In den letzten Tagen erfuhren die traditionellen Finanzmärkte eine erhöhte Volatilität. Was in den Kryptomärkten gang und gäbe ist, ist in den traditionellen Assetklassen zusehends verschwunden. Eine Blick auf die letzten Jahre und das aktuelle Geschehen an den Märkten.
Allgemeine Makrolage der Finanzmärkte
Lassen sie uns einen kurzen Blick auf die allgemeine Lage werfen, ohne zu gross ins Detail zu gehen. Wenn wir die aktuelle Situation an den traditionellen Finanzmärkten erfassen wollen, stechen folgende Themen ins Auge: Nullzinspolitik, Geldmengenexpansion und Leverage. Die ersten zwei Zustände führten über die Zeit, auf der verzweifelten Suche nach Rendite, zur ausgeprägten letzten Konstellation. Die Fremdkapitalaufnahme zum Zwecke der Investition in Finanzinstrumente befindet sich auf einem historischen Allzeithoch.
Finanzkrise 2009 führt zu Minuszinsen und unbeschränktem Geldmengenwachstum
Seit einigen Jahren, insbesondere nach der Einführung weltweiter «Quantitativer Lockerungs Massnahmen», sind die normalen Marktverhältnisse von Angebot und Nachfrage durch die gewichtigen Spieler in Form der Zentralbanken ausser Kraft gesetzt worden. Eine künstliche Nachfrage in der Form von unlimitiertem neu geschaffenem Geld, sorgt im Markt für die Umsetzung des diktierten Zinsniveaus. Sehr gut widerspiegelt findet man diese Tatsache im Obligationenmarkt. Aufgrund der Nullzins/Negativzinspolitik, muss der Investor mittlerweile einigen Staaten, wie beispielsweise der Schweiz, Geld bezahlen um Geld ausleihen zu «dürfen». Eine Risk-Return Situation die langfristig keinen Sinn macht.
Per Ende 2019 wies ein Anleihevolumen von über 11 Billionen USD eine negative Rendite auf.
Dieses Phänomen zeigt sich auch im Unternehmensbereich (Corporate Bonds). Mit AAA Rating versehene Anleihen können durchaus negative Renditen aufweisen. Aber auch die Rendite auf Schuld-verschreibungen im generellen befindet sich auf einem historischen Tiefpunkt. Der Ertrag welcher ein Risikokapitalgeber für die Ausleihung seines Geldes erhält, ist historisch gesehen auf einem Tiefpunkt. Dies zieht sich durch das ganze Spektrum der Anleihemärkte durch, bis in die Sphären unter Investment Grade, den Junk Bonds und den Schwellenmärkten.
Anleger erkaufen sich Rendite mit mehr Duration und schlechterer Qualität
Die verzweifelte Suche nach Rendite treibt die Anleger a) in immer höhere Durations und b) in schlechtere Schuldner Qualität. Beides stellt eine Erhöhung des Risikos dar. Ein zusätzliches Instrument welches professionelle Marktteilnehmer gerne anwenden, um mehr Rendite zu erhalten ist der sogenannte «Leverage». Mit kurzfristiger Fremdfinanzierung wird eine Position weiter aufgestockt, um die gewünschte Rendite zu erreichen.
Neu eingeführte Liquiditätsoptionen der Fed wie beispielsweise der Repomarkt, respektive der daraus resultierende «sponsored Repo» Markt, hat mittlerweile ein stark erweitertes Feld von Spekulanten in Form von Hedgefonds etc. an den Tropf von billiger Liquidität zwecks Investition in den Markt der Schuldverschreibungen gebracht. Im Schnitt werden 50 bis 100 Mrd. Dollar an täglicher Liquidität vom Fed zur Verfügung gestellt. In normalen Marktverhältnissen, eine ertragreiche, oft genutzte und «Finanzindustriekonforme» Strategie. In Stresssituationen führen solche Strategien auch gerne mal zu Pleiten riesigen Ausmasses, welche durchaus auch mal die weltweit grössten Investmentbanken in den defakto Konkurs treiben können (siehe Lehman, Royal Bank of Scotland, UBS, etc.).
Anlagenotstand führt zu aufgeblähtem Risiko/Ertragsprofilen in sämtlichen Anlageklassen
Konsequenterweise hat sich der Anlagenotstand längst in den restlichen Assetklassen fortgesetzt. Die verzweifelte Suche nach Rendite, insbesondere der institutionellen Anleger die aufgrund von Verpflichtungen gezwungen sind zu investieren, spiegelt sich auch in den Aktien und Immobilienmärkten wider. Der Markt hat sich von traditionellen Bewertungsmassstäben für Assetklassen entfernt. Das höchste Gebot an den Märkten nimmt seit längerem die Zins- und Notenbankpolitik der globalen Zentralbanken ein. Risikoaspekte erhalten dementsprechend eine tiefere Priorität.
Im Aktienmarkt haben die künstlich tiefgehaltenen Zinsen und die leicht erhältliche, zusätzliche Liquidität zu Veränderungen der Landschaft geführt. Zum einen sind diskontierte Cashflows mit dem neuen Umfeld viel mehr wert als in der Vergangenheit. Das Spiel der Ausgabe von tiefverzinsten Unternehmensanleihen, dessen Erlös zum Zwecke der Erhöhung des «EPS Verhältnis» in Aktienrückkäufe investiert wird, ist mittlerweile Standard bei den meisten kotierten Unternehmen. Anleger, welche den hohen Bewertungen entfliehen wollen, flüchten dabei in vermeintlich billigere, aber illiquidere Märkte. Alternative Anlageklassen wie Private Equity und Venture Capital, sowie «private Kredite» verzeichnen Rekordvolumen. «Unicorns» die zu Milliardenbewertungen an die Börse streben, schreiben hunderte von Millionen an Verlusten.
