Im November 2022 erschütterte der Kollaps der ehemals zweitgrössten Krypto-Börse FTX die Branche. Was der Gründer Sam Bankman-Fried erst als kurzfristige Liquiditätskrise verdecken wollte, enthüllte sich als Betrug in enormem Ausmass. Entsprechend verurteilte ein Gericht den ehemaligen FTX-CEO zu 25 Jahren Haft.
Die Geschichte von FTX und Alameda Research geht bis ins Jahr 2017 zurück. Damals gründete der "Altruist" Sam Bankman-Fried eine quantitative Handelsfirma, die Ineffizienzen auf den Krypto-Märkten ausnutzen sollte. Zwei Jahre später folgte die Gründung einer eigenen Börse: FTX. Mit Schwergewichten aus dem Venture Capital-Bereich avanciert die Plattform zu einer der volumenstärksten Krypto-Handelsplätzen. Alameda Research wickelt einen Grossteil des Volumens ab und agiert als Market Maker. Ein wichtiges Detail wird der Öffentlichkeit verschwiegen. Die Handelsfirma erhält Zugriff auf die gesamten FTX-Kundengelder und geht damit riskante Wetten ein. Nach dem Einsetzen eines neuen "Krypto-Winters" meldet Alameda Konkurs an und zieht die Börse mit sich in den Abgrund. Dieses Konstrukt war offensichtlich betrügerisch, wie CVJ.CH bereits früh enthüllte. CEO Sam Bankman-Fried drohen über zwei Dekaden Haftzeit.
Völliges Versagen jeglicher Firmenkontrollen
Nach der Konkursanmeldung der FTX Gruppe Mitte November 2022 übernahm ein erfahrener Insolvenzverwalter das Ruder. John J. Ray III half bei der Bewältigung der Folgen einiger der grössten Firmenzusammenbrüche in der Geschichte, einschliesslich des Untergangs des Energiehandelsunternehmens Enron nach einem Bilanzbetrugsskandal im Jahr 2001. Doch selbst er äusserte sich kurz nach dem Antritt als Leiter des Verfahrens schockiert über die Begebnisse im Fall FTX.
"Noch nie in meiner beruflichen Laufbahn habe ich ein so umfassendes Versagen der Unternehmenskontrollen und ein so vollständiges Fehlen vertrauenswürdiger Finanzinformationen gesehen wie hier. Von kompromittierter Systemintegrität und mangelhafter behördlicher Aufsicht im Ausland bis hin zur Konzentration der Kontrolle in den Händen einer sehr kleinen Gruppe unerfahrener, unbedarfter und potenziell kompromittierter Personen - diese Situation ist präzedenzlos." - John J. Ray, FTX-CEO und Leiter des Insolvenzverfahrens in Delaware
Insbesondere die Verwahrung der Kundengelder enthüllte sich als schockierend. Sam Bankman-Fried und sein Mitgründer Gary Wang hatten stets die vollständige Kontrolle über die digitalen Assets der Hauptgeschäfte der FTX Gruppe. Das Unternehmen regelte den Zugang zu Private Keys und sensitiven Daten über ein "ungesichertes Gruppen-E-Mail-Konto". Ausserdem erhielt Alameda Research über eine Hintertür Zugang zu einer Kreditlinie von bis zu 65 Milliarden US-Dollar - mehr als die von Kunden hinterlegten Vermögenswerte. Diese strapazierte die Handelsfirma, als der Markt gegen die Alameda-Investitionen drehte.
Schliesslich kam es, wie es kommen musste. Kunden verlangten ihr Vermögen in Rekordgeschwindigkeit zurück. FTX hatte allerdings keine liquiden Vermögenswerte, um diese Verbindlichkeiten zu decken. Abhebungen mussten eingestellt werden. Der Insolvenzverwalter übernahm die Leitung. Noch heute gehen monatlich fast 40 Millionen USD an Kundengeldern pro Monat für Anwaltskosten drauf. Die Rückzahlung an Kunden dürfte weitere Jahre in Anspruch nehmen; ehemalige Nutzer der Krypto-Börse Mt. Gox warten bereits über eine Dekade auf ihr Geld. Und FTX-Kunden mit Krypto-Beständen werden auf Dollar-Basis zum Zeitpunkt der Konkursanmeldung ausbezahlt werden. Wer einen Bitcoin auf der Plattform hielt, wird weniger als 20'000 USD erhalten.
Sam Bankman-Fried sieht sich im Recht
Über den gesamten Gerichtsprozess gestand der Gründer Sam Bankman-Fried keine Schuld. Bereits im November 2023 sprach ein Gericht den Unternehmer schuldig. Konkret wurde Bankman-Fried wegen Überweisungsbetrug, Verschwörung zum Überweisungsbetrug gegenüber FTX-Kunden und Darlehensgebern von Alameda Research, Verschwörung zum Wertpapierbetrug und Verschwörung zum Warenbetrug gegenüber FTX-Anlegern sowie Verschwörung zur Geldwäsche verurteilt.
Die Staatsanwaltschaft hatte eine Strafe von bis zu 50 Jahren gefordert, während Bankman-Frieds Anwälte nur sechseinhalb Jahre beantragten. US-Bezirksrichter Lewis A. Kaplan verkündete das Urteil schliesslich vor einem Bundesgericht in Manhattan: der FTX-Gründer erhält 25 Jahre Haft. Bei guter Führung könnte er einige Jahre früher entlassen werden. Leider zeige Bankman-Fried keine Reue, meinte Kaplan. Zusätzlich zu der Gefängnisstrafe sollte Bankman-Fried nach Ansicht des Richters mehr als 11 Milliarden USD abtreten.