Ein Interview mit Prof. Dr. Michaela Hönig, Sachverständige im Deutschen Bundestag zu Digitalen Währungen, anlässlich ihres neu erschienen Buches: "ICO und Kryptowährungen - Neue digitale Formen der Kapitalbeschaffung".
CVJ.CH: Ihr kürzlich erschienenes Buch handelt unter anderem von Möglichkeiten und Grenzen von ICO’s. Die Grenzen konnten mittlerweile gut beobachtet werden. Wie sehen sie die Zukunft zur Kapitalaufnahme über Token im generellen? Sind STO’s nun die konforme Lösung zu ICO’s?
Prof. Dr. Michaela Hönig: Bisher wurden Token im Gegensatz zu den Coins nicht primär als Zahlungsmittel eingesetzt. Sie repräsentieren einen Vermögenswert oder ein Wirtschaftsgut. Es gibt verschiedene Varianten von Tokens: Utility, Equity auch Asset und Security Token Offering (STO). Utility Token sind mit einem speziellen Nutzen verbunden. Dieser Nutzen wird in dem jeweiligen Whitepaper des Projekts festgehalten und genau definiert. Bisher waren 95% der Token im Internet sogenannte Utility Tokens.
Bei STO´s muss man sich die Ausgestaltung ansehen ggf. ist eine BaFin-Genehmigung notwendig, weil es sich um eine gewerbliche Tätigkeit im Finanzsektor handelt und hier gewisse regulatorische Vorschriften gelten und zu befolgen sind. So kann es unter Umständen nötig sein, ein Prospekt nach dem Wertpapierprospektgesetz zu erstellen.
Ich persönlich sehe die ICO´s der ersten Generation wie Spieltoken an (das waren fast alles Utilitys). Die Token Economy steckte noch in den Kinderschuhen, es gab kaum ausgereifte Geschäftsmodelle und die fehlende Regulierung verführte betrügerische Unternehmen zu Scams. Durchdachte, betriebswirtschaftlich ausgereifte, zukunftsfähige Konzepte waren da schon selten.
Mittlerweile hat sich der Markt weiterentwickelt, ist seriöser, das Segment Security Token wird weiterwachsen und für wird mittlerweile auch von kommerziellen Finanzinvestoren nachgefragt.
CVJ.CH: Sie haben den Handel und Börsen von Kryptowährungen analysiert, inklusive Aspekte einer Blasenbildung. Welche Erkenntnisse haben sie aus dieser Analyse gezogen?
Prof. Dr. Michaela Hönig: Die Symptome, ob eine Finanzblase sich bildet oder vorliegt sind die Parameter: Marktkapitalisierung (Größe), Adressenkonzentration (Hausfraueneffekt) und Contagion (Ansteckung auf andere Märkte, beispielsweise derivative Märkte. Nach dem Kryptohype im vierten Quartal 2017, wurden diese Untersuchungen auf Bitcoin durchgeführt. In allen drei Kategorien konnten wissenschaftlich keine positiven Befunde bestätigt werden. Was dann folgte bestätigte unsere Untersuchungsvorhersage: Im Jahr 2018 erfolgten massive Kurseinbrüche bei fast allen Kryptowährungen, ohne Ansteckung auf andere Assetklassen, den Finanzsektor oder die Realwirtschaft.
CVJ.CH: Sie vergleichen die Blockchain Technologie von Bitcoin als ungeeignet und veraltet für aktuelle Anwendungsmöglichkeiten. Dazu schreiben sie, dass es diese erste Blockchain Generation nicht in einem angemessenen Zeitraum von 24 Monaten geschafft hat sich zu etablieren. Können sie das detaillierter ausführen, vielleicht im Kontext zu anderen Technologien des Internets welche sich über Jahre entwickelten wie beispielsweise E-Mail oder http? Die aktuell bestehende (Bitcoin) Blockchain-Technologie beschreiben sie als instabil, teuer, komplex und mit wenig praktischem, skalierbarem Nutzen bestückt. Ist der aktuelle dezentrale Werttransfer über die Blockchain mit Bitcoins noch nicht ausgereift genug, oder sogar instabil?
Prof. Dr. Michaela Hönig: Wesentliche Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Produkteinführung am Markt sind die Parameter: Umsetzbarkeit, Marktpotenzial, Risiken bei Entwicklung und Markteinführung, Kosten und Ressourcenbindung, Innovationsgrad, Rechtliche und gesellschaftliche Werte und Normen, Kundenkontakt und Kundeservice.
Das Scheitern der Platzierung der Blockchain Technologie am Markt liegt aus meiner Sicht daran, weil es viele (IT) Bestrebungen am Markt gab, die aber nicht fokussiert aus einer Kraft heraus die richtige Richtung (Markt,- Kundenanalyse) als übergreifendes Projekt durchgeführt haben. Blicken wir jetzt aktuell auf Libra von Facebook, könnte sich die Währung nach Klärung der aufsichtsrechtlichen und regulatorischen Behandlung am Markt sehr schnell etablieren.
