Eine erweiterte Sammelklage wirft der Memecoin-Plattform Pump.fun und dem Solana-Ökosystem vor, gemeinsam ein illegales digitales Casino betrieben zu haben – Vorwürfe, die von den Beklagten bestritten werden.
Die Kläger reichten die konsolidierte Klageschrift am 22. Juli 2025 beim Bezirksgericht für den Southern District of New York ein. Sie beziffern die Verluste von Kleinanlegern auf 4 bis 5.5 Milliarden US-Dollar. Laut Klage baute Pump.fun unter dem Deckmantel eines Memecoin-Launchpads ein koordiniertes Racketeering-Unternehmen auf. Dies verstosse gegen US-amerikanische Wertpapiergesetze und das RICO-Gesetz. Richterin Colleen McMahon hat jetzt entschieden, dass die Kläger eine zweite geänderte Klageschrift einreichen dürfen. Die Frist läuft am 19. Dezember 2025 ab. Bei erfolgreicher Klage drohen den Beklagten unter RICO-Bestimmungen dreifache Schadenersatzsummen.
Die Kläger weiteten die ursprünglich am 30. Januar 2025 eingereichte Klage erheblich aus. Damals richtete sie sich nur gegen Pump.funs Betreibergesellschaft Baton Corporation Ltd. und deren drei Mitgründer. Heute zählen auch Solana Labs, Solana Foundation sowie hochrangige Führungskräfte beider Ökosysteme zu den Beklagten. Dazu gehören Solana-Mitgründer Anatoly Yakovenko und Raj Gokal sowie Solana Foundation-Präsidentin Lily Liu. Die erweiterte Klage konsolidiert zwei separate Verfahren. Sie fügt Vorwürfe nach dem Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act (RICO) hinzu. Dieses Bundesgesetz diente ursprünglich zur Bekämpfung organisierter Kriminalität. Das Gericht entliess Jito Labs, Jito Foundation sowie deren CEO Lucas Bruder und COO Brian Smith Ende September 2025 vollständig aus dem Verfahren.
Pump.fun als "digitales Casino" mit über 850 Millionen Dollar Umsatz
Die Klägeranwälte von Burwick Law und Wolf Popper beschreiben Pump.fun als "digitales Casino". Die Plattform generierte seit dem Start im Januar 2024 über 850 Millionen US-Dollar an Gebühreneinnahmen. Sie ermöglicht es Nutzern, ohne Identitätsprüfung Memecoins zu erstellen und zu handeln. Zwischen Januar 2024 und März 2025 lancierten Nutzer über 7 Millionen Token auf der Plattform. Laut Klage kollabierten 98.6 Prozent davon zu wertlosen Projekten. Die Plattform erhebt eine Gebühr von 1 Prozent auf alle Token-Transaktionen. Die Kläger argumentieren, dies stelle ein problematisches Geschäftsmodell dar. Die Beklagten äusserten sich zu den Vorwürfen bislang nicht öffentlich.
Drei Unternehmer Anfang 20 leiten die Betreibergesellschaft Baton Corporation Ltd. mit Sitz in London: CEO Noah Bernhard Hugo Tweedale (21), CTO Dylan Kerler (21) und COO Alon Cohen (23). Die Klage nennt alle drei persönlich als Beklagte. Gemäss Section 15 des Securities Act sollen sie als Kontrollpersonen gemeinsam haften. Die Klage wirft den Gründern vor, wissentlich eine Plattform geschaffen zu haben, die Wertpapiere ohne SEC-Registrierung anbietet. Dabei stellten sie keine Anlegerinformationen oder Risikoaufklärung bereit.
Vorwurf von illegalem Glücksspiel, Überweisungsbetrug und Geldwäsche
Die konsolidierte Klageschrift erweitert die ursprünglichen Wertpapiervorwürfe um schwerwiegende RICO-Anschuldigungen. Laut Klägern bildeten Pump.fun und Solana ein "Pump Enterprise". Diese kriminelle Vereinigung habe systematisch Überweisungsbetrug, Wertpapierbetrug und unlizenzierte Geldübermittlung betrieben. Das koordinierte Zusammenspiel dieser Entitäten ermöglichte es, Sicherheitsvorschriften zu umgehen, den Betrieb zu skalieren und Verbraucherschutzbestimmungen zu missachten.
