Die evan GmbH ist ein Softwareunternehmen mit Fokus auf Lösungen, die Unternehmen eine effiziente, nachhaltige und sichere Zusammenarbeit mit ihren Partnern und in der digitalen Welt zu ermöglichen. Ein Gespräch mit CEO Thomas Müller zur digitalen Souveränität und DeFi.
In den letzten Jahren hat sich ein grosser Teil der Wirtschaft in die digitale Welt verschoben. So wurden auch Vertrauensbeziehungen zunehmend schwieriger. Erlaubnislose, dezentrale Netzwerke (Blockchains) könnten dabei vielleicht Abhilfe schaffen. Durch dezentrale Finanzapplikationen (DeFi) ist es bereits möglich, Finanzinstrumente ohne Intermediär zu nutzen.
2018 hat Thomas Müller gemeinsam mit Thomas Herbst (CTO) die evan GmbH gegründet. An ihren Standorten in Dresden und Eisenach möchten sie die Zukunft der digitalen Marktwirtschaft auf Basis dezentraler Technologien gestalten. Ihr Ziel ist es, mehr Transparenz und Vertrauen in digitale Geschäftsbeziehungen bringen.
CVJ.CH: Der DeFi-Bereich bekommt im Moment eine Menge Aufmerksamkeit, was halten Sie von den jüngsten Entwicklungen?
Thomas Müller: Blockchain ist ein schwer zu verstehendes Konzept, das die meisten Menschen mit Bitcoin assoziieren. Der Vorteil von DeFi ist, dass Entwickler aus der ganzen Welt offene Finanzdienstleistungsprotokolle entwickeln, die die Technologie anschaulich machen.
Diese Protokolle für die Kreditvergabe, Geldmärkte und sogar Derivate bilden die Grundlage für ein globales Echtzeit-Finanzsystem. Diese realen Anwendungsfälle machen die Technologie deutlich anschaulicher – und DeFi kann als Basis für eine Vielzahl dezentraler Finanzdienstleistungen genutzt werden.
Welcher Bereich von DeFi wird zur Zeit am meisten genutzt?
Auch wenn es keine klassischen DeFi Produkte sind, die grösste Aufmerksamkeit geniessen aktuell sicherlich die NFTs. Wichtige Teile der Infrastruktur sind ausserdem die "Blue-Chip" DeFi-Projekte. Durch sie können Nutzer ihre digitalen Vermögenswerte tauschen oder monetarisieren: Auf Uniswap werden täglich Transaktionen im Wert von mehr als einer Milliarde US-Dollar vorgenommen. Aave, ein dezentrales Geldmarktprotokoll, ermöglicht es Nutzern Kryptowährungen zu traden, ohne dass ein Drittvermittler notwendig ist. Und durch Synthetix, ein Derivat-Liquiditätsprotokoll, können Nutzer in Off-Chain-Vermögenswerte, wie zum Beispiel Apple-Aktien oder synthetisches Gold investieren, ohne den zugrundeliegenden Vermögenswert zu besitzen. Insgesamt sind auf der Plattform mehr als 2 Milliarden Dollar Gesamtwert im Umlauf.
Diese Services werden bereits von Hunderttausenden von Menschen genutzt, ausserdem werden auf dieser Grundlage weitere DeFi-Anwendungen aufgebaut. Das führt dazu, dass die Branche weitere digitale Werte freisetzen wird und Geschäfte ermöglicht, die vor DeFi nicht möglich waren.
Welche Rolle spielt evan dabei?
Wir sind keine originäre DeFi-Technologie, unsere Expertise liegt vielmehr im Umfeld der digitalen selbstverwalteten Identitäten. Durch diese Identitäten wollen wir Individuen die volle Kontrolle und die Hoheit über die eigenen digitalen Daten geben. Unser Ziel ist es, vertrauensvolle rein digitale Geschäftsbeziehungen zu ermöglichen, in denen die digitale Souveränität jedes Einzelnen gewahrt bleibt. Dieser Ansatz deckt sich wiederum mit vielen DeFi-Anwendungsfällen, die aktuell umgesetzt werden: Auch hier sind digitale Souveränität und Vertrauen wichtige Voraussetzungen.
Wie reguliert ist der Raum und wie geht evan mit dieser Angelegenheit um?