CVJ.CH: Ein Thema mit großer Zukunft sehen sie in der Tokenisierung von Assets. Ist die liquide Beteiligung für den Kleinanleger an einem großen illiquiden Asset bereits in naher Zukunft möglich? Welche Voraussetzungen braucht es für die Umsetzung von Tokenisierungs-Prozessen?
Prof. Dr. Michaela Hönig: Wir sind mit dem Token Markt nicht mehr in den Kinderschuhen aber auch noch nicht im Erwachsenenalter angekommen. Wichtig ist, dass der Markt für Anleger und Verbraucher sicher wird. Dazu müssen Gesetze und Regularien sich global etablieren. Soweit sind wir momentan noch nicht und es gibt noch zu viele schwarze Schafe am Markt. Ich persönlich weise Anlegern auf die bestehenden Unsicherheiten/Risiken sowie die auch mögliche hohe Volatilität und ein damit verbundenes mögliches Verlustrisiko der Tokens explizit hin.
CVJ.CH: Welche Auswirkungen wird die Blockchain Technologie ihrer Meinung nach für die Finanzbranche und Kapitalmärkte im generellen in den nächsten Jahren mit sich bringen?
Prof. Dr. Michaela Hönig: Nun - die Entwicklungen schreiten weiter voran, wir brauchen regulierungskonforme Blockchain Lösungen für börsengehandelte Assetklassen. Das wird sich in den nächsten 1-3 Jahren durchsetzen.
CVJ.CH: Sind private Stablecoins wie beispielsweise Libra eine komplementäre Alternative zu bestehenden Währungen?
Prof. Dr. Michaela Hönig: Staatliche Währungen bzw. Geld erfüllen nach der Definition der Deutschen Bundesbank drei Eigenschaften: Tausch-/Zahlungsmittel, Recheneinheit und Wertaufbewahrungsmittel. Digitale Währungen und Kryptowährungen sind als digitale Recheneinheiten anzusehen. Die Funktionen der Wertaufbewahrung und Zahlungsfunktion erfüllen sie nur bedingt.
Die BaFin definiert Kryptowährungen als digitale Abbildung von Wert, die nicht von einer Zentralbank oder Behörde geschaffen werden und auch keine Verbindung zu gesetzlichen Zahlungsmitteln haben. Sie werden von natürlichen und juristischen Personen als Zahlungs- und Tauschmittel verwendet und können digital verwahrt, gehandelt oder übertragen werden.
Anders als bei Zentralbankgeld, dass Notenbanken theoretisch unbegrenzt ausgeben können, und Buchgeld, das von Geschäftsbanken geschaffen wird, erfolgt die Generierung neuer Werteinheiten über ein mathematisches Verfahren innerhalb eines Computernetzwerks. Diese Generierung wird als „Mining“ bezeichnet.
Bei Libra handelt es sich um eine digitale Recheneinheit, die im Tausch gegen etablierte Währungen zu erwerben ist. Der Transfer innerhalb des Libra-Netzwerkes soll schneller, einfacher und billiger sein, als in den herkömmlichen Zahlungsverkehrssystemen und bei bisherigen Kryptowährungen wie Bitcoin.
Anders als bei bisher bekannten Kryptowährungen soll Libra einen intrinsischer Wert haben um die Kursvolatilität niedrig zu halten. Der Libra Coin soll durch eine Reserve gestützt werden, die aus Einlagen und kurzfristigen Staatsanleihen besteht. Wenn Libra über die Reserve an einer staatlichen Währung gekoppelt ist, wäre auch die Inflationsbewegung eins zu eins.
Das staatliche Monopol zur Geldschöpfung sollte nicht von privaten Konzernen beeinflusst werden. Die Akteure sollten daher in Anbetracht der dargestellten Risiken denselben aufsichtsrechtlichen Normen unterliegen und diese erfüllen wie Kreditinstitute und Zahlungsverkehrsdienstleister. Dies bedingt einer nationalen oder internationalen Aufsicht des Konzerns bzw. der Libra-Association.
Es ist davon auszugehen, dass eine private Währung von einer privaten Association Interessen hat, die vom Gemeinwohl weiter entfernt sind, wie die Interessen einer Zentralbank.
Facebook hat hervorgehoben, in der Schweiz eine unabhängige Non-Profit-Organisation zu gründen. Weder Facebook, noch fast alle weiteren Gesellschafter sind Non-Profit-Organisationen. Nach unserer Meinung strebt die Libra-Association Erfolge aus der Verbindung von Werbegeschäft, Zahlungsverkehrsdienstleistungen, E-Commerce sowie aus der Verwertung der dabei anfallen Daten an.
Prof. Dr. Michaela Hönig ist Sachverständige im Deutschen Bundestag zum Thema „Digitale Währungen“.