3.47 Milliarden USD Nettoabflüsse. Die US-amerikanischen Spot-Bitcoin-ETFs haben im November 2025 einen historischen Rekord verzeichnet – allerdings keinen positiven. Die elf börsengehandelten Fonds übertrafen knapp den bisherigen Negativrekord aus dem Februar 2025.
Die massiven Kapitalabzüge werfen ein Schlaglicht auf die Diskrepanz zwischen institutioneller Euphorie und tatsächlichem Anlegerverhalten. BlackRock verkündete am 29. November, dass Bitcoin-ETFs bereits zur umsatzstärksten Produktkategorie des weltweit grössten Vermögensverwalters aufgestiegen seien. Zeitgleich zogen institutionelle und private Investoren Milliarden aus genau diesen Produkten ab. Der 20. November markierte den Höhepunkt der Abflusswelle: An einem einzigen Handelstag verliessen 903 Millionen Dollar die Bitcoin-ETFs. Die Entwicklung zeigt: Institutionelle Adoption verläuft nicht geradlinig.
Historische Dimension der Abflusswelle
Die Kapitalabflüsse von 3.47 Milliarden Dollar im November übersteigen den bisherigen Monatsrekord vom Februar 2025 (etwa 3.3 Milliarden Dollar). Sie markieren eine fundamentale Veränderung im Anlegerverhalten. Im Einführungsmonat Januar 2024 verzeichneten die Bitcoin-ETFs noch Nettozuflüsse von 1.5 Milliarden Dollar – trotz massiver Abflüsse aus Grayscales GBTC strömten Milliarden in die neuen Produkte, getrieben von der Erwartung institutioneller Massenadoption. Nun folgt eine kleine Trendwende.
BlackRocks IBIT trug den Löwenanteil der Abflüsse. Der Fonds verwaltete im November noch rund 70 Milliarden Dollar – nach einem Höchststand von fast 100 Milliarden Dollar im Oktober. Die 2.34 Milliarden Dollar Abflüsse entsprechen etwa 3.3 Prozent des Fondsvermögens. Auch Fidelitys FBTC verlor 413 Millionen Dollar. Selbst kleinere Fonds wie der Bitwise Bitcoin ETF (BITB) verzeichneten Abflüsse von 60 Millionen Dollar. Kein ETF blieb verschont.
Die tägliche Volatilität der Kapitalflüsse erreichte im November neue Extreme. Der 20. November setzte mit 903 Millionen Dollar Abflüssen den negativen Spitzenwert. Auch der 13. November brachte massive Abflüsse von 867 Millionen Dollar. An anderen Tagen flossen moderate Summen zurück – am 21. November immerhin 238 Millionen Dollar. Panik? Eher kalkuliertes Aussteigen. Diese Schwankungen deuten auf Umschichtungen institutioneller Portfolios hin. Der Nettoeffekt bleibt eindeutig: Anleger reduzieren ihr Bitcoin-Exposure systematisch.
Das BlackRock-Paradox: Umsatzrekorde trotz Kapitalflucht
Die Ironie ist kaum zu übersehen. Am 29. November verkündete Cristiano Castro, Director of Business Development bei BlackRock Brazil, dass Bitcoin-ETFs innerhalb von nur 22 Monaten zur umsatzstärksten Produktkategorie des Konzerns aufgestiegen seien – gemessen an den Verwaltungsgebühren. Obwohl zeitgleich Milliarden Dollar abflossen. Wie passt das zusammen?
Die Antwort liegt in der Gebührenstruktur. BlackRock erhebt auf IBIT eine jährliche Verwaltungsgebühr von 0.25 Prozent auf das gesamte verwaltete Vermögen. Bei einem durchschnittlichen verwalteten Vermögen (AuM) von etwa 70 Mrd. USD im November entspricht dies annualisierten Gebühreneinnahmen von rund 175 Millionen Dollar – nur für diesen einen Fonds. Selbst bei Nettoabflüssen von 2,34 Milliarden Dollar bleibt eine massive Vermögensbasis erhalten, die kontinuierlich Gebühren generiert. BlackRocks Erfolg basiert nicht auf wachsendem Neugeschäft, sondern auf der schieren Grösse der bereits akkumulierten Bitcoin-Bestände.
Die Abflüsse lassen sich unterschiedlich interpretieren. Die ursprüngliche Narrative von Bitcoin als Inflationsschutz und Portfolio-Diversifikator hat sich in der Realität bisher nicht vollständig bewahrheitet: Die Korrelation zu Tech-Aktien blieb phasenweise hoch. Analysten sprechen von taktischer Rebalancierung nach einem Jahr mit erheblichen Kursgewinnen – nach einem derartigen Anstieg sind Gewinnmitnahmen ein normaler Marktmechanismus. Die Dimension der Abflüsse – 3.5 Milliarden in einem Monat – zeigt allerdings, dass institutionelle Investoren Bitcoin weiterhin als zyklisches Asset behandeln.