Laut Klage stellten Solana Labs und Solana Foundation die Blockchain-Infrastruktur bereit, die Pump.funs Geschäftsmodell erst ermöglichte. Die Plattform erzielte seit ihrem Start im Januar 2024 kumulierte Gebühreneinnahmen von über 850 Millionen Dollar. Die Kläger argumentieren, dass die Plattform die Charakteristika illegalen Glücksspiels aufweise. Nutzer setzen Geld auf zufällige Ereignisse (Token-Preisentwicklung) ohne regulatorische Aufsicht. Ob diese Charakterisierung rechtlich zutreffend ist, muss das Gericht prüfen. Jito Labs ist seit September 2025 nicht mehr Bestandteil des Verfahrens. Dessen MEV-Protokoll bezeichnete die Klage ursprünglich ebenfalls als Teil des "Pump Enterprise".
Wertpapierrechtliche Ansprüche und der Howey-Test
Neben den RICO-Vorwürfen macht die Klage geltend, dass die auf Pump.fun gehandelten Token Wertpapiere im Sinne des Howey-Tests darstellen. Der von der SEC angewandte Test definiert ein Wertpapier als Investmentvertrag. Dabei investieren Anleger Geld in ein gemeinsames Unternehmen und erwarten Gewinne aufgrund der Bemühungen Dritter.
Die Kläger argumentieren, dass Pump.fun-Nutzer Token erwerben in der Erwartung, dass deren Wert durch Marketingmassnahmen der Plattform und durch Netzwerkeffekte steigt. Die Klage beschuldigt die Beklagten, diese Wertpapiere ohne SEC-Registrierung angeboten und verkauft zu haben. Dies verstosse gegen Section 5(a) und 5(c) des Securities Act. Zudem habe Pump.fun keine Prospekte oder Risikohinweise bereitgestellt. Die erweiterte Klage fügt Ansprüche nach New York General Business Law §§ 349 und 350 (irreführende Geschäftspraktiken) sowie Bereicherungsansprüche hinzu. Die Kläger fordern Schadensersatz, Rückerstattung von Gebühren und Strafschadenersatz.
Jito-Entlassung und geleakte Chat-Protokolle
Das Verfahren nahm seit der Einreichung im Juli 2025 mehrere bedeutende Wendungen. Am 30. September 2025 entliess Richterin Colleen McMahon Jito Labs, Jito Foundation sowie CEO Lucas Bruder und COO Brian Smith vollständig aus dem Verfahren. Die Entlassung erfolgte freiwillig auf Antrag der Kläger vom 26. September 2025. Es gab keine Vergleichszahlung oder andere Gegenleistung. Zuvor reichte die Anwaltskanzlei Skadden, die Jito Labs vertritt, am 5. September einen Antrag auf Abweisung ein. Darin argumentierte sie, die Kläger hätten nicht dargelegt, dass Jito Labs "irgendeine Beziehung zu, Beteiligung an oder Kontrolle über die Pump.fun-Plattform" gehabt habe.
Jito Labs schied kurz nachdem die Klägeranwälte laut Gerichtsdokumenten über 5'000 interne Chat-Protokolle von einem vertraulichen Informanten erhalten hatten aus dem Verfahren aus. Diese Protokolle sollen angeblich direkten Kontakt zwischen Solana Labs-Ingenieuren und Pump.fun-Personal dokumentieren. Gemäss den Klägern enthalten die Logs Diskussionen über "Token-Programm-Verhalten, Validator- und Prioritäts-Inklusionspfade oder Launch-Flow-Mechaniken". Die Kläger behaupten, diese Beweise würden die Koordinationsvorwürfe stützen. Sie verstärkten "die Grundlagen für die Prädikatshandlungen" des RICO-Vorwurfs. In einem Brief an das Gericht erklärten die Kläger, sie würden "den Fall eingrenzen". Sie wollen sich auf Pump.fun und Solana konzentrieren. Mehrere Beklagte reichten im September 2025 Anträge auf Abweisung ein – darunter Pump.fun (Baton Corporation), Solana Labs und Solana Foundation. Diese blieben zunächst anhängig.
Gerichtsentscheidung im Dezember: Zweite Klageschrift zugelassen
Richterin Colleen McMahon genehmigte am 16. Dezember 2025 den Antrag der Kläger, eine zweite geänderte Klageschrift einzureichen. Die Entscheidung ermöglicht es den Anwälten von Burwick Law und Wolf Popper, neue Anschuldigungen über die Architektur der Plattform zu formulieren. Die Kläger argumentieren, dass das System nicht für einen fairen Marktplatz konzipiert worden sei. Stattdessen sei es darauf ausgelegt, maximalen Profit aus nicht-akkreditierten Händlern zu ziehen. Die Beklagten werden voraussichtlich diese Interpretation in ihren Anträgen auf Abweisung bestreiten.
Das Gericht setzte die Frist für die Einreichung der zweiten geänderten Klageschrift auf den 19. Dezember 2025 fest. Die Beklagten müssen ihre Anträge auf Abweisung bis zum 23. Januar 2026 einreichen. Die Kläger müssen ihre Gegendarstellungen bis zum 13. Februar 2026 einreichen. Die Genehmigung der zweiten Klageschrift bedeutet, dass die im September 2025 eingereichten Anträge auf Abweisung hinfällig werden könnten. Betroffen sind Pump.fun, Solana Labs und Solana Foundation.
Die Kläger stützen ihre überarbeitete Klageschrift auf über 5'000 interne Chat-Protokolle. Diese erhielten sie von einem vertraulichen Informanten. Die Protokolle sollen direkte Koordination zwischen Solana Labs-Ingenieuren und Pump.fun-Mitarbeitern dokumentieren. Die RICO-Anschuldigungen eröffnen die Möglichkeit für dreifache Schadenersatzsummen. Bei einem geschätzten Schaden von bis zu 5.5 Milliarden Dollar wäre eine Forderung von potenziell 16.5 Milliarden Dollar möglich.
Kein eindeutiger Fall
Das Verfahren befindet sich in einer entscheidenden Phase. Mit der zweiten geänderten Klageschrift können die Anwälte ihre Vorwürfe auf Basis der geleakten Chat-Protokolle präzisieren. Die bevorstehenden Anträge auf Abweisung im Januar 2026 werden zeigen, ob die Gerichte die RICO-Vorwürfe und Wertpapierrechtsverletzungen als hinreichend begründet erachten. Das Verfahren wird wegweisend für die regulatorische Behandlung von Memecoin-Plattformen und die Haftung von Blockchain-Infrastrukturanbietern.
Für Solana Labs und die Solana Foundation steht dabei nicht nur finanzieller Schaden auf dem Spiel. Auch die Reputation als führende Layer-1-Blockchain im Krypto-Ökosystem ist gefährdet. Allerdings dürften die Beklagten mehrere substantielle Verteidigungslinien verfolgen. Gerichte legten die Anwendung des Howey-Tests auf dezentrale Token-Plattformen in jüngeren Verfahren zunehmend restriktiv aus. In den Urteilen gegen Ripple und Coinbase ordneten Gerichte sekundäre Markt-Transaktionen nicht als Wertpapierangebote ein.
Zudem argumentieren Technologieanbieter wie Pump.fun typischerweise, dass sie lediglich neutrale Infrastruktur bereitstellen. Sie könnten nicht für die von Nutzern erstellten Token verantwortlich gemacht werden. Ähnlich haftet ein Webhosting-Provider nicht für Inhalte auf gehosteten Websites. Die SEC selbst hat unter der neuen Administration signalisiert, ihre Durchsetzungsstrategie im Krypto-Bereich deutlich zurückzufahren. Dies kompliziert die rechtliche Basis für solche Klagen zusätzlich.








