Inmitten der US-Präsidentschaftswahlen konnte eine Krypto-App den Markt für Prognosemärkte erobern: Polymarket. Das Protokoll erlaubt Wetten auf den Ausgang von Wahlen, Wettkämpfen oder allgemeinen Geschehnissen. Wie schaffte es Polymarket in den Mainstream?
Prognosemärkte sind börsenbasierte Plattformen, auf denen die Teilnehmer Kontrakte auf der Grundlage des Ergebnisses zukünftiger Ereignisse wie Wahlen oder Wirtschaftstrends handeln. Die Preise dieser Kontrakte spiegeln die kollektive Wahrscheinlichkeit wider, mit der ein Ereignis eintritt. Händler profitieren direkt, wenn ihre Vorhersage mit dem tatsächlichen Ergebnis übereinstimmt. Dieses simple Konzept gewinnt insbesondere während der US-Wahlzyklen alle vier Jahre an Bedeutung, wie der rasante Anstieg der Wettplattform Polymarket unterstreicht.
Über 2.5 Mrd. USD an Handelsvolumen für US-Wahlen
Handelsmärkte für zukünftige Ereignisse existieren längst in der traditionellen Welt. Polymarket sollte das Geschäft allerdings auf der Blockchain darstellen. So startete das dezentrale Protokoll 2020 auf dem Polygon-Netzwerk - deswegen auch der Name Polymarket. Das Versprechen der Gründer: grössere Transparenz, niedrigere Gebühren und Zensurresistenz. Der Durchbruch der App in den Mainstream sollte jedoch vier Jahre dauern. Mit den kontroversen Geschehnissen rund um die aktuellen Präsidentschaftswahlen in den USA enthüllten den idealen Produkt-Markt-Fit.
Nutzer konnten über die Plattform darauf wetten, wer das nächste Oberhaupt der Vereinigten Staaten wird, wer den "Popular Vote" gewinnt und welche Partei die beiden Kammern des US-Kongresses übernimmt. Auf traditionellen Wettbörsen müssen dafür zusätzliche Hürden überwunden werden. Polymarket ermöglicht den leichten Handel mit Kryptowährungen oder Kreditkarteineinzahlungen.

Bis Ende der Wahlen wetteten Nutzer über 4 Milliarden USD auf die verschiedenen Ausgänge der US-Wahlen. 3.6 Milliarden dieses Volumens steckten Händler in das Rennen zwischen Kamala Harris und Donald Trump. Dank dieser beeindruckenden Zahlen nutzten Mainstream-Medienhäuser wie Bloomberg die Krypto-App mittlerweile als primären Indikator für die Wahrscheinlichkeiten der Wahlen.
Volumen bleibt überdurchschnittlich hoch
Polymarket hat aber auch seine Kritiker. Auf der einen Seite befinden sich Prognosemärkte in einer regulatorischen Grauzone. Je nach Auslegung des Rechts können Behörden das Wetten auf Ereignisse in der echten Welt als Glücksspiel einstufen. Polymarket würde die strengen Anforderungen der Glücksspielbranche nicht erfüllen; die Nutzer durchlaufen nicht einmal einen Identifizierungsprozess. In einem Vergleich mit der Commodity Futures Trading Commission (CFTC) musste die Plattform im Jahr 2022 deshalb eine Strafe von 1.4 Millionen USD zahlen. Inzwischen behauptet Polymarket, aufgrund der Untersuchung „ein aussergewöhnliches Compliance-Team und robuste interne Praktiken und Verfahren" aufgebaut zu haben.
Weiter bemängeln Beobachter den starken Fokus auf Volumen statt "Open Interest". Das Open Interest bezeichnet den Gesamtwert der aktiven, noch nicht abgewickelten Kontrakte in einem Prognosemarkt. Schliesslich könne Volumen bei niedrigen Gebühren leicht aufgeblasen werden. Open Interest hingegen stellt klar, wie viel Geld auf dem Spiel steht. Über die Plattform selbst kann dieser Wert nicht direkt ermittelt werden. On-Chain-Daten zufolge beträgt der auf Polymarket gewettete Gesamtwert rund 211 Millionen USD. Vor dem parabolischen Anstieg aufgrund der Wahlen stand dieser Wert bei rund 20 Millionen.
Gesperrter Gesamtwert auf der Prognoseplattform Polymarket / Quelle: DeFi Llama
Die Plattform konnte die Aktivität seit den US-Wahlen zwar nicht mehr steigern, jedoch ein beachtliches Volumen beibehalten. Der Konkurrent Augur verlor nach der Abstimmung über den neuen Präsidenten im Jahr 2020 fast 80% des gesperrten Gesamtwerts (engl. = Total Value Locked, TVL). Aktuell handeln fast 100'000 einzelne Wallet-Adressen pro Monat auf der Plattform. Vielen davon dürfte es gar nicht bewusst sein, dass im Hintergrund die Blockchain-Technologie alle Wetten abwickelt.
Neueste Entwicklung: NYSE-Mutter ICE plant Milliardeninvestition in Polymarket
Die Intercontinental Exchange (ICE), Muttergesellschaft der New York Stock Exchange (NYSE), kündigt eine Investition von bis zu 2 Milliarden US-Dollar in die Plattform an. Damit soll Polymarket nicht nur weiter wachsen, sondern auch seine Dateninfrastruktur institutionalisieren – ICE will Prognosemarkt-Daten künftig selbst vertreiben. Die Beteiligung markiert den bislang deutlichsten Schulterschluss zwischen der traditionellen Finanzwelt und der dezentralen Web3-Ökonomie.