Reifeprozess statt Ernüchterung: Bitcoin-ETFs im Kontext
Die Einführung der Spot-Bitcoin-ETFs im Januar 2024 wurde als Meilenstein der Krypto-Geschichte gefeiert. Erstmals konnten institutionelle Investoren reguliert und über traditionelle Brokerage-Konten in Bitcoin investieren, ohne die Komplexität von Wallets und Custody-Lösungen. Die SEC-Genehmigung galt als Ritterschlag für die gesamte Branche. Analysten prognostizierten Zuflüsse von 10 bis 50 Milliarden Dollar innerhalb der ersten zwei Jahre. Die Realität entwickelte sich differenzierter. Die ersten Monate brachten massive Zuflüsse – kumuliert etwa 28 Milliarden Dollar bis August 2024. Die Daten zeigen ein Muster, das traditionellen Momentum-Investments gleicht: Zuflüsse in Bullenmärkten, Abflüsse bei Korrekturen. Dieses zyklische Verhalten entspricht der frühen Adoptionsphase eines neuen Finanzprodukts – auch Gold-ETFs durchliefen ähnliche Phasen, bevor sie als Portfolio-Beimischung akzeptiert wurden.
Vergleicht man Bitcoin-ETFs mit anderen ETF-Einführungen, wird die höhere Volatilität deutlich. Gold-ETFs wie der SPDR Gold Trust (GLD) verzeichneten nach ihrer Einführung 2004 zwar auch Schwankungen, aber keine derart extremen monatlichen Abflüsse in Relation zum Gesamtvermögen. Der Unterschied: Gold gilt als etablierte Vermögensklasse mit Jahrhunderten an Preishistorie, Bitcoin existiert erst seit 2009. Diese höhere Volatilität ist charakteristisch für die frühe Phase eines innovativen Finanzprodukts und könnte sich mit zunehmender Marktreife normalisieren.
Die Liquiditätsdynamik wirkt in beide Richtungen. An Tagen mit hohen Abflüssen müssen ETF-Emittenten Bitcoin am Spotmarkt verkaufen, was zusätzlichen Preisdruck erzeugt. Im November führte dies zu Abwärtsdruck: Abflüsse drückten den Bitcoin-Kurs, was weitere Gewinnmitnahmen motivierte. Dieser Mechanismus unterscheidet sich von direktem Bitcoin-Besitz – funktioniert aber genauso bei Aufwärtsbewegungen, wo ETF-Zuflüsse den Kurs zusätzlich befeuern. Die ETF-Struktur verstärkt somit die natürliche Marktvolatilität von Bitcoin.
Ausblick: Konsolidierung oder Trendwende?
Markieren die November-Abflüsse eine temporäre Korrektur oder eine längerfristige Konsolidierung? Die Mehrheit der Analysten deutet die Entwicklung als normalen Marktzyklus. Das makroökonomische Umfeld spielt eine zentrale Rolle. Die Zinspolitik der Federal Reserve bleibt restriktiv, solange die Inflation über dem Zwei-Prozent-Ziel liegt. Solange US-Treasuries vier bis fünf Prozent risikofreie Rendite bieten, konkurrieren sie mit Bitcoin um institutionelles Kapital. Eine deutliche Fed-Zinssenkung – erwartet für Mitte 2026 – würde das Umfeld grundlegend ändern und Bitcoin als alternatives Investment attraktiver machen.
Die institutionelle Bitcoin-Adoption verläuft schlussendlich nicht linear, sondern folgt denselben zyklischen Mustern wie der gesamte Krypto-Markt. Bitcoin entwickelt sich schrittweise von einem spekulativen Asset zu einer etablierten Anlageklasse – ein Prozess, der Jahre dauert und von Konsolidierungsphasen geprägt ist. Die ETF-Struktur ermöglicht institutionellen Investoren erstmals regulierten Zugang, beschleunigt aber auch die Marktzyklen durch erhöhte Liquidität. Trotz der aktuellen Abflüsse bleibt das Fundament intakt: Über 113 Milliarden USD institutionelles Kapital verbleiben in Bitcoin-ETFs – ein Vielfaches dessen, was vor der ETF-Zulassung für möglich gehalten wurde. Die langfristige Perspektive bleibt positiv, auch wenn der Weg dorthin volatil verläuft.








