Unser Geldsystem ist im Umbruch, Währungskrisen häufen sich. Doch jede Krise hält auch Chancen bereit: Das Internet eröffnet neue Möglichkeiten für private Geldangebote. Warum also nicht mit Google-Geld bezahlen?
Dieser Beitrag ist ein Gastbeitrag von Christian Pieter Hoffmann und ist im Original unter hayekianer.ch erschienen.
«Wenn ich im Internet etwas einkaufe, nutze ich meist Google-Dollar – die sind überall akzeptiert, auch im Ausland. In der Schweiz nehme ich meist den Migros-Franken, obwohl ich ja den SBB-Taler auch praktisch finde. Physisches Geld hab ich eigentlich nie dabei – es geht ja doch alles elektronisch.» So oder ähnlich könnte der Erfahrungsbericht einer Konsumentin im Jahr 2030 lauten.
Google-Dollar oder Migros-Franken? Geld, das von Unternehmen herausgegeben wird, nicht von Staaten? Ist das nicht absurd? Keineswegs, in einem gewissen Sinne wäre eine solche Lösung sogar bloss eine Rückbesinnung auf die Wurzeln des Geldes. Denn Geld ist eine Ware. Es wird produziert, weil es einen Zweck erfüllt, weil es eine Nachfrage danach gibt.
Haltbar, gut teilbar, homogen, knapp
Der Zweck des Geldes ist schnell erklärt: Es ist ein Tauschmittel, es erleichtert den Tausch von unterschiedlichen Waren und Diensten, weil mit ihm eben nicht mehr Schuhe gegen Friseurbesuche getauscht werden, sondern Schuhe gegen Geld und Friseurbesuche gegen Geld. Das ist offensichtlich geschickter. Damit das Tauschmittel ein gutes Tauschmittel ist, muss es gewisse Qualitätskriterien erfüllen: es muss haltbar und gut teilbar sein, es sollte homogen sein – ein «Stück» Geld muss genauso gut sein, wie jedes andere – und es sollte knapp sein, da sonst sein Tauschwert allzu tief ist.
Diese Anforderungen erklären, warum über die längste Zeit Gold und Silber unser Geld waren, denn die Edelmetalle erfüllen alle Qualitätskriterien gut. Auch Muscheln können natürlich Geld sein – und waren es mancherorts auch –, aber sie sind halt doch weniger haltbar, kaum homogen und auch nur schlecht teilbar. So waren also Gold und Silber über viele Jahrhunderte unser Geld. Bis, ja bis vor wenigen Jahrzehnten eine neue Phase eingeläutet wurde, ein grosses Experiment begann.
Denn erst seit 1971 verfügen wir über einen reinen Papiergeldstandard. Damals beendeten die USA die Bindung der westlichen Währungen an das Gold. Seither hoffen die Bürger, dass die staatlichen Zentralbanken nicht zu viel Papier bedrucken – denn knapp ist Papier wahrlich nicht. Und das zeigt sich auch, denn seither ist die Geldmenge in praktisch allen westlichen Staaten sprunghaft angestiegen, das Geld entwertet sich schneller denn je – und die Häufigkeit von Finanz- und Währungskrisen hat dramatisch zugenommen.
Vielleicht ist das Papiergeld-Experiment also doch keine so gute Idee? Und überhaupt, warum sollten nur die Zentralbanken Geld anbieten können? In anderen Lebensbereichen zeichnen sich staatliche Monopole bekanntlich durch hohe Kosten und tiefe Qualität aus. Warum sollte diese «goldene» Regel nicht auch für das liebe Geld gelten?
Natürlich eine Frage des Vertrauens
Nachdem Geld eine Ware ist, könnte grundsätzlich jeder Geld anbieten. Natürlich ist das Geld-Geschäft eine Frage des Vertrauens. Trauen wir dem Anbieter zu, dass er dauerhaft für hochwertiges Geld sorgt, dass er es nicht einfach entwertet, um sich zu bereichern? Hat das Geld einen so guten Ruf, wird es so professionell bewirtschaftet, dass es breite Anerkennung findet und an vielen Stellen eingesetzt werden kann? Es gibt einen einfachen und bewährten Mechanismus, der die Qualität eines Angebots steigern und gleichzeitig die Kosten senken kann: Wettbewerb.