Hier muss man zwischen Finanzregulatorik auf der einen und Regulatorik für Identities auf der anderen Seite unterscheiden. Als Identity-Plattform unterliegen wir natürlich vor allem der Identity-Regulatorik. Insbesondere wenn es um Human Identities geht, spielen der Datenschutz (GDPR) und EIDAS-Verordnungen die grösste Rolle. Ausserdem kommen wir immer wieder mit Themen in Kontakt, wo hoheitliche Aufgaben und wirtschaftliche Verwertung aufeinanderstoßen.
Beispielsweise wenn ich mich als Anbieter eines Vermietungsservice darauf verlassen können muss, dass der ausgestellte digitale Führerschein ein tatsächlich gültiges Dokument ist. Dieses Problem versuchen wir mit unseren Verification Services zu lösen: Diese ermöglichen es, Daten durch vertrauensvolle Dritte verifizieren zu lassen und die Authentizität damit nachvollziehbar zu machen.
Was unterscheidet Evan von den Mitbewerbern?
Wenn wir bei evan über Transaktionen sprechen, dann ist das nicht auf digitale Finanzwerte oder Währungen zu beziehen, sondern auf Geschäftsprozesse mit realen Produkten und Dienstleistungen. Gemeinsam mit unseren Kunden gehen wir konkrete Anwendungsfälle an, die Vermietung von Arbeits- und Baumaschinen ist da ein gutes Beispiel. Unseren Kunden ermöglichen wir es, auf Basis digital verfügbarer und verifizierbarer Identitätsdaten vertrauensvolle Geschäftsbeziehungen aufzubauen.
Manuelle Prüfvorgänge, wie sie heute noch oft die Regel sind, fallen bei diesen Prozessen weg, was sie nicht nur sehr schnell, sondern auch kostengünstig macht. Mit solchen Cases bereiten wir dann den Weg für weitere konkrete Anwendungsfälle, auch aus anderen Branchen.
Wo sehen Sie den DeFi-Bereich in zwei Jahren und was ist die Rolle von evan?
Ich denke, dass sich die aktuelle Entwicklung fortsetzen wird und wir mehr und mehr Anwendungsfälle sehen, bei denen DeFi in alltägliche Vorgänge integriert wird. Insbesondere im Bereich Digital Payment tut sich gerade sehr viel. Aber auch der Token-basierte Anteilserwerb an digitalen und realen Gütern sowie an Unternehmen und Gesellschaften wird immer wichtiger. Dazu braucht es allerdings Infrastrukturen auf Basis offener Standards, in denen das Vertrauen in die Akteure geschaffen werden kann. Das ist heute noch ein grosses Problem – und genau hier sehe ich unsere Zukunft als Teil der Blockchain-Familie.
Das Tempo der DeFi-Entwicklung ist bemerkenswert und ehrlich gesagt weiss niemand, wo die Technologie in zwei Jahren stehen wird. Meine Vermutung ist, dass DeFi stärker aus der Nische kommen wird und nicht nur Einzelpersonen, sondern auch mehr Unternehmen Produkte auf DeFi-Basis nutzen.
Ausserdem glaube ich, dass DeFi neue und einzigartige Investitionsmöglichkeiten in Produkte, Dienstleistungen und sogar Unternehmen ermöglichen wird. Natürlich müssen diese Arten von Investitionen reguliert werden, daher erwarten wir, dass die Regulierungsbehörden in diesem Bereich aktiver werden. Aber wir wollen nicht, dass die Regulierungsbehörden diese aufstrebenden Technologien einstellen, weil bestimmte vertrauenswürdige Intermediäre nicht mehr beteiligt sind. Vielmehr können Vertrauens- und Zertifizierungsinfrastrukturen helfen, die Compliance zu unterstützen. Wir glauben, dass diese Anforderungen in einem Netzwerk mit offenen Standards erfüllt werden können, wodurch die Struktur der offenen Protokolle erhalten bleibt.
In diesem Punkt sehe ich eine von vielen entscheidenden Möglichkeiten, die Vision von Blockchains voranzutreiben. Gemeinsam wollen wir durch Digitale Identitäten mehr Vertrauen in die digitale Welt bringen und Individuen in ihrer eigenen Datensouveränität bestärken.
Thomas Müller ist Geschäftsführer und Mitbegründer der evan GmbH, die seit 1. April 2021 eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von Blockchains, Inc. ist. Mit seiner umfangreichen Erfahrung in Wirtschaft und IT, ist es seine Mission, eine dezentrale Kooperationsplattform für die Wirtschaft von morgen auf dem Markt zu etablieren. Darüber hinaus ist Thomas Müller Sprecher, Autor und Experte auf dem Gebiet der dezentralen Technologien, Blockchain for Business und Digital Business.