Diesen Februar stieg die PostFinance als grösste Retailbank der Schweiz ins Krypto-Geschäft ein. Der mutige Schritt erfolgte nach mehreren Jahren Vorbereitung auf starke Nachfrage der Kunden. Hinter dem Angebot steckt jedoch eine langfristige Strategie, meint Head Digital Assets Alexander Thoma im Gespräch mit CVJ.CH.
Bereits im Juli 2022 enthüllte die PostFinance, man arbeite an einem Krypto-Angebot. Starke Kundennachfrage und gute Erfahrungen mit der Handelsapp Yuh waren ausschlaggebend. Knapp zwei Jahre später lancierte die Bank Handels- und Verwahrungsdienste für Kryptowährungen. Das erste systemrelevante Finanzhaus der Schweiz positionierte sich klar im Bereich. 2.5 Millionen Kunden erhielten leichten Zugang zu der Anlageklasse.
CVJ.CH: Diesen Februar ist PostFinance als grösste Retailbank der Schweiz in den Krypto-Handel eingestiegen. Wie kam es dazu?
Alexander Thoma: Dass wir uns intensiv mit den zukunftsweisenden Technologien wie DLT und Blockchain auseinandersetzen, ist für uns von strategischer Bedeutung. Denn langfristig gesehen ist es für ein Finanzunternehmen unabdingbar, sich diesbezüglich Wissen anzueignen. Unsere Analysen haben zudem ergeben, dass sich unsere Kundschaft zunehmend ein Angebot in diesem Bereich wünscht. Kundinnen und Kunden wichen bisher auf weniger regulierte Börsen aus, um mit Kryptowährungen zu handeln, weil ihre Banken keine entsprechenden Dienstleistungen anbieten. Sie würden jedoch den Handel über ihre Hausbank bevorzugen. PostFinance glaubt ausserdem an das Potenzial des Kryptomarktes und erachtet die dahinterliegende Technologie als sehr vielversprechend für vielfältige Einsatzmöglichkeiten. Aus diesem Grund bietet PostFinance nun auch ihren Privatkundinnen und –kunden ein entsprechendes Angebot an.
Wieso dauerte die Vorbereitung fast zwei Jahre?
Ein solches Grossprojekt ist natürlich sehr komplex und mehrere Faktoren beeinflussen die Projektrealisierung. Ein wesentlicher Aspekt war die geringe Erfahrung von PostFinance im Bereich DLT/Blockchain, was den organisationsweiten Wissensaufbau notwendig machte – ein zeitintensiver Prozess. Zudem sind wir als grösste Retailbank in der Schweiz verpflichtet, eng mit regulierenden Kontrollinstanzen zusammenzuarbeiten. Die nötigen Abklärungen und Prüfungsprozesse brauchten seine Zeit. Wir wollten auch nicht einfach einen “quick-win” machen, sondern ein sogenanntes “minimum marketable product” herausbringen - also ein Produkt, welches am Markt bereits bestehen kann und mit seiner guten Nutzererfahrung überzeugt. Die Kundenreaktionen zeigen, dass uns dies gelungen ist.
Haben sich die Mühen gelohnt?
Die Nachfrage deckt sich mit unseren Erwartungen und wir sind sehr zufrieden. Wir stehen aber erst am Anfang einer grösseren Entwicklung und wir sind überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Wie wird sich das Krypto-Angebot von PostFinance weiterentwickeln?
Die grössten Features, welche noch fehlen, sind Transfer (In & Out) sowie Staking. Aktuell arbeiten wir intensiv daran, unseren Kundinnen und Kunden die Staking-Funktion zugänglich zu machen. Wir werden zu gegebener Zeit informieren, wie und wann die Funktionalität eingeführt wird. Zudem prüfen wir die Transfer-Funktionalität. Es gibt aber noch unzählige kleinere Features und Ergänzungen, die wir auf dem Radar haben und zu gegebener Zeit ausrollen werden, wie z.B. kürzlich die zusätzlichen Portfoliocharts.
Wie begegnet PostFinance der zunehmenden Konkurrenz durch andere Schweizer Traditionsbanken mit eigenen Angeboten?
Wir haben den Anspruch an uns selbst, dass wir das beste Digital Asset-Angebot unter den Schweizer Banken bieten. Das bedeutet eine vollintegrierte User-Journey zu attraktiven Konditionen. Dabei soll das Angebot einfach verständlich und für alle zugänglich sein – nach dem Motto "Krypto für alle." Rund ein Viertel der Schweizer Bevölkerung ist Kunde oder Kundin bei PostFinance. Wir haben daher einen grossen Hebel, einen erheblichen Teil der Schweiz den Kryptohandel anzubieten.
Steht hinter der Krypto-Strategie eine grössere Vision?
Auf jeden Fall! Wir wollen die führende Schweizer Retailbank für Digital Assets sein. Dies ist unser Ziel. Heute sind wir noch nicht dort, aber wir arbeiten hart daran. Dies umfasst aber nicht nur den Kryptohandel, sondern auch DLT-Payments, Assets Management und generell Teile einer neuen Finanzinfrastruktur.
Dr. Alexander Thoma ist seit 2020 bei PostFinance tätig und fungiert derzeit als Leiter Digital Assets. In dieser Funktion ist er für alle Produkte und Initiativen im Bereich digitaler Vermögenswerte verantwortlich und vertritt PostFinance sowohl intern als auch extern in diesem Bereich. Er hat einen Doktortitel in Wirtschaftswissenschaften von der Universität Zürich und ist zertifizierter Digital-Assets-Analyst (CDAA). Bevor er zu PostFinance kam, war Alexander Mitbegründer von Alethena, einem Vorreiter in der Tokenisierung in der Schweiz. Er ist in der Expertengruppe der Swiss Blockchain Federation (SBF), der Schweizer Bankiervereinigung (SBVg) und der Asset Management Association Switzerland (AMAS). Ausserdem ist er ein Gründungsmitglied von Digital Assets Switzerland.