CV VC ist ein junger Risikokapitalgeber mit besonderem Fokus auf Startups, die im Bereich der Blockchain-Technologie arbeiten. Ein Gespräch mit Gründer und CEO Mathias Ruch über die Blockchain-Revolution, Startup-Finanzierung und das Crypto Valley.
Den Grundstein des Crypto Valleys kann man bis 2013 zurückverfolgen. Der Finanzplatz Schweiz und der Boom in der Fintech-Branche hatten dabei einen wesentlichen Einfluss auf dessen Entwicklung. Durch die Politik und den Regulator konnte schon früh die nötige Rechtssicherheit und damit der Grundstein für Wachstum gelegt werden. Mittlerweile beschäftigen sich zahlreiche Unternehmen mit der Einführung von digitalen Vermögenswerten, Kryptowährungen und der dezentralen Infrastruktur. Über die Jahre erfreute sich der Raum über neue Firmenansiedlungen und stetige Entwicklung. Inzwischen besteht ein Ökosystem aus mannigfaltigen Firmen rund um die Blockchain Technologie inklusive Spezialisten für Digitale Assets mit Banklizenz. Ein wichtiger Pfeiler der Innovation stellen Startups dar. Deren Finanzierung wird unter anderem von spezialisierten Risikokapitalgebern sichergestellt.
Ein Gespräch mit dem Gründer und CEO des Venture Capital Spezialisten CV VC, Mathias Ruch, über die Blockchain-Revolution, Startup-Finanzierung und das Crypto Valley.
CVJ.CH: Wie kam es zur Gründung von CV VC?
Mathias Ruch: Es war auch etwas Glück dabei, dass sich Ralf Glabischnig, Marco Bumbacher und ich gefunden haben, um 2016 Lakeside Partners, die Vorgängerfirma von CV VC, zu gründen. Marco und ich hatten bereits vor 20 Jahren das Software-Startup Joya ins Leben gerufen, aus dem später die TV-Sendung "Joya rennt" wurde. Er und Ralf gründeten 2009 das IT-Unternehmen inacta. Ich war weiterhin in der Medien- und Startup-Szene unterwegs. Etwas später stiess Olaf Hannemann dazu, der mit seiner Erfahrung aus 20 Jahren bei JP Morgan das Know-how aus dem Investmentbanking einbrachte. Wir erkannten bald, dass vor unserer Haustüre etwas absolut Neu- und Einzigartiges entsteht, das Crypto Valley, das die Blockchain-Revolution vorantrieb.
Anstatt in die Spekulationsblase zu investieren, beschlossen wir, unsere Ressourcen in den Aufbau eines lokalen Ökosystem für diese neuen Blockchain-Startups einzusetzen. Wir unterstützten die Unternehmer und Visionäre mit Expertise, Veranstaltungen und Co-Working Spaces, um die Vernetzung aller Akteure voranzutreiben. Wir organisierten thematische Wettbewerbe, internationale Konferenzen, waren Co-Gründer der Crypto Valley Association und der Swiss Blockchain Federation und begannen erst später, 2018, mit dem Aufbau eines systematischen und strategischen Investitionsmodell.
Warum erst 2018?
Anfangs 2018 begann sich abzuzeichnen, dass dem ICO-Hype ein Ende naht. Die Korrektur war wichtig und ebnete den Boden für nachhaltige, langfristig orientierte Projekte. Man kann auch sagen, dass der gesunde Menschenverstand zurück im System war. In CV VC kamen schliesslich sämtliche Aktivitäten zusammen. Dazu gehörte insbesondere auch CV Labs, sozusagen das Herzstück des Crypto Valley. Hier findet auch unser dreimonatiges Inkubationsprogramm statt, in dem Investoren-Pitches, Businesspläne und Prototypen mit Spezialisten weiterentwickelt und perfektioniert werden.
Seit einigen Jahren sind Sie an vorderster Front in der Blockchain-Welt dabei. Wie zufrieden sind Sie mit den Entwicklungen in der Schweiz?
Ich verstehe mich als Ermöglicher und Brückenbauer. Ich bin überzeugt, dass die Technologie ähnliches Potenzial hat wie das Internet, das vor 30 Jahren am CERN, bei Genf, entwickelt wurde. Das Problem ist, dass die hohen Erwartungen, welche im Rahmen des ICO-Hypes geweckt wurden, nicht erfüllt werden konnten: die Entwicklung schreitet langsamer voran, das Potenzial ist (noch) nicht sichtbar und der Nutzen (noch) zu wenig greifbar. Es ist wichtig, die Akteure im Crypto Valley zu vernetzen und dem Ökosystem ein Gesicht, eine Identität zu geben. Daneben muss aber auch die Wissenschaft und vor allem die Politik miteinbezogen werden, denn nur so kann das Potenzial entfaltet werden.
