüft wird, ist die Prüfung von Goldbarren mit einem Röntgenfluoreszenz-Spektrometer ein kostspieliger Prozess.
Fehlende Antworten
Ist das «digitale Gold» also tatsächlich das bessere Gold? Obwohl es häufig «Vorteil Bitcoin» heisst, ist ein finales Urteil gewagt. Anders als Gold ist Bitcoin keine natürliche Ressource, sondern eine Abstraktion, die ohne Blockchain und die Aufrechterhaltung einer dezentralisierten Datenbank nicht genutzt werden könnte. Als Abstraktion existiert diese Blockchain nur solange, wie sie von den Bitcoin-Minern aufrechterhalten wird.
Die Frage, die sich am Ende des Tages also stellt: Sind die ökonomischen Anreize gross genug, das Bitcoin-Netzwerk und damit die dezentralisierte Datenbank, auf der Bitcoin «existieren», langfristig aufrechtzuerhalten? Noch wissen wir die Antwort nicht – und darum sollten auch Bitcoin-Enthusiasten das echte Gold nicht vorschnell abschreiben.