Marktteilnehmer sowohl in der traditionellen als auch der digitalen Finanzwelt handeln oft emotional. Gier und Angst können deshalb potente Treiber für Marktentscheidungen darstellen, die sich über Beiträge auf sozialen Medien akzentuieren. Eine wissenschaftliche Analyse des Phänomens.
Der Wert von Bitcoin gegenüber dem USD stieg zwischen Januar 2013 und 2023 um durchschnittlich 130% pro Jahr. Erfolg zieht Privatinvestorinnen und -investoren an. Diese informieren sich oftmals über Social-Media-Kanäle wie Twitter über Trends und lassen sich vom herrschenden Sentiment beeinflussen.
Wenn ein Preis ohne fundamentale Ursache stark steigt, erhöht sich dadurch der ebenfalls nicht fundamental bedingte Spielraum nach unten. Die hohe Volatilität ist ein Merkmal des noch jungen Marktes. Die Mehrheit der Privatinvestorinnen und -investoren kann mit diesem Druck nicht umgehen. Die natürliche Eigenschaft des Menschen, sich durch Emotionen leiten zu lassen, führt dazu, dass Neueinsteigende oft am Ende eines Aufschwungs die höchsten Preise zahlen und diese Positionen bei einer Preiskorrektur in Angst vor dem totalen Zusammenbruch mit Verlusten verkaufen. Eine Kurzform des wissenschaftlich basierten Working Paper mit dem Titel "Bitcoin – wie Social Media Privatanlegende in ihrem Handeln beeinflussen."
Du könntest heute Millionär sein
"Hättest du 2013 bloss ein paar hundert Franken in Bitcoin investiert, könntest du heute Millionär sein." Dies gab ein Interviewpartner während der Datenerhebung schelmisch zu Protokoll. 40 Bitcoin sind beim heutigen Preis von 25'000 CHF pro Coin nötig, um sich Bitcoin-Millionär nennen zu können. Vor 10 Jahren waren diese 40 Bitcoin für rund 800 CHF (20 CHF pro Coin) kaufbar.
Die enormen Kursgewinne sind das stärkste Narrativ, das Privatinvestierende in den Markt hineinzieht. Die Gefahr, die Stimmung schaukelt sich in bullischen Phasen hoch. Die meistverbreitete Beitragsart sind positive Preisprognosen. Diese generieren Klicks, haben das Potenzial, FOMO (Fear of missing out – Angst, etwas zu verpassen) auszulösen und Privatanlegende zu unüberlegten Käufen zu verführen. Ein Beispiel eines typischen Tweets, um Reichweite zu generieren:
#Bitcoin Price Predictions:
JPMorgan: $130k
Citibank: $318k
ARK Invest: $400k
Guggenheim: $600kCurrent price: $59k
— Bitcoin Archive (@BTC_Archive) April 5, 2021
Kritische Auseinandersetzung mit Beiträgen notwendig
Wie stark ein Individuum auf positiv, respektive in einer Phase starken Preiszerfalls auf negativ konnotierte Informationen reagiert, und ob eine Handlung daraus entsteht, ist vom Motiv und den erlebten Emotionen eines Rezipienten, sowie dem Verhalten der konsumierten Influencer abhängig.
Der Uses-and-Gratifications-Ansatz geht davon aus, dass sich Rezipienten für das Medium entscheiden, das ihre Bedürfnisse (Motiv) am besten befriedigen kann. Das Involvement-Konzept beschreibt, dass sich ein Rezipient auch Tage nach dem Lesen eines Artikels noch mit dem Inhalt beschäftigen kann, wenn die Person direkt von den Entwicklungen betroffen ist. Dies heisst aber nicht, dass sich die Einstellungen nachhaltig ändern lassen. Je stärker ein beurteilendes Individuum in ein Thema involviert ist, desto weniger lässt es sich durch Überzeugung von anderen Meinungen beeinflussen. Das Wechselspiel zwischen den Emotionen "Gier" und "Angst" und die daraus resultierende erlebte Spannung wird über Zeit und mit Erfahrung kleiner. Folgt ein Rezipient mehrheitlich Influencern mit wertvollen Communities, ist die Person weniger anfällig, irrationale Entscheidungen zu treffen. Dafür muss in eigener Recherche "der Schrott von den guten Quellen getrennt werden."
Manipulation über Medien ist keineswegs ein neues Phänomen und die Mediengeschichte zeigt, dass es sich kaum mit Regulierung eliminieren lässt. Social Media beschleunigen die Wirkung von Beiträgen und vergrössern den Wirkungsraum, wodurch sich das Problem akzentuiert. Mein Ziel ist, zur kritischen Auseinandersetzung mit Medien zu motivieren. Die Fähigkeit zur kritischen Auseinandersetzung mit Medien und den eigenen emotionalen Reaktionen ist in allen Lebensbereichen von erheblichem Nutzen.