Letzte Woche wurde im deutschen Bundestag die allererste Anhörung zu digitalen Währungen abgehalten. CVJ.CH war vor Ort, eine Kurzzusammenfassung:
Nachdem die deutsche Bundesregierung kürzlich ihre Blockchain-Strategie veröffentlicht hat, finden nun bereits erste Anhörungen mit Sachverständigen statt. Hintergrund der angedachten Anhörung war der Umgang mit privaten digitalen Währungen wie beispielsweise die Krypto-Währung Libra weiter definieren zu können. Der US-Konzern Facebook plant Libra im Jahr 2020 zu lancieren. Zu diesem Anlass haben sich am vergangenen Mittwoch sieben Sachverständige, diverse Politiker und viele interessierte Besucher bei der öffentlichen Anhörung im Paul-Löbe-Haus eingefunden. Der Sitzungssaal war bis auf den letzten (Besucher-) Platz gefüllt, was das grosse Interesse an der Thematik eindeutig aufzeigt. Die Sachverständigen waren im unteren Stock in der ersten Reihe platziert, dahinter die Politiker des Ausschusses. Der obere Rang war dabei für die Öffentlichkeit bestimmt.
Zu Beginn der Anhörung hatten die sieben Sachverständigen die Möglichkeit, ihren Standpunkt und ihre Gedanken zu der Thematik in fünf Minuten dem Publikum wiederzugeben. Geladen waren dazu:
Benoit Coeure, Europäische Zentralbank
Markus Becker-Melching, Bundesverband deutscher Banken
Prof. Dr. Michaela Hönig, Frankfurt University of Applied Sciences
Klaus Himmer, CEO & CO-Founder 21 Consulting GmbH
Ralph Bärligea, Senior Business Consultant BearingPoint GmbH
Dr. Oliver Leistert, Leuphana Universität Lüneburg
Katharina Gehra, Immutable Insight GmbH
Sachverständige: Grosses Potential und notwendige Regulation
Benoit Coeure führte aus, dass die Pläne von Libra ein «Wake-up-Call» für Regierungen und Zentralbanken gewesen seien und nun zahlreiche regulatorische Herausforderungen bevorstehen. Laut Coeure müsse in diesem Zusammenhang das Prinzip «same business, same risk, same rules» gelten. Über die vielen offenen Fragen, wie beispielsweise die technische Umsetzung, die Blockchain-Technologie im Generellen oder die Architektur des Systems müsse nun gesprochen werden. Auch müssten allfällige Auswirkungen eines digitalen Euros auf das Bankensystem untersucht werden.
Auch Markus Becker-Melching vom Bundesverband deutscher Banken schloss sich der Forderung nach gleichartiger Regulierung an: Technologieunternehmen welche Bankdienstleistungen anbieten wollen, sollten auch so reguliert werden. Auch er betonte, dass ein digitaler Euro welcher über die Zentralbanken ausgegeben würde, den Sinn kurzfristiger Einlagen bei Geschäftsbanken infrage stellt. Damit wäre auch die Fähigkeit dieser Banken, kurzfristige Kredite zu vergeben in Frage gestellt. Seiner Meinung nach werde «programmierbares Geld» eine wichtige Rolle spielen. Wer Emittent dieser Geldform sein wird, sei noch unklar. Die deutschen Banken erachten sich allerdings dazu in der Lage, damit umzugehen, so Becker-Melching.
Gleiche Regulierung wie für Banken gefordert um eine "systemische Gefahr" auszuschliessen
Prof. Dr. Michaela Hönig von der Frankfurt University of Applied Sciences sprach sich ebenfalls für eine umfassende Regulierung aus. Ansonsten könne eine «systemische Gefahr für den Finanzsektor» entstehen, so Hönig. Sie sieht eine Gefahr darin, dass die Libra Association innerhalb kürzester Zeit zu einem der weltweit grössten Finanzintermediäre werden könnte. Aus eben diesem Grund spricht sich auch Hönig für eine Regulation analog eines vergleichbaren Kreditinstituts oder Zahlungsdienstleisters aus.
Ralph Bärligea sprach sich für eine Klarstellung im Bundesbankengesetz aus. Im Zuge dessen müsse die strafbewehrte Regelung im Paragrafen 35 des Gesetzes («Unbefugte Ausgabe und Verwendung von Geldzeichen») hinsichtlich Krypto-Währungen und Krypto-Token geklärt werden. Ansonsten könnte diese Regelung Unternehmen und Wirtschaft von einem aktiven Umgang mit Kryptowährungen abschrecken.
Klaus Himmer betonte das grosse Potenzial, welches die Blockchain-Technologie im Finanzbereich mitbringt. Vorschriften und Regularien liessen sich technisch integrieren. Auch aktuelle steuerrechtliche Probleme könnten mit dem Einsatz von Krypto-Währungen vereinfacht werden.
Katharina Gehra ist der Meinung, dass die Blockchain-Technologie noch am Anfang stünde. Es bestehe somit noch die Möglichkeit zu gestalten und es gäbe viele Optionen.
Auch Verbot von Libra gefordert
Dr. Oliver Leistert sprach sich für ein Verbot von Libra aus, dies begründete er mit Blick auf die Folgen für ärmere Länder. Er bezeichnete Libra als «Kolonialisierungsrojekt aus dem Silicon Valley» welchem man Einhalt gebieten müsse. Digitale Währungen hätten grundsätzlich allerdings positives Potenzial und könnten den Weg zur Transformation in eine «Post-Wachstumsgesellschaft» vereinfachen.
Nach den Einschätzungen der einzelnen Sachverständigen, sind die anwesenden Politiker der verschiedenen Parteien auf einzelne Positionen eingegangen und haben diverse Fragen an diese zurück gestellt. Der Ausschuss "Digitale Agenda", welcher die Anhörung abgehalten hat, umfasst aktuell 21 ordentliche Mitglieder. Sie teilen sich auf folgende Parteien auf:
- CDU/CSU: 7 ordentliche Mitglieder
- SPD: 5 ordentliche Mitglieder
- AfD: 3 ordentliche Mitglieder
- FDP: 2 ordentliche Mitglieder
- Die Linke: 2 ordentliche Mitglieder
- Bündnis90/Die Grünen: 2 ordentliche Mitglieder
Ergänzend kommen jeweils dieselbe Anzahl an Stellvertretern, sowie mit Uwe Kamann ein fraktionsloses beratendes Mitglied hinzu.