Im vergangenen Jahr sind in der Branche der digitalen Vermögenswerte eine Reihe wesentlicher Faktoren aufgetaucht, die bisher nicht existierten. Diese Aspekte führen uns zu der Frage, ob wir an der Schwelle zur institutionellen Bitcoin-Adoption stehen. Ein Einblick in die drei wichtigsten Variablen.
Ein bedeutender Faktor ist die Regulierung, die das Spielfeld für den Markt vorgibt. Nach dem jüngsten Verbot durch China am 24. September blickte die Welt auf die Vereinigten Staaten, um von den Regulierungsbehörden und Gesetzgebern Klarheit über ihre Haltung gegenüber Kryptowährungen zu erhalten. Der Federal Reserve Chairman Jerome Powell war notorisch misstrauisch gegenüber digitalen Vermögenswerten und der neue Vorsitzende der SEC, Gary Gensler, schien anfangs eine ähnliche Haltung einzunehmen. Er vertrat einen vorsichtigen und unverbindlichen Ansatz in Bezug darauf, wie die SEC sie zu behandeln gedenkt.
1. Regulierung in den USA
Jerome Powell und Gary Gensler erklärten am 30. September bzw. am 5. Oktober, dass sie nicht beabsichtigen, Kryptowährungen zu verbieten. Dies gab der Kryptoindustrie und dem damit verbundenen institutionellen Interesse neuen Schwung. Zusammen mit der von Gensler bekräftigten Unterstützung für einen auf Bitcoin-Futures basierenden ETF und seinen jüngsten Äusserungen, dass Bitcoin als "Wertaufbewahrungsmittel" angesehen werden könnte, ergibt sich ein positiver Eindruck. Die weltweit einflussreichste Regulierungsbehörde scheint sich langsam gegenüber Kryptowährungen zu öffnen.
Die SEC hat sich schwer getan, Bitcoin-ETFs zuzulassen, die mit physischem Bitcoin unterlegt sind. Das liegt daran, dass ein Grossteil des zugrunde liegenden Handels an unregulierten Börsen stattfindet. Die Alternative ist ein Futures-basierter ETF über eine regulierte Börse wie die CME. Damit werden zwar die Bedenken hinsichtlich der Marktüberwachung ausgeräumt, doch sind Futures-gestützte Produkte oft schlechter als solche, die auf dem Spotmarkt basieren. Eine Reihe von Bitcoin-Futures-ETFs wurden in letzter Zeit bei der SEC eingereicht, und zwei wurden bereits genehmigt. Dieses grüne Licht war besonders wichtig für institutionelle Anleger, die sich Sorgen über den regulatorischen Druck auf Bitcoin machen.
2. Adoption
Sowohl Befürworter als auch Kritiker haben Bitcoin in letzter Zeit mit dem Internet im Jahr 1997 verglichen. Bitcoin ist mit einer jährlichen Rate von 113% gewachsen, im Vergleich zum Wachstum des Internets von 63% zu dieser Zeit. Sollte sich die Adoption von Bitcoin auf das Niveau des Internets verlangsamen, würde dies immer noch zu 1 Milliarde Nutzern bis 2024 und 4 Milliarden Nutzern bis 2030 führen. Angesichts der Tatsache, dass Institutionen wie Visa, Mastercard, Paypal, BNY Mellon, Morgan Stanley, Goldman Sachs und JP Morgan, um nur einige zu nennen, ihre Haltung gegenüber Bitcoin geändert haben, ist das nicht sehr wahrscheinlich.
Am 8. September 2021 wurde El Salvador das erste Land, das Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt hat. Wie der Nachrichtenfluss seither vermuten lässt, wird es aber sicher nicht das letzte sein. Es wird geschätzt, dass mehr als 50% der Bevölkerung jetzt die Chivo Kryptowährungs-Wallet der Regierung nutzen, während nur etwa 30% ein Bankkonto haben.
"Banking the unbanked"
Einem aktuellen Bericht der Weltbank zufolge haben etwa 1.7 Milliarden Menschen keinen Zugang zu einem Bankkonto, aber 1.1 Milliarden von ihnen besitzen ein Mobiltelefon. Seit langem wird behauptet, dass Kryptowährungen eine Lösung für die Bankgeschäfte der Menschen ohne Bankverbindung darstellen können. Die Weltbank berichtete 2018 auch, dass der gesamte globale Überweisungsmarkt auf 689 Milliarden US-Dollar angewachsen ist, davon 528 Milliarden US-Dollar in Entwicklungsländer. Neben den gebührenfreien Chivo-Geldautomaten in El Salvador wurden inzwischen 50 gebührenfreie ATMs in den gesamten USA installiert, wo rund 2.3 Millionen Menschen mit salvadorianischer Abstammung leben und arbeiten.
Schätzungen zufolge geben die El Salvadorianer derzeit rund 400 Millionen Dollar an Überweisungsgebühren pro Jahr aus. Mit den neuen Geldautomaten, die es Einzelpersonen ermöglichen, schnelle, gebührenfreie Zahlungen über die Grenzen hinweg zu senden, erleben wir möglicherweise die erste Fallstudie, in der die Blockchain-Technologie das veraltete und oft teure Finanzsystem verbessert. Auch die Ukraine kündigte ihre Pläne zur Legalisierung von Bitcoin und Kryptowährungen an. Da auch Kuba, Brasilien und Paraguay ihren Hut in den Ring werfen, wird es im vierten Quartal und darüber hinaus von entscheidender Bedeutung sein, wie viele weitere Dominosteine fallen werden.
Etablierter Bestandteil traditioneller Portfolios
Aus der Perspektive der institutionellen Anleger zeigt unsere jüngste Umfrage, die ein verwaltetes Vermögen (AuM) von 400 Mrd. USD repräsentiert, eine wachsende Beteiligung institutioneller Anleger. Die durchschnittliche Portfoliogewichtung digitaler Vermögenswerte beträgt inzwischen 1.1% des verwalteten Vermögens, wobei dieser Anteil je nach Art des institutionellen Anlegers erheblich variiert.
Von den Umfrageteilnehmern, die angaben, nicht investiert zu haben, wurde die Regulierung (21%) als Hauptgrund für die Nichtinvestition angeführt. Eng damit verbunden waren Unternehmensrestriktionen (19%). Die Auch die Volatilität ist nach wie vor eine grosse Sorge der Anleger. Erfreulicherweise sind nur sehr wenige der Befragten der Ansicht, dass es digitalen Vermögenswerten an Fundamentaldaten mangelt.
3. Makro-Umfeld
Die Anzeichen für ein potenzielles Inflationsproblem werden allmählich sichtbar, vor allem die sich verschärfenden Beschäftigungsbedingungen (und der daraus resultierende Anstieg der Löhne) in Verbindung mit weltweit steigenden Erzeuger- und Rohstoffpreisen. Die Anleger sind jedoch nach wie vor geteilter Meinung, wobei sich die Inflationsaussichten in zwei Richtungen bewegen: diejenigen, die glauben, dass die Inflationseffekte eher vorübergehender Natur sind, und diejenigen, die einen Anstieg der Inflation bis zu einem Punkt sehen, an dem sie die wirtschaftliche Stabilität gefährdet.
Vom Konzept her macht es Sinn, dass Bitcoin eine Absicherung gegen die Inflation darstellt. Er ist das, was Ökonomen einen "Sachwert" nennen würden - einen Vermögenswert mit begrenztem und vorhersehbarem Angebot, dessen Preis oft in US-Dollar angegeben wird. Wenn also das Angebot an US-Dollar oder einer anderen Fiat-Währung steigt, ist es wahrscheinlich, dass Bitcoin gegenüber diesen Währungen an Wert gewinnt, selbst wenn seine Kaufkraft stagniert.
Korrelation zwischen Bitcoin und Inflation
Die Daten deuten darauf hin, dass Bitcoin diese Rolle als Inflationsschutz zu erfüllen beginnt. Betrachtet man die Preisveränderungen im Verhältnis zu den Inflationsveränderungen über einen Zeitraum von zwei Jahren seit seiner Einführung im Jahr 2009, so wird deutlich, dass sich die Beziehung verbessert - mit einem aktuellen R2 von 0.26 (seit 2019). Übrigens ist die Beziehung zwischen Bitcoin und Inflation derzeit besser als die zwischen Inflation und Gold.
Angesichts der steigenden Energiepreise, der zunehmenden Pensionierung der Baby-Boomer-Generation und des zunehmenden Risikos weiterer Lohnsteigerungen bleibt eine höhere Inflation ein reales Risiko. Wir wissen jedoch nicht genau, wie sich die Inflation in den kommenden fünf Jahren entwickeln wird. Daher halten wir die Beimischung von Bitcoin und anderen realen Vermögenswerten für eine umsichtige Massnahme, um Portfolios vor dem Tail-Risk einer ausser Kontrolle geratenen Inflation zu schützen.
Digitales Gold ersetzt die physische Version
Wir haben ausführlich über die Bewertung von Bitcoin geschrieben, aber es lohnt sich, unseren Ansatz des gesamten adressierbaren Marktes noch einmal zu überdenken. Die Zuflüsse von Investmentfonds deuten darauf hin, dass Bitcoin begonnen hat, den Marktanteil von Gold zu kannibalisieren. Derzeit macht Bitcoin 9.1% des Marktanteils von Gold aus.
Der Vorsitzende der US-Börsenaufsicht (SEC) Gary Gensler hat kürzlich eingeräumt, dass Bitcoin nun "ein Wertaufbewahrungsmittel ist, in das die Menschen investieren wollen, so wie manche in Gold investieren würden". Dies unterstreicht seine Identität als Sachwert. Da die Inflationsgefahren in naher Zukunft wahrscheinlich weiter eskalieren werden, ist es nicht abwegig, dass der Bitcoin-Preis 100'000 US-Dollar erreichen wird. Dies würde nur 17% des Marktwerts von Gold entsprechen.
Gegen Ende des Jahres wird deutlich, dass es eine Reihe von potenziell kurstreibenden Ereignissen gibt. So beispielsweise die zunehmende regulatorische Klarheit, steigende Inflationsrisiken, die zunehmende Adoption und der wachsende Appetit der Anleger - diese Faktoren sprechen für eine stärkere Beteiligung institutioneller Anleger an dieser Anlageklasse.