Vor 11 Jahren hat Satoshi Nakamoto für die Krypto-Währungen Bitcoin wohl das erste Krypto-Whitepaper geschrieben. Es folgten unzählige für neue Krypto-Projekte. Einen Blick auf den Begriff Whitepaper und dessen rechtliche Einordnung.
Was ist ein Whitepaper
Ein Whitepaper ist laut Wikipedia ein Instrument der Öffentlichkeitsarbeit, das eine Übersicht über Leistungen, Standards und Technik, vor allem IT-Themen betreffend, gibt. Hierzu zählen auch Anwenderbeschreibungen, Fallstudien und Marktforschungsergebnisse. Whitepapers geben auf mehreren Seiten einen Überblick über Vor- und Nachteile, Kosten und Einsparpotenzial einer bestimmten Problemlösung. Im Grunde stellen Sie nur eine Idee dar und deren technische Umsetzung.
Das Whitepaper und das ICO
Beinahe jedes Krypto-Projekt hat ein Whitepaper veröffentlich und oft bildet es die Grundlage für das ICO. Dabei hat eine sehr interessante Wandlung stattgefunden. Während das Whitepaper von Satoshi ein kurzes, prägnantes, rein technisches Papier war, sind diese in den Jahren 2017 bis 2019 umfangreicher geworden und beinhalten jede Menge Informationen über das Team, den Geschäftsplan, die Token Zuteilung und unzählige Warnhinweise. Das einst ursprüngliche rein technische Papier hat sich innert kurzer Zeit einem Emissionsprospekt angenähert. Anwälte und weitere Berater waren an dieser Entwicklung sicher nicht ganz unschuldig. Und genau hier liegt die Krux.
Während die ursprünglichen Whitepaper lediglich eine Idee darstellten und deren technische Umsetzung skizzierten, sind die neueren Whitepaper zu richtigen Marketinginstrumenten mutiert, um möglichst viele Investoren anzulocken.
Marketing Unternehmungen haben dies auf die Spitze getrieben und aus dem Papier einen umfassenden Projektbeschrieb gemacht, in denen teilweise grosszügige Versprechungen an die Investoren gemacht wurden. Ob das besonders intelligent war, wird sich noch zeigen.
Die rechtliche Einordnung
Den Begriff «Whitepaper» rechtlich generell einem bekannten Rechtsinstitut zuzuordnen ist nicht möglich. Wie beschrieben, können Whitepaper total verschieden ausgestaltet sein. Nichts desto trotz kann allgemein festgehalten werden, dass die Aussagen im Whitepaper zumindest eine gewisse Vertrauensgrundlage für die Leser schaffen. Investoren dürfen grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Aussagen im Whitepaper wahr sind und die geplanten Aktivitäten auch umgesetzt werden.
Gewisse Whitepaper nähren sich aufgrund ihres Inhalts sehr stark einem Emissionsprospekt an. Hier aber sogleich auf einen Gleichlauf zu schliessen wäre verfehlt. Gemäss Schweizer Recht bestand für die wenigsten ICOs bisher eine Prospektpflicht und daher ist es nicht angemessen die Bestimmungen über die Prospektpflicht und Prospekthaftung analog anzuwenden. Anders sieht es freilich aus, wenn ein ICO oder ein STO tatsächlich der Prospektpflicht unterlag. In einem solchen Fall ist es denkbar, dass jeder der bei der Redaktion des Whitepapers mitgewirkt hat, für unrichtige, irreführende oder den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechende Angaben, gegenüber geschädigten Investoren haftet.
Haftung für fehlerhafte und irreführende Angaben
Neben der bereits erwähnten Möglichkeit einer Prospekthaftung für unrichtige und irreführende Angaben im Whitepaper, sollen vorliegend noch weitere Anknüpfungspunkte für eine allfällige Haftung erörtert werden. In aller Regel besteht nämlich keine Rückzahlungspflicht an die Investoren, wenn ein Projekt nicht erfolgreich lanciert wird.
Gerade Nutzungs-Token versprechen jedoch den Zugang zu einer digitalen Nutzung oder Dienstleistung, welche auf oder unter Benutzung einer Blockchain-Infrastruktur erbracht wird. Hier besteht ein obligationenrechtliches Verhältnis zwischen den Investoren und der Emittentin.
Ähnlich sieht es aus, wenn Mittel zur Entwicklung oder zum Aufbau eines Unternehmens oder einer Plattform gesammelt werden, welche erst in Zukunft Dienstleistungen erbringen soll. Sollte die Emittenten diesem Zusammenhang fehlerhafte oder irrenführende Angaben im Whitepaper veröffentlich haben oder die Mittel anders als geplant einsetzen, ist eine vertragliche Haftung zu prüfen.
Alternativ kann auch das Institut der Vertrauenshaftung herangezogen werden. Mit der Vertrauenshaftung werden Fälle erfasst, bei denen zwischen Schädiger und Geschädigtem eine rechtliche Sonderverbindung besteht, das heisst eine besondere Vertrauens- und Treuebeziehung. Es ist nicht abwegig zu argumentieren, dass sich Investoren auf die Aussagen im Whitepaper verlassen dürfen und dieses Grundlagenpapier ein schutzwürdiges Vertrauen begründet. Wird dieses Vertrauen durch die Emittentin in der Folge verletzt, ist eine Haftung denkbar. Allerdings ist zu sagen, dass das Institut der Vertrauenshaftung selten den gewünschten Erfolgt bringt. Die Praxis der Gerichte ist sehr streng.
Abänderbarkeit des Whitepapers
Letztlich soll noch kurz drauf eingegangen werden, ob ein Whitepaper überhaupt abänderbar ist. Diverse Projekte haben ihre Whitepaper im Laufe der Zeit abgeändert und neue Versionen publiziert. Solange dadurch nicht elementare Aussagen obsolet werden und es sich um produktseitige Verbesserungen handelt, ist dagegen nichts einzuwenden. Wird allerdings der ursprüngliche Zweck abgeändert oder gar aufgegeben, sieht es anders aus. Eine solch gravierende Abänderung ist unzulässig. Jeder Investor darf nämlich darauf vertrauen, dass das Projekt zumindest im Kern, wie im Whitepaper beschrieben, umgesetzt wird. Da helfen auch Abstimmungen der Tokenhalter nicht weiter, da jeder Investor alleine das Recht hat, die Umsetzung gemäss Whitepaper zu verlangen. Ansonsten hätte er nämlich nicht investiert.