Die kontrovers diskutierte Krypto-Währung Libra soll in der Schweiz domiziliert werden. Ein aktueller Überblick zum Stand der Diskussion.
Aktiv diskutiert unter Zentralbanken
Derzeit schlägt der von Facebook geplante Stablecoin Libra hohe Wellen in der Schweiz. In Basel diskutierten kürzlich Vertreter von 26 Zentralbanken über Libra. Sie stellten sich auf den Standpunkt, dass Libra erst gestartet werden dürfe, wenn die Regulatoren und Finanzmarktaufsichten in aller Welt zufrieden gestellt wären. Libra dürfe die Stabilität des Finanzmarktes nicht gefährden und müsse die Privatsphäre und Eigentumsrechte der Nutzer gewährleisten. Libra erklärte daraufhin, man wolle nur ein besseres Netzwerk für Zahlungen errichten und keine neue Währung einführen. Doch das ist offenbar nur ein Teilaspekt von Libra.
Libra soll seinen Sitz in Genf nehmen. Die Swiss Blockchain Security veranstaltete daher letzte Woche an der Universität Genf eine Konferenz zum Thema Stablecoins, Libra und Zentralbanken, wobei auch die Rolle der Schweiz näher untersucht werden sollte. CVJ.CH war vor Ort, zusammenfassend stellt sich die Situation wie folgt dar:
Stablecoins und Libra
Stablecoins gehören zu den am schnellsten wachsenden Bereichen der Krypto-Währungen. Derzeit sind 66 Stablecoins mit einem Marktvolumen von rund USD 186 Mrd. aktiv. Zu den Vorteilen von Stablecoins zählt, dass sie auf Vermögenswerten basieren und somit ein anderes Volatilitäts-Profil haben als bspw. Bitcoin. Technologisch sind sie so konzipiert, dass eine hohe Transaktions- und Umlaufgeschwindigkeit möglich ist. Stablecoins werden privat emittiert und dadurch besteht eine regulatorische Lücke. Zudem ist ihre Akzeptanz bzw. die Umtauschmöglichkeit beschränkt. Auf diesem Grundkonzept soll auch Libra basieren. Facebook kündigte mit Libra einen Stablecoin an, welcher von einem Basket an Vermögenswerten mit bestem Rating gedeckt sein soll. Die Vermögenswerte sollen eine geringe Volatilität besitzen und somit für die Stabilität von Libra sorgen. Somit würde eine wichtige Funktion von Geld, nämlich die Wertaufbewahrung, erfüllt.
Allerdings erscheint Libra so gesehen mehr einem Indexprodukt als einer Währung zu gleichen. Auf Ebene des Protokolls jedoch erscheint Libra als zentralisiert ausgegebener Stablecoin mit einer Hinterlegung durch verschiedene Vermögenswerte. Allerdings befinden wir uns in einer sehr frühen Phase des Projekts und die Beta-Phase kann nach Einschätzung einiger Beobachter durchaus zehn Jahre dauern. Dafür spricht auch die eingangs erwähnte Forderung nach umfassender Regulierung. Dennoch hat Libra mit der Macht der 2.7 Milliarden Facebook-Nutzer im Rücken das Potential, einzelne Zentralbanken, Währungsunionen oder den Internationalen Währungsfonds mit seinen Sonderziehungsrechten in Bedrängnis zu bringen. Selbst die Rolle des Greenback als Instrument der U.S.-Außenpolitik könnte durch Libra gefährdet werden.
FIAT Währungen müssen den Weg ins digitale Zeitalter finden
Libra hat das Ziel, zu einem globalen privat emittierten und kontrollierten Zahlungsinstrument zu werden. Damit zielt Libra auf einen Markt mit einem Volumen von gigantischen USD 170 Billionen – und in diese Summe sind Derivate oder andere Effekte nicht einmal eingerechnet. Diese Dimension zeigt an, welch ein Risiko Libra für die meisten nationalen Währungen darstellen kann. Ein Grund, warum es Libra überhaupt gibt, ist nicht allein den technischen Möglichkeiten geschuldet, sondern auch den zahlreichen Finanzkrisen seit Abschaffung des Goldstandards im Jahr 1971 und der damit verbundenen Ausweitung der Fiat-Währungen.
Die kaum zu kontrollierende Geldschöpfung dieser ungedeckten Währungen und die Zinspolitik seit der Finanzkrise von 2007/2008 haben nicht verhindern können, dass sich die Anzeichen für eine neue Finanzkrise mehren. Die Zentralbanken versuchen zwar präemptiv zu reagieren, auch mit Hinblick auf Libra, dennoch begünstigt diese Situation den Aufstieg alternativer Währungen wie beispielsweise Bitcoin oder Stablecoins. Zu den Vorteilen von Libra gehört in diesem Zusammenhang der geplante leichte Zugang über eine verbreitete Plattform, nämlich Facebook und Whatsapp. Das dazu gehörige Wertesystem ist programmierbar und Transaktionen sind verifizierbar.
Digitale Zentralbankwährungen in Ergänzung zu Stablecoins?
Kritisch betrachtet, muss man Stablecoins zwar als evolutionär wichtigen Schritt, aber auch als Übergangslösung einordnen. Die Kombination von Stablecoins und Fiat-Währungen kann eine Möglichkeit sein, um die Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems zu erhöhen. Zudem trauen Beobachter gerade Libra zu, durch die weltweite Präsenz Friktionen im Finanzmarkt, die derzeit noch durch Wechselkurse bestehen, zu minimieren. Stablecoins bieten als Zahlungsmittel gegenüber herkömmlichen Krypto-Währungen wie gezeigt zahlreiche Vorteile. Gerade Libra hat daher das Potential zur Vorlage für eine Central Bank Digital Currency (CBDC), also eine von einer Zentralbank verwalteten und emittierten Digitalwährung zu werden.
Regulatoren gefordert
Regulatoren muss die Möglichkeit gegeben werden, detaillierten Einblick in die Konstruktion der Stablecoins zu nehmen und Positionen müssen auf beiden Seiten angepasst werden, so lautet eine Forderung. Die FINMA beispielsweise möchte im Fall Libra als Finanzmarktaufsicht Einblick haben, wer wann wie viele Libra kreiert. Das ist schon technisch eine Herausforderung. Die „Know-Your-Customer-Regel“ soll offenbar auch für Krypto-Plattformen gelten. Dies ist besonders relevant, wenn eine Krypto-Währung zurückgetauscht wird. Allerdings wäre das Ökosystem von Libra so gross, dass die meisten Kunden niemals die Notwendigkeit hätten, ihre Libra in Geld einer Zentralbank zu tauschen. Vor diesem Hintergrund müssen sich Zentralbanken fragen, wie wichtig Privatsphäre für Bürger heute ist. Zu einer zentralen Frage für Libra dürfte sich die Debatte entwickeln, wie resistent Libra gegen Zensurversuche ist.
Die neutrale Schweiz als Standort für Libra könnte dabei ein entscheidender Faktor sein.