Nach der nun abgeschlossenen zweijährigen "Untersuchungsphase" startet die Europäische Zentralbank (EZB) die Vorbereitungen für den digitalen Euro. In diesem Stadium wird das Regelwerk für eine digitale Zentralbankwährung (CBDC) finalisiert und sich mit den potenziellen Anbietern abgesprochen.
Den Übergang in die nächste Phase für den digitalen Euro kündigte die EZB in einem Blogbeitrag an. Diese Entscheidung folge auf den Abschluss der Untersuchungsphase, die das Eurosystem im Oktober 2021 eingeleitet hatte. In einem 43-seitigen Bericht fasst die Notenbank die Erkenntnisse dieser Testperiode zusammen und empfiehlt einen digitalen Euro, der für EU-Bürger allgemein zugänglich wäre (Retail-CBDC). Die ab dem 1. November eingeleitete Vorbereitungsphase soll ebenfalls zwei Jahre dauern und den Grundstein für die Einführung eines digitalen Euros legen.
Digitaler Euro: die Alternative zu Bargeld
Grund für die Erwägung eines digitalen Euros sei die sich rasch entwickelnde Digitalisierung der europäischen Wirtschaft. Während die Verwendung von Bargeld stetig abnimmt, gewinnen Online-Einkäufe und digitale Zahlungen mehr an Bedeutung. Die EZB sieht es deshalb als notwendig an, eine sichere und universell zugängliche Zahlungsoption in Form eines digitalen Euros anzubieten. Diese digitale Zentralbankwährung (CBDC) wäre ein öffentliches Gut für den EU-Raum. Sie würde sicherstellen, dass Menschen in der Eurozone jederzeit auf ein öffentliches Zahlungsmittel zurückgreifen könnten.
Die Vorteile eines digitalen Euros wären weitreichend, so die EZB. Aus Sicht von Unternehmen würde ein CBDC die Zahlungsprozesse rationalisieren, Kosten senken und die Kundenreichweite erhöhen. Darüber hinaus würde ein digitaler Euro die strategische Autonomie Europas stärken. Laut der EZB könnte ein CBDC die Abhängigkeit von privaten externen Anbietern minimieren, den Wettbewerb im Zahlungsverkehrssektor fördern und die finanzielle Inklusivität unter Wahrung der Privatsphäre verbessern. Letztendlich sei ein digitaler Euro ein logischer Schritt in der Entwicklung der europäischen Währung.
"Wir müssen unsere Währung auf die Zukunft vorbereiten. Wir stellen uns einen digitalen Euro als eine digitale Form von Bargeld vor, die für alle digitalen Zahlungen kostenlos verwendet werden kann und die höchsten Datenschutzstandards erfüllt. Er würde neben dem physischen Bargeld existieren, das immer verfügbar sein wird und niemanden zurücklässt." - Christine Lagarde, Präsidentin der EZB
EZB trifft noch keine endgültige Entscheidung
Laut dem Beitrag der Notenbank würde der digitale Euro dem Datenschutz Priorität einräumen. Das Eurosystem wäre nicht in der Lage, die persönlichen Daten der Nutzer einzusehen oder Zahlungsinformationen mit Einzelpersonen zu verknüpfen. Der digitale Euro würde auch bei Offline-Zahlungen ein bargeldähnliches Mass an Datenschutz gewährleisten. Trotzdem müsse dieses Ziel mit der Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (AML/CFT) sowie der Verhinderung von Steuerhinterziehung in Einklang gebracht werden. Die EZB überlässt es jedoch dem EU-Gesetzgeber, einen Ausgleich zwischen diesen teilweise antagonistischen Zielen zu schaffen.
Trotz diesen eindeutigen Stellungnahmen bezüglich der Vorteile eines digitalen Euros habe die EZB allerdings keine Entscheidung über die Emission eines CBDCs getroffen. Diese Beschlussfassung werde vom EZB-Rat erst dann in Betracht gezogen, wenn das Gesetzgebungsverfahren der Europäischen Union abgeschlossen ist. Nichtsdestotrotz umfasst die bald eingeleitete Vorbereitungsphase die Fertigstellung eines Regelwerks sowie die Auswahl von Anbietern, die eine digitale Euro-Plattform und -Infrastruktur entwickeln könnten. Es scheint also, als hätte die EZB ihren Entschluss bereits gefasst. Damit schlägt die europäische Währungshüterin einen anderen Weg als die Schweiz ein, wie eine Mediensprecherin der SNB auf Anfrage von CVJ.CH erklärte.
"Diverse Zentralbanken untersuchen die Vorteile und die Machbarkeit von digitalem Zentralbankgeld für die breite Bevölkerung ('retail CBDC'). Im jetzigen Stadium der Analyse sieht die SNB keine klaren Vorteile einer retail CBDC im Vergleich zum gegenwärtigen System. Der bargeldlose Zahlungsverkehr in der Schweiz ist schon heute zuverlässig, sicher und funktioniert effizient. Ausserdem wird das System laufend verbessert und nahezu die ganze Schweizer Bevölkerung hat inzwischen einen guten Zugang zu Finanzdienstleistungen. Ein Zugang zu digitalem Zentralbankgeld für alle Haushalte und Unternehmen wäre also kaum mit Vorteilen verbunden." - Mediensprecherin Schweizerische Nationalbank (SNB)