Historisch tiefe Volatilität führt zu Vollkaskomentalität
Die Kontrolle der Notenbanken über die Märkte, indem sie immer weiter neu gedrucktes Geld den Marktteilnehmern für Investitionen an den Finanzmärkten zur Verfügung stellt, hat auch zu einer völlig neuen Volatilitätslandschaft geführt. Durch das stete Ansteigen der Märkte, ohne übermässige Kursrückschläge, sind tiefe Volatilitäten entstanden. Dieses Phänomen hat sich im Markt mittlerweile zum «Modus Operandi» ausgebildet. Für etwas Extrarendite wird weiterhin Volatilität im grossen Stil verkauft, sei es direkt über den VIX Index, oder über tausende Strukturierte Produkte, welche sich als «Renditezusatz-Beimischung» in unzähligen Portfolios befinden (Reverse Convertibles und Konsorte).
Das Anlageverhalten hat sich dahingehend geändert, dass der Investor nicht mehr fragt wieviel Ertrag er für sein eingegangenes Risiko erhält, sondern mit dem Ertragsziel vor Augen so viel Risiko auf sich nimmt, was der Markt hergibt.
Liquidität als Lebensader der Finanzmärkte, wann ist der Zenit erreicht?
Wir haben im letzten Jahrzehnt gesehen, wie jedes Problem mit mehr Mitteln angegangen wurde. Monetär und fiskalisch wird versucht, mit billigem Geld den Weg aus den aktuellen Problemen zu finden. Wachstum soll um jeden Preis erhalten bleiben, Rezessionen die an und für sich eine Ingredienz für langfristige Nachhaltigkeit darstellen, versucht man zu verhindern. Strukturell wurde allerdings kein Problem gelöst, sondern ein neues geschaffen. Die Verschuldung wurde angetrieben. «Zombie-Unternehmen» welche nur dank des tiefen Zinsniveaus ihre Schulden weiterwälzen können sind allgegenwärtig. Fundamental ist die Krise seit 2009 nicht gelöst, sondern auf morgen verschoben worden. Wir haben ein Problem, das zu groß ist, um es zu lösen.
Und angesichts dessen, dass es zu groß ist um zu scheitern, sehen wir sehr präventiv handelnde Zentralbanken. «Whatever it takes» dürfte also mangels Alternativen bis zum bitteren Ende durchgezogen werden. Negativ Zinsen werden irgendwann einen kleineren Nutzen gegenüber den neu geschaffenen Problemen auf der Vorsorge/Sparseite darstellen. Somit ist das offensichtliche und einzige Instrument der Zentralbanken die Fiskalseite. QE wurde von der Fed bereits wieder erhöht, man kann das selbstverständlich noch weiter ausbauen, inklusive Helikoptergeld.
Man kann feststellen, dass unsere Währung (FIAT Geld), viele Rollen innehat. Sie wird beliebig reproduziert, um das System aufrecht zu erhalten. Die Werthaltigkeit und somit die Eigenschaften als Wertspeicher stehen hinten an. Wenigen Leuten ist bewusst, dass reines Bargeld eine dramatische Entwertung über die Jahre hinnehmen musste. Die «Leitwährung» US Dollar hat seit Bestehen der Federal Reserve 1914 über 96% an Kaufkraft eingebüsst.
Portfolio Strategie
Das Shortfall Risiko ist hoch, es muss von einzelnen Blasenbildungen gesprochen werden. Investoren nehmen für eine historisch gesehen minimale Rendite, mehr Risiko in Kauf, als ihnen bewusst sein dürfte. Institutionelle Anleger sind aufgrund der Struktur des internationalen Finanzmarktes gezwungen, Neuinvestitionen zu tätigen.
Wie schützt man das Kapital in einem solchen Umfeld der Finanzmärkte? Abgesehen vom Vermeiden des Bondmarktes oder allgemein der Ausleihe von Geld, bieten sich Optionen durch die historisch tiefe Volatilität an. Diese kann richtig eingesetzt hilfreich sein. Wird sie in Form einer Portfolioversicherung eingekauft, ist das im aktuellen Umfeld sicherlich sinnvoller, als sie in Form von Reverse Convertibles oder anderen ähnlichen Instrumenten zu verkaufen*. Ausserdem stellen Werte, welche keine Negativzinsen aufweisen können und zudem über ein limitiertes Angebot verfügen, attraktive Ergänzungen im Gesamtportfoliokontext dar. Dazu zählen Edelmetalle wie Gold und Silber, aber auch digitale Währungen mit beschränktem Angebot, sprich dem prominentesten Beispiel Bitcoin.
Bitcoin als Portfolio Beimischung
Die noch junge Assetklasse der Kryptowährungen, namentlich Bitcoin, kann als attraktive Beimischung in einem traditionellen Anlageportfolio wirken. Das aktuelle Anwendungswachstum, sowie das exponentielle Potenzial, macht diese noch junge Assetklasse auch auf reinen Portfolio Theorie basierenden Kennzahlen als Portfoliobeimischung sehr attraktiv.
Verstehen sie mich aber bitte nicht falsch. Ich gehöre nicht zu den Vertretern, die empfehlen andere Assetklassen mit Bitcoin zu ersetzen. Er besitzt gegenüber bestehenden Assetklassen hervorragende Eigenschaften die ihn -mit der richtigen Gewichtung- zu einer fast unverzichtbaren Beimischung in einem Portfolio macht. Wir sprechen hier von dem wichtigsten Kriterium in der Auswahl von Assets: Dem Risiko/Ertragsprofil.
*Der Bericht wurde am 20.02. verfasst, aktuell ist die Volatilität massiv angestiegen.