Nach den Anschlägen der Hamas in Israel veröffentlichten eine Reihe traditioneller Publikationen Schlagzeilen über die vermeintliche Krypto-Finanzierung von Terroristengruppen. Eine ausführliche Analyse der Mythen und Fakten rund um den Sachverhalt.
Vor einer Woche reichte eine Gruppe von US-Abgeordneten, angeführt durch die Senatorin Elizabeth Warren, ein Schreiben an die Biden-Administration ein. Seit August 2021 habe die Hamas und der Palästinensische Islamische Jihad über 130 Mio. USD in Kryptowährungen aufgenommen. Daher sei es klar ersichtlich, dass die Regierung etwas gegen die "eindeutige und gegenwärtige" Terrorismusfinanzierung durch Krypto-Assets unternehmen müsse.
Weit überschätzte Krypto-Transaktionen in Verbindung mit Hamas
Die Blockchain-Analysefirma Chainalysis untersuchte diese Behauptungen und veröffentlichte die Resultate in einem Blogbeitrag. Schliesslich wären Krypto-Terrorismusfinanzierungen von dieser Höhe äusserst besorgniserregend. Das Unternehmen arbeitet eng mit Regierungsbehörden rund um die Welt zusammen und wird regelmässig zur Aufdeckung illegaler Geldflüsse im Blockchain-Bereich ersucht. Die Erkenntnisse der Chainalysis-Analyse zeichnen allerdings ein ganz anderes Bild.
Eine Analyse des Volumens und des Flusses von Geldern im Zusammenhang mit dem Terrorismus umfasse zwei Schlüsselkomponenten: Die Quantifizierung von Vermögenswerten im Besitz der Gruppierungen sowie die Identifizierung der Dienstleister, die deren Geldfluss erleichtern. Eine der mit Hamas-Wallets verbundenen Adressen beispielsweise habe über die vergangenen sieben Monate 82 Mio. USD in Kryptowährungen erhalten. Ein naheliegender Trugschluss wäre jetzt die Kategorisierung dieses Volumens als Krypto-Terrorismusfinanzierung, so Chainalysis.
Denn tatsächlich verschickte diese Adresse lediglich 450'000 USD an die Hamas-Wallet. In Anbetracht der Aktivität dieser Adresse handle es sich höchstwahrscheinlich um einen Dienstleister, keine Terroristenorganisation. Laut der Analysefirma schliessen Schätzungen in den Medien meist alle Geldflüsse an bestimmte Krypto-Dienstleister ein, die mit Wallets von Terrorismusorganisationen in Verbindung stehen. Zwar sollten diese Intermediäre ebenfalls sanktioniert werden. Es wäre jedoch falsch, alle Transaktionen als Terrorismusfinanzierung einzustufen. Tatsächliche Zahlen bestätigen den ohnehin sehr kleinen Anteil an illegalen Aktivitäten am Krypto-Volumen.
Effektivere Methoden für Terrorismusfinanzierung
Diese Konklusion bestätigt auch die Realtität. Im Jahr 2019 startete die Hamas erstmals einen Spendenaufruf mit Kryptowährungen. Dieser erste Versuch scheiterte aufgrund der beispiellosen Transparenz der Blockchain jedoch schnell, wie die NZZ berichtete. Zur Spurenverwischung passte die Hamas ihre Krypto-Finanzierungsstrategie an, doch stiess erneut auf Probleme. Diesen April wurde das Projekt eingestellt. Krypto-Beiträge seien einfach zu riskant für Spender. Wohl erhielt die Hamas weiterhin vereinzelte Beiträge in Kryptowährungen, die Problematik wurde allerdings klar ersichtlich.
Finanzielle Beiträge geschehen in der Regel über andere Routen. Beispielsweise besitzt die Hamas Anteile an legitimen Unternehmen in Nachbarsländern. Oder sie nimmt Gelder durch die Versteuerung von Waren ein, die über ein Tunnelnetzwerk zwischen Ägypten und dem Gazastreifen geschmuggelt werden. Und rund 360 Mio. USD pro Jahr gelangen über Direktbeiträge des Irans und weiterer arabischer Länder an die Hamas. Die vermeintlichen Beiträge über Kryptowährungen sind daher als verschwindend klein einzustufen.