Ein Rückblick auf den historischen Krypto Flash Crash vom 10. Oktober 2025, der die Marktmechanik digitaler Assets auf die Probe stellte und die Grenzen von Liquidität und Vertrauen sichtbar machte.
Nach Wochen stetiger ETP-Zuflüsse und einem neuen Allzeithoch wurde der Kryptomarkt am Freitag von einem plötzlichen Schock erfasst, wie ihn selbst erfahrene Händler selten erlebt haben. Innerhalb weniger Stunden brachen die Kurse von Bitcoin und anderen führenden Assets ein, rund 20 Milliarden USD an gehebeltem Kapital wurden liquidiert, und selbst die grössten Handelsplattformen stiessen an ihre Belastungsgrenzen. Die Bewegung war nicht nur heftig, sondern auch aufschlussreich: Sie machte deutlich, wie stark Krypto- und Makromärkte inzwischen verflochten sind und wie schnell Liquidität versiegen kann, wenn Vertrauen und Risikobereitschaft gleichzeitig schwinden.
Der Ablauf einer historischen Marktbereinigung
Was als normale Gewinnmitnahme begann, verwandelte sich innerhalb weniger Minuten in eine beispiellose Kettenreaktion. Orderbücher leerten sich rasch, Margin Calls stapelten sich, und Long-Positionen wurden in Serie zwangsliquidiert. Der plötzliche Einbruch erfasste selbst grosse Assets, während Stablecoins und DeFi-Protokolle unter Druck gerieten. Erst am späten Abend kehrte allmählich Ruhe ein, doch die Episode bleibt eine Mahnung, dass selbst in einem zunehmend institutionellen Umfeld alte Reflexe aus der Hochvolatilitätszeit noch immer spürbar sind.
- Phase 1: Risikoschub und aufklaffende Spreads.
Zum Beginn des US-Handels verschlechterte sich das Makroumfeld deutlich. Institutionelle Marktteilnehmer zogen Liquidität ab, Handelskurse wurden weiter gestellt, und die Tiefe in den Orderbüchern nahm ab. Erste Zwangsverkäufe trafen auf dünne Märkte – der Preisrückgang beschleunigte sich. - Phase 2: Kettenreaktion über Derivate.
Mit abnehmender Liquidität griffen automatische Sicherungsmechanismen. Auf Futures- und Margin-Plattformen wurden Positionen liquidiert, was weitere Verkäufe auslöste. Die Preisdifferenzen zwischen den Handelsplätzen weiteten sich, und die Abwärtsbewegung verstärkte sich selbst. - Phase 3: Systemstress und kurze Aussetzer.
In der Spitze kam es auf einigen Handelsplattformen zu kurzzeitigen Fehlpreisen und kleinen Unterbrüchen im Handel. Teilweise fehlten Käufer, wodurch einzelne Coins für Sekunden zu Extremwerten durchrutschten, bevor sich die Märkte wieder fingen. Nach der heissesten Stunde setzte eine technische Erholung ein, während sich die Liquidität langsam zurückbildete und die Kurse vom Tief aus stabilisierten.
Preisfindung im Ausnahmezustand
Die folgenden Grafiken machen den Ablauf der Marktbereinigung sichtbar. Der erste Chart zeigt die Futures-Liquidationen auf den grössten Börsen. Die Konzentration der Abwicklungen um 23 Uhr verdeutlicht, mit welcher Geschwindigkeit der Grossteil der rund 20 Milliarden USD an Positionen liquidiert wurde.

Die zweite Grafik zeigt die Bereinigung des Open Interest bei Bitcoin-Optionen – ein weiteres Indiz für den massiven Enthebelungsprozess. Besonders auffällig ist der steile Rückgang, der das Open Interest fast vollständig auf das Niveau von Anfang Juli zurückführte. Das zeigt, wie gründlich gehebelte Positionen aus dem Markt gespült wurden. Diese Enthebelung erreichte am Freitag ihren Höhepunkt und flachte danach rasch ab, was die Stabilisierung am Wochenende ermöglichte.

