Seit dem Amtsantritt des ehemaligen Investmentbanker Gary Gensler fährt die US-Börsen- und Wertpapieraufsicht (SEC) eine Krypto-feindliche Politik. Selbst aus den eigenen Reihen wächst nun die Kritik am derzeitigen SEC-Vorsitzenden, während klare Richtlinien für Firmen gefordert werden.
Gary Gensler ist ein US-amerikanischer Beamter, der sowohl im Finanzwesen als auch im öffentlichen Dienst tätig war und derzeit als Vorsitzender der US Securities and Exchange Commission (SEC) fungiert. Vor seinem Eintritt in die Börsenaufsicht unterrichtete Gensler am MIT - unter anderem auch zur Blockchain-Technologie. Nichtsdestotrotz geht die SEC unter seiner Leitung seit Frühling 2021 aggressiver gegen Krypto-Unternehmen vor denn je. Laut Kollegin Hester Peirce eine verpasste Chance für die US-Wirtschaft.
Vollstreckung als Regulierungsgrundsatz
In den USA teilen sich einige Regulatoren das Finanzgebiet. Während die SEC den Handel mit Wertschriften überwacht, liegt der Rohstoffhandel im Zuständigkeitsbereich der Commodity Futures Trading Commission (CFTC). Da für digitale Assets keine rechtliche Klassifizierung vorherrscht, rangen die beiden Behörden seit geraumer Zeit um die Aufsicht des Bereichs. Unter dem Einsatz des 1933 eingeführten Howey-Tests argumentiert Gensler seinerseits, dass "so gut wie alle" Kryptowährungen als Wertpapiere eingestuft werden müssen. Dies steht im Kontrast zu der Position der CFTC, die einige digitale Assets als Rohstoffe reguliert.
Um nicht auf einen rechtlichen Grundsatz warten zu müssen, setzt die SEC seit einigen Monaten auf eine Strategie, die Branchenvertreter als "Regulierung durch Durchsetzung" (engl. = regulation by enforcement) bezeichnen. Statt der Definition klarer Richtlinien geht die Agentur rechtlich gegen Unternehmen vor, die sie als Teil ihrer Zuständigkeit betrachtet. Opfer dieser Vollstreckungsaktionen wurden bisher einige der grössten Krypto-Unternehmen in den USA, wobei die SEC keine der Multi-Milliarden-Insolvenzen des vergangenen Jahres verhindern konnte.
- 13. Dezember 2022: SEC erhebt Anklage gegen FTX-Gründer Sam Bankman-Fried. Der Kollaps der Börse erfolgte über einen Monat zuvor.
- 12. Januar 2023: SEC verklagt Genesis und Gemini für das Renditeprodukt Gemini Earn. Kunden des Programms konnten ihre Gelder bereits seit zwei Monaten nicht mehr von der Plattform abheben.
- 19. Januar 2023: SEC-Klage verpflichtet Krypto-Kreditplattform Nexo zur Zahlung von 45 Mio. USD an Strafgeldern.
- 9. Februar 2023: SEC verklagt Kraken und zwingt die zweitgrösse US-Kryptobörse, ihre Staking-Dienste einzustellen.
- 16. Februar 2023: SEC leitet Betrugsverfahren gegen Terraform Labs ein. Der Einsturz des 60. Mrd USD schweren Terra-Ökosystems erfolgte bereits im Mai 2022.
- 27. Februar 2023: Betreiber der führenden mobilen Handelsapp Robinhood erhält Vorladung der SEC aufgrund seiner Krypto-Angebote.
- 21. März 2023: SEC schickt Vorladungen an die dezentrale Börse Sushiswap und andere DeFi-Projekte.
- 22. März 2023: SEC informiert Coinbase mit einer Wells Notice über eine kommende Durchsetzungsmassnahme. Laut eigenen Aussagen hatte sich die grösste US-Kryptobörse zuvor über 30 Mal mit der SEC getroffen und mit Millionen an Anwaltskosten wiederholt um eine Registrierung als Wertpapierbörse bemüht.
- 17. April 2023: SEC erhebt Anklage gegen die Kryptobörse Bittrex wegen des Betriebs einer nicht-registrierten Wertpapierbörse.
Kritik der SEC-Kommissarin Hester Peirce
Die harsche Krypto-Politik des SEC-Vorsitzenden Gary Gensler stösst nicht nur bei Branchenvertretern auf Gegenwind. In einem ausführlichen Blogbeitrag kritisiert Hester Peirce, eine der fünf SEC-Kommissaren, die Agentur für die aggressive Ausweitung ihres Regulierungsbereichs. Die SEC bemühe sich aktuell um die Lösung von Problemen, die schlichtweg nicht existieren. Durch die Anwendung uralter Vorschriften auf neue Technologien und der fragwürdigen Interpretation dieser Grundsätze ersticke die Behörde wichtige Innovationen auf den Finanzmärkten.
"Ich danke Ihnen, Herr Vorsitzender. Stagnierung, Zentralisierung, Abwanderung und Aussterben sind die Schlagworte dieser Mitteilung. Anstatt die Verheissungen neuer Technologien zu begrüssen - wie wir es in der Vergangenheit getan haben - möchten wir Stagnation, Zentralisierung, Auslagerung und das Aussterben neuer Technologien fördern. Dementsprechend bin ich anderer Meinung." - Hester Peirce, SEC-Kommissarin
Im Spezifischen bezieht sich Peirce auf die schwammige Neudefinition einiger Begriffe, die künftig zur Anwendung existierender Börsenvorschriften auf dezentrale Plattformen eingesetzt werden sollen. Die Vorschriften formulieren laut Perice verwirrende und nicht umsetzbare Standards für dezentrale Aktivitäten, Teilnehmer an diesen Aktivitäten und Anbieter der zugrunde liegenden Technologien, einschliesslich Validatoren und Miner. Ob die Einhaltung der Vorschriften überhaupt möglich ist, habe die Agentur überhaupt nicht geprüft. Peirce bemühte sich bereits seit Jahren für konstruktive Krypto-Regulierung, wie sie in einem Gespräch mit CVJ.CH deutlich machte.
Politische Spaltung im US-Kongress
In einer Kongressanhörung dieser Woche befragten Mitglieder des Finanzausschusses des US-Repräsentantenhauses den SEC-Vorsitzenden bezüglich seiner Regulierungspolitik, die in einer öffentlichen Stellungnahme der republikanischen Seite des Komitees als "katastrophal" bezeichnet wurde. Um eine lange Reihe von Missbräuchen zu korrigieren, möchte der Kongressabgeordnete Warren Davidson den SEC-Leiter deshalb aus seinem Amt entfernen.
🚨I’m calling to restructure the @SECGov and the removal of Chair @GaryGensler.
Watch my closing remarks from today’s hearing where I lay out the abuse of power and failure to protect investors that has occurred. pic.twitter.com/SNXio9Zbej
— Warren Davidson 🇺🇸 (@WarrenDavidson) April 18, 2023
Gensler weigerte sich beispielsweise wiederholt, eine Klassifizierung der zweitgrössen Kryptowährung nach Marktkapitalisierung - Ether (ETH) - vorzunehmen. Gleichzeitig behauptete der SEC-Vorsitzende, dass es bereits angemessene Gesetze zur Regulierung und Definition digitaler Vermögenswerte gebe. Laut dem Komiteevorsitzenden Patrick McHenry eine widersprüchliche Position.