Der rasante Aufstieg der Kryptoassets hat zahlreiche Akteure mit zweifelhafter Motivation angelockt. Mit angeblich revolutionären Handelsstrategien lasse sich im Nu das grosse Geld machen, versprechen sie. Dabei gilt auch in der Kryptowelt: There is no free lunch. Also Achtung vor den Schneeballsystemen.
Krypto ist eine neue und aufregende Welt. Sie bietet aber auch allerlei Scharlatanen eine Platt-form. Vor allem während des grossen Hypes rund um Kryptowährungen im Jahr 2017 versuchten Betrüger, über ein Initial Coin Offering (ICO) Bitcoin und Ether zu ergaunern.
Anfang 2018 fiel der ICO-Markt zusammen – und somit auch dieses Spielfeld für Kryptoschwindler. Doch sie finden immer neue Wege, ahnungslose Opfer um ihr Geld zu bringen. Als Facebook vor ein paar Wochen seinen Coin Libra ankündigte, ging es nicht lange, bis die ersten Webseiten – als offizielle Libra-Internetseite getarnt – mit rabattträchtigen Vorverkaufsangeboten warben.
Eine ebenfalls beliebte Masche ist es, Leute mit Angeboten anzulocken, die angeblich einer intelligenten Arbitrage-Handelsstrategie entspringen. So gibt es kostenlose Apps, die mit sogenannten Hochfrequenz-Arbitragerobotern und sonstigen Handelsstrategien werben. Dabei versprechen sie Renditen von bis zu 20 Prozent. Pro Monat.
Eine Frage der Geschwindigkeit
Diese Art von Trickserei ist altbekannt und taucht in der Form unterschiedlichster Schneeballsysteme immer wieder auf. Da die Gewinne fast ausschliesslich durch das Kapitel von neugewonnenen Mitgliedern entstehen, bedarf es stets neuer Kunden.
Doch wenn einem zweistellige Arbitrageprofite versprochen werden, sollten sofort die Alarmglocken klingeln. Bei Arbitrage handelt es sich um ein reales, völlig legitimes Geschäft. Dabei geht es um die risikolose Ausnutzung von Preis- oder Zinsunterschieden an verschiedenen Handeslplätzen zum Zweck der Gewinnentnahme.
Per Definition führt Arbitrage also dazu, dass die Märkte effizienter und potenziell vorhandene Gewinnmöglichkeiten mit der Zeit immer kleiner werden lässt. Mit der Digitalisierung und der Markttransparenz sind die Handelsspannen tatsächlich immer tiefer geworden.
Das bestätigt auch Andy Flury, CEO und Gründer der AlgoTrader AG. Sein Unternehmen hat sich auf das algorithmische und quantitative Trading für Hedgefonds und Kryptofirmen spezialisiert: «Bei der Arbitrage heute geht es um Geschwindigkeit. Nur der schnellste gewinnt, schon der zweitschnellste geht leer aus. Arbitrage, selbst im Kryptobereich, ist heute nur für Profis.»
Der Kryptomarkt habe sich in den vergangenen zwei Jahren stark professionalisiert und darum insgesamt effizienter geworden, so Tradingexperte Flury. Dass Arbitrage in der Kryptowelt hocheffizient sein muss, leuchtet ein: Abgesehen von häufig unterschätzten Lagerkosten sind Kryptoassets wie Bitcoin und Ether digital, rund um die Uhr, sieben Tage die Woche handelbar, fungibel, das heisst innerhalb derselben Gattung austauschbar. Genau diese Voraussetzungen machen sie zu einem effizienten Tradingvehikel.
Unendlich hohe Renditen
Arbitragegewinne sind also nur für den Schnellsten möglich. Doch selbst diese Gewinne würden mit der Zeit durch fortlaufende Arbitrage wegarbitriert. Es braucht darum nicht ausserordentlich viel fachliche Expertise um einzusehen, dass es den Free Lunch auch in der Kryptowelt nicht geben kann. Warum fallen dennoch viele auf Angebote herein, die genau das versprechen?
Vermutlich wegen einem der ältesten Triebe überhaupt: Gier. Bei einer versprochenen Rendite von 20 Prozent wird so mancher schwach. Flury, der selbst mehrere Jahre als Hedgefonds-Manager gearbeitet hat, bestätigt dies: «Privatpersonen schauen stets nur auf die Rendite, Profis machen das nicht. Sie schauen vielmehr auf das Rendite-/Risikover-hältnis.»
Gemäss Flury lasse sich die Rendite theoretisch beliebig erhöhen. So sei es möglich, 50 oder gar 100 Prozent Rendite pro Jahr zu erwirtschaften – man müsse einfach verhältnismässig mehr Fremdkapital aufnehmen. Damit würde aber auch das Risiko des Totalverlustes steigen. «Wer nur die Rendite vor Augen hat, vergisst das damit zusammenhängende Risiko», sagt Flury.
Auf solcherlei Argumente angesprochen, erwidern Mitglieder solcher dubiosen Projekte, dass die neue Kryptowelt eben nach neuen Regeln und Gesetzen funktioniere. Man habe einen revolutionären Arbitrage-Bot programmieren können, den es zuvor nicht gegeben habe. Der mehr könne als all seine Vorgänger.
Wappnen für die Zukunft
Bei AlgoTrader hat man für derartige Aussagen nur ein müdes Lächeln übrig. «Im Auftrag unserer weit über 50 Kunden haben wir in den vergangenen Jahren ungefähr 120 verschieden Handelsstrategien entworfen. Wir haben also so ziemlich alles schon einmal gebaut, was man sich vorstellen kann», meint CEO Flury.
Vielfach hätten viele Marktteilnehmer das Gefühl, über eine einzigartige Strategie zu verfügen. Dabei sei genau diese Handelsstrategie bereits bei anderen Teilnehmern im Einsatz. Oftmals erlebe man bei AlgoTrader auch, dass Personen mit einem eigenen Bot aufwarten, der angeblich eine riesige Rendite erwirtschaften würde. Bei genauerem Hinsehen werde der faule Zauber jedoch entlarvt. So passiere es immer wieder, dass sich die hohe Rendite aus einem Backtesting ergäben, das auf besonders günstigen Zeitperioden beruhe. Bei genauerem Hinsehen zeige sich, dass die Renditen – auf das reale Tagesgeschäft angewendet – deutlich tiefer oder sogar negativ ausfallen.
Letztlich hängt das Arbitragegeschäft auch immer von der eigenen Liquidität ab. So kann es auf einzelnen Handelsbörsen durchaus Arbitragemöglichkeiten geben. Doch als Händler muss man stets über die notwendige Liquidität verfügen, um allfällige Kurskorrekturen ausgleichen zu können.
Wer denkt, dass die Kryptowelt seine grössten Betrügereien zum heutigen Zeitpunkt schon hinter sich habe, könnte in Zukunft noch eines Besseren belehrt werden. Was, wenn der Bitcoin sein Allzeithoch von Dezember 2017 überschreitet und die Gesamtkapitalisierung des Kryptomarktes auf mehrere Billionen treibt? Die Scharlatane dürften mit noch grösserem Geschütz auffahren. Umso wichtiger ist, schon heute mit Aufklärungsarbeit zu beginnen.