Die nachfolgenden Grafiken zeigen beispielhaft die extremen Kursschwankungen einzelner Coins in der heissesten Phase des Krypto Flash Crash. Während Bitcoin und Ethereum noch vergleichsweise geordnet handelten, brachen mehrere Altcoins auf einzelnen Börsenplätzen zeitweise um bis zu 90 Prozent ein und notierten wenige Minuten später bereits wieder rund 50 Prozent höher. Diese abrupten Ausschläge verdeutlichen, wie dünn die Liquidität in Stressphasen werden kann und werfen zugleich die Frage auf, in welchem Ausmass einzelne Market Maker die Situation aktiv zu ihrem Vorteil nutzten.


Manipulation im Schatten: Liquidationen und Insidertrades
Die Dynamik des Einbruchs deutet darauf hin, dass mehr als reine Panikverkäufe im Spiel waren. Vieles spricht dafür, dass grosse Marktteilnehmer gezielt die Schwächen anderer ausnutzten, indem sie Orderbücher verschoben, Liquidität verknappten und so zusätzlichen Verkaufsdruck erzeugten, der zahlreiche Stop-Loss-Orders und Margin Calls auslöste. Diese Kettenreaktion trieb die Kurse noch tiefer – ein Phänomen, das man in der Szene als gezieltes Auslösen von Zwangsverkäufen kennt. Auch in der Community wird über mögliche „Liquidity Blackouts“ und perfekt getimte 1,1-Milliarden-Shorts spekuliert, bei denen grosse Market Maker und CEX-Glitches eine Rolle gespielt haben könnten.
Zusätzlichen Zündstoff lieferte der Fall eines einzelnen Wallets, das auf Hyperliquid innerhalb weniger Stunden rund 190 Millionen USD Gewinn machte, nachdem es kurz vor dem Einbruch massiv auf fallende Kurse gesetzt hatte. Der Vorgang wurde auf Binance Square dokumentiert und sorgte für hitzige Diskussionen. Wie der Youtuber Voidzilla zusammenfasst, gibt es in jedem Markt Akteure mit Informationsvorteilen, doch im Kryptobereich scheint dies besonders ungebremst abzulaufen. Weil die meisten digitalen Vermögenswerte rechtlich nicht als Wertpapiere gelten, greifen viele der üblichen Insiderregeln aus dem US-Wertpapierrecht hier schlicht nicht.
Dezentrale Infrastruktur besteht den Stresstest
Trotz des historischen Ausverkaufs gab es auch positive Signale. Die dezentrale Marktinfrastruktur funktionierte störungsfrei und absorbierte den plötzlichen Handelsansturm ohne Unterbrüche. Auf Solana blieb das Netzwerk stabil und verarbeitete laut Analysen über 100 000 Transaktionen pro Sekunde, während dezentralisierte Börsen auf derselben Chain über 7 Milliarden USD an 24-Stunden-Handelsvolumen abwickelten. Die Systeme liefen durchgehend ohne Ausfälle oder Engpässe, was die technische Belastbarkeit der Blockchain eindrucksvoll unter Beweis stellte.
Auch im DeFi-Sektor zeigte sich Widerstandsfähigkeit. Auf dem grössten Kreditprotokoll Aave mit über 40 Mrd. USD an hingerlegten Werten wurden rund 180 Millionen USD an Positionen automatisch liquidiert und innerhalb der hinterlegten Sicherheiten abgewickelt. Trotz der hohen Volatilität kam es zu keinen ausserordentlichen Verlusten.
Krypto Flash Crash als Reset, nicht als Wende
Trotz der massiven Liquidationen und der extremen Volatilität lässt sich das Muster der Bewegung eher als technische Bereinigung denn als Trendwende einordnen. Das Timing am Wochenende, die Hinweise auf mögliche Marktmanipulationen und die dominierende Rolle der Derivatemärkte stützen diese Einschätzung. Erst anhaltende Kursrückgänge, begleitet von spürbaren ETF-Abflüssen und einem breiten Rückzug auch von institutioneller Seite, könnten auf eine nachhaltige Veränderung der Marktstruktur hindeuten.