Natürlich gibt es heute schon einen sehr beschränkten Geld-Wettbewerb – auf internationaler Ebene. Dollar gegen Franken gegen Euro. Vielleicht noch wichtiger: Dollar gegen Gold – der Goldpreis ist ein guter Indikator für das Misstrauen in das staatliche Geldangebot. Er wirkt darum eher disziplinierend, als die relative Abwertung des Dollars zum Euro. Innerhalb von Ländern gelten aber meist noch immer die Staatsmonopole. Wie also könnte ein echter Wettbewerb aussehen?
Schon immer ein Netzwerk-Gut
Zunehmend richtet sich die Aufmerksamkeit der Geldanbieter auf die neuen Medien. Denn in neuen, elektronischen Medien werden das Angebot und die Nutzung von Geld leichter denn je. Geld war ohnehin schon immer ein Netzwerk-Gut. Elektronisches Bezahlen ist heute blitzschnell, bequem und auch ziemlich sicher. Spielt es für den Kunden oder den Verkäufer wirklich eine Rolle, ob es ein Schweizer oder ein Migros-Franken ist, der elektronisch übertragen wird? Kreditkartenbesitzer kennen bereits die Erfahrung, beim Eintippen der PIN die bevorzugte Währung auswählen zu müssen – Dollar oder Franken?
Warum nicht auch Bitcoin? Die private Online-Währung erlebt derzeit einen Höhenflug. Und ist ein schönes Beispiel für das private Angebot von elektronischem Geld. Bitcoins werden durch ein elektronisches Programm «geschürft», das sich jeder auf seinen PC herunterladen kann. Natürlich kann man sie auch gegen Staatsgeld kaufen. Die Bezahlung mit Bitcoin beruht auf einem kryptographischen Schlüssel, der den Bitcoin und seinen Besitzer ausweist. So können Bitcoin sicher elektronisch ausgetauscht werden. Und der eigentliche Clou: Die Anzahl möglicher Bitcoins ist gedeckelt. Auch wenn immer mehr Nutzer Bitcoins «schürfen», im Bitcoin-Programm ist festgelegt, wie viele Bitcoins insgesamt geschaffen werden können. Irgendwann verlangsamt sich die Produktion, und wurden einmal 21 Millionen Bitcoin «geschürft», dann ist Schluss. Das wird voraussichtlich im Jahr 2140 der Fall sein. Diese klaren Spielregeln machen die Währung knapp – und schaffen Vertrauen.
Nun ist Bitcoin ein Open Source Projekt der Internet-Gemeinde. Es zieht eher Kenner der Materie an und mag vielen noch unverständlich erscheinen. Was aber, wenn bekannte Plattformen wie eBay die neue Währung akzeptieren (wie bereits gemunkelt wird)? Was, wenn grosse Namen wie Google, Amazon oder Apple beginnen, ein eigenes Geld anzubieten? Diese Unternehmen sind darauf spezialisiert, den Handel im Internet bequem und effizient zu gestalten. Sicher wäre auch ihr Geldangebot leicht verständlich und einfach zu nutzen. Möglicherweise so einfach, dass schnell auch andere Anbieter gewillt wären, Google-Dollar oder Amazon-Pfund zu akzeptieren.
Elektronisches Geld ist die Norm der Zukunft
Dem neuen Geld-Wettbewerb kommt entgegen, dass das Bargeld ohnehin im Aussterben begriffen ist. Skandinavische Länder streben bereits auf ein Bargeld-Verbot zu, auch in der Schweiz und der EU möchte man den Bargeld-Verkehr einschränken. Das Motiv mag in der Kontrolle von Geldströmen liegen oder im Kampf gegen Schwarzgeld und Steuervermeidung. Letztlich ist die Wirkung jedoch klar: Wir alle werden uns am Ende vollständig an das elektronische Bezahlen gewöhnen. Elektronisches Geld ist die Norm der Zukunft – bleibt die Frage, wer es anbietet?
Geld ist ein Produkt des Wettbewerbs, es ist eine Ware. Wettbewerb sorgt für anständige Qualität zu attraktiven Preisen. Die aktuellen Papiergeldmonopole haben einen bescheidenen Erfolgsausweis, sie stecken ständig in der Krise. Und sie entsprechen immer weniger der Vielfalt unserer Lebens-, Reise-, Konsum- und Bezahlsituationen. Gerade heute, da wir uns an elektronische Transaktionen und elektronisches Bezahlen gewöhnen, bieten sich darum neue Chancen für ein neues Geld. Gefragt sind mutige Unternehmer, die diese Chancen für sich nutzen und uns Kunden ein attraktives Geldangebot unterbreiten. Freuen wir uns also gemeinsam auf den Google-Dollar und den Migros-Franken!
Der Artikel wurde im HSGFocus 04/ 2013 erstveröffentlicht.