Wie haben Sie das konkret gemacht?
Wir organisierten verschiedene Roundtables und Treffen mit Mitgliedern des Parlaments und den Spitzen des Finanz- und des Volkswirtschaftsdepartements, luden Bundesräte nach Zug, um zu zeigen, welches Potenzial Blockchain für die Schweiz im globalen Kontext bietet und dass die gesamte Branche verlässliche und zukunftsgerichtete Rahmenbedingungen wünscht. Dass sowohl der National- als auch Ständerat dieses Jahr der neuen Blockchain-Gesetzgebung ohne Gegenstimme zugestimmt haben und die Schweiz somit ab Sommer 2021 eine der weltweit fortschrittlichsten und innovativsten Regulatorien der Welt hat, stimmt mich sehr zuversichtlich. Zudem ist unser Ökosystem reifer geworden; wir haben regulierte Player, die mit der Infrastruktur für den Finanzmarkt von Morgen einer globalen Nachfrage begegnen können.
Wieso sind Sie überzeugt, dass das Crypto Valley das Rennen als globalen Blockchain-Hub machen wird?
Die Gelegenheit ist riesig. Wir können es uns nicht leisten, unseren hart erarbeiteten Vorsprung anderen zu überlassen, welche inzwischen stark aufgeholt haben. Das Ökosystem, das gesamte Crypto Valley muss zusammenrücken, das Angebot aller Anbieter gebündelt und einem Weltmarkt präsentiert werden. Ich gehe davon aus, dass gerade in der Finanzbranche, die in der Schweiz und in Liechtenstein stark verwurzelt ist, durch die Ausbreitung neuartiger digitaler Vermögenswerte Innovationssprünge zu erwarten sind.
Der Weg für den Sekundärhandel wird geebnet, denn er ist zentral für den Erfolg digitaler Assets. Zudem sehe ich, dass mittlerweile die meisten Konzerne das Potenzial der Technologie erkannt haben und eigene Projekte und Produkte realisieren. Schön wäre es, wenn die Investoren, die dieses Jahr Corona-bedingt etwas vorsichtiger geworden sind, ihre Zurückhaltung ablegen und das Potenzial der Blockchain Nation Switzerland tatkräftig unterstützen würden.
Auf was achten Sie besonders, wenn sie sich für oder gegen ein Startup Investment entscheiden? Welche Voraussetzungen muss ein Startup mitbringen?
Die Standardantwort lautet das richtige Team mit einer tollen skalierbaren Idee zur richtigen Zeit am richtigen Ort! Etwas umfassender bedeutet es, dass man viel Zeit mit den Gründern verbringen muss: Erfolgreiche Startups haben ein Team, das unterschiedliches Know-how und verschiedene Charaktere vereint. Die Founders müssen sich ergänzen und in der Lage sein, Diskussionen, Widersprüche und Kurskorrekturen zu ertragen. Timing auf der anderen Seite kann dem besten Team zum Verhängnis werden, wenn ein tolles Produkt zu früh in den Markt kommt, keine Käufer findet und dem Startup die Luft ausgeht – besonders heikel im derzeitigen Pandemie-Umfeld. Skalierbar heisst in der digitalen Welt sowieso immer global – ein Mindset, das zur Grundvoraussetzung sämtlicher Startups gehört, die wir unterstützen. Das heisst natürlich nicht, dass ein Produkt oder eine Dienstleistung nicht zuerst in einem lokalen Markt getestet und lanciert werden kann.
Wie kommt nun die Blockchain-Technologie ins Spiel?
Ganz zentral ist, dass unsere Startups ein konkretes Problem mit der Blockchain-Technologie lösen wollen. Dahinter muss mehr als eine Absichtserklärung oder eine Idee stecken und wir müssen einen konkreten Umsetzungsplan erkennen können. Wir überprüfen natürlich eine Vielzahl von Faktoren und die Startups durchlaufen einen mehrstufigen Selektionsprozess – von der Screening Phase, über mehrstufige Interviews, vertiefender Due Diligence bis hin zu unserem finalen Investitionskomitee.
Wie sieht der Deal aus, der den Startups angeboten wird?
CV VC investiert auf zwei Arten in Startups. Einerseits über unser Inkubationsprogramm mit einem fixen Angebot an ganz junge Startups, andererseits über einzelne selektive Investitionen in ausgesuchte Startups, die schon etwas weiter in Ihrer Entwicklung sind.
Im Rahmen des Inkubationsprograms erhalten Startups ein Investment von bis zu CHF 125‘000 und durchlaufen ein dreimonatiges Inkubationsprogramm. Wir erhalten dafür 10% Eigenkapitalbeteiligung in Form eines Convertible Loans. Nach dem Selektionsprozess werden die 10 bis 20 ausgewählten Startups nach Zug ins Inkubationsprogramm eingeladen. Sie verpflichten sich, in dieser Zeit in der Schweiz zu wohnen und an den Workshops, sowie Eins-zu-eins-Sessionen mit den Experten teilzunehmen. In dieser Zeit lernen sie auch die wichtigsten Akteure des Crypto Valley kennen, einschliesslich Investoren. Nach dem Programm werden die Startups von uns begleitet und gecoacht. Wir bringen sie mit Investoren in Kontakt und bieten ihnen Auftrittsmöglichkeiten.
Und wie gehen Sie bei den selektiven Investitionen vor?
In diesem Fall ist sowohl die Investitionssumme als auch die Bewertung abhängig vom Reifegrad des Startups, wobei unser Fokus klar auf Startups in den frühen Seed, Pre-Series A, und Series A Finanzierungsrunden liegt. Die Bewertungen liegen dort je nach Entwicklungsstand zwischen 3 und 20 Millionen, unsere Investments liegen zwischen CHF 100‘000 und 500‘000. Wir sind dank unserer Rolle im Ökosystem, unserer eigenen CV Labs in Zug, Vaduz und Dubai und der globalen Vernetzung ein guter Partner für die Startups.
Über unsere Beratungstätigkeit haben wir eine gute Verbindung zur Wirtschaft, Investoren und der Politik. Über eigene Events - von kleineren Meetups bis hin zu unseren CV Summits mit über 1‘000 Teilnehmenden - bieten wir unseren Startups spezifische Möglichkeiten, ihre Vision einem breiten Publikum nahe zu bringen.
Startup-Finanzierung hört sich ein bisschen nach einem Hobby für Superreiche an - ist das nicht äusserst risikoreich?
Startups sind das Rückgrat jeder innovationsgetriebenen Wirtschaft. Ein Volk, das seine Wirtschaft ausbauen will, ist auf Unternehmer angewiesen, die Opportunitäten erkennen, Risiken eingehen und Menschen begeistern können. Früher hiessen Startup-Unternehmer Alfred Escher, heute Niklas Nikolajsen. Weil Startups zu Beginn noch keine marktreifen Produkte und damit keine Umsätze haben, brauchen sie Investoren, seien dies Einzelpersonen, Unternehmen oder Venture Capital Fonds.
In einzelne Startups zu investieren ist in der Tat grundsätzlich ein riskantes Geschäft, denn Investitionen in der Frühphase eines Unternehmens haben inhärente Risiken und erfordern oft hohen Kapitalbedarf, bis ein gewinnbringendes Geschäftsmodel entsteht. Daher ist es aus Investorensicht absolut entscheidend, einerseits nur in Personen, Firmen und Industrien zu investieren, die man gut versteht, und andererseits eine hohe Diversifikation zu erreichen. Nur hierdurch ist eine gute Risikooptimierung möglich.
Wie hoch ist die Ausfallrate von Startups ungefähr?
Sie liegt irgendwo zwischen 80 und 90%. Doch es ist normal, dass es viele tolle Ideen nicht bis zur Marktreife schaffen und man den einen oder anderen Abschreiber hat. Letztendlich braucht es also bei einem Portfolioansatz einige wenige Startups, die eine ausgezeichnete Entwicklung haben und eine hohe Wertsteigerung erzielen, damit Investitionen übers Ganze betrachtet rentabel werden. Hierin liegt unsere eigentliche Existenzberechtigung: in der Branchenexpertise, im Netzwerk und in der Möglichkeit der breiten Portfoliodiversifikation.
Schreibt sich das nicht jeder Risikokapitalgeber auf die Fahne?
Was CV VC von anderen unterscheidet: Wir sind überzeugt vom Ökosystem-Ansatz und haben zwei Prinzipien verinnerlicht: 1. Die konsequente Ausrichtung auf eine disruptive Technologie, auf Blockchain. Vor 30 Jahren wurde in der Schweiz das Internet erfunden, doch die grosse Kommerzialisierung fand weder in der Schweiz noch in Europa, sondern in den USA und in China statt. Jetzt haben wir die Chance und die Möglichkeit, in der Schweiz in die nächste Welle globaler Technologie-Unternehmen zu investieren. 2. Damit eine Technologie den Durchbruch schafft, braucht es ein Ökosystem, wie das in den 1990er-Jahren im Silicon Valley der Fall war. Wir haben gezielt in dieses Ökosystem mit dem Namen Crypto Valley investiert, mit CV Labs und unseren Veranstaltungen, um die richtigen Leute zusammenzubringen, Visionäre, Unternehmer, Investoren, Entwickler, Juristen, Akademiker, … Dieses Ökosystem ist ein fruchtbarer Nährboden, auf dem das Crypto Valley gedeiht.
Auf welche Beteiligung in ihrem Portfolio sind sie besonders stolz?
Das ist eine schwierige Frage, denn jedes einzelne Investment haben wir aus voller Überzeugung gemacht. Wir sind stolz auf jedes einzelne Startup, weil jedes Teams leidenschaftlich am Ball ist, unbeirrt nach vorwärts schaut und hungrig ist nach Erfolg. Deshalb möchte ich kein einzelnes Unternehmen hervorheben.
Das ist jetzt sehr diplomatisch ausgedrückt. Sie haben sicher Ihre Lieblinge?
Also gut, sagen wir es so: Als erstes hebe ich die Breite in unserem noch jungen Portfolio hervor: Stolz macht es uns, dass wir es geschafft haben, in nicht einmal 18 Monaten in 27 spannende Startups aus 16 Ländern und 4 Kontinenten zu investieren. Dass die Anwendungen und Endmärkte unserer Startups so unterschiedlich sind, verdeutlicht das besondere Zukunftspotenzial der Blockchain-Technologie.
Einige Startups sind bereits sehr erfolgreich: zwei haben ihre Bewertung verdoppelt, eines ist dabei, die Bewertung zu verfünffachen, und ein anderes hat 725'000 Euro an Fördergeld geholt.
Nach welchem Ansatz investiert CV VC?
Unser Portfolio ist voll auf Blockchain Technology For Tomorrow – T4T ausgerichtet. Das sind Endmärkte und Anwendungen, von denen zu erwarten ist, dass sie in Zukunft überproportional wachsen werden, angetrieben durch aktuelle sozioökonomische Trends. Daher konzentrieren wir uns auf folgende sechs Sektoren: Zukunft der Arbeit, E-Commerce & Logistik, Lifestyle & Gesundheit, IT-Sicherheit & Identität, Bildung & Wissenschaft sowie Finanzen & Investments. Wir sind davon überzeugt, dass die Blockchain-Technologie eine Katalysatorrolle für innovative Lösungen in all diesen Sektoren einnehmen wird.
Mit ihrem neusten Produkt erlauben sie "normalen“ Investoren Zugang zu Investitionen, wie es vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Was treibt sie an und wie geht es weiter?
Uns treibt das Potenzial der Blockchain-Technologie und die Zusammenarbeit mit jungen, engagierten Startups an. Das wird nun einer breiteren Gruppe von Investoren zugänglich gemacht – ein wichtiger Schritt für uns. Gemeinsam mit den Spezialisten von GenTwo Digital und der MRB Vermögensverwaltungs AG lancieren wir ein sogenanntes Actively Managed Certificate (AMC). Das ist ein Schweizer Wertpapier mit ISIN Nummer, welches einfach über bestehende Bankpartner ins eigene Depot gebucht werden kann. Aufgrund der Risikoklasse von Venture Capital müssen Käufer qualifizierte Investoren nach Schweizer Recht bzw. demjenigen Ihres Landes sein. Bei grossen Venture Capital und Private Equity Funds sind die Minimalanforderungen oft um ein Vielfaches höher als bei uns.
Mathias Ruch studierte Wirtschafts- und Medienwissenschaft und ist seit 20 Jahren als Unternehmer und Investor in der digitalen Startup-Szene tätig. Er gründete, leitete und verkaufte zahlreiche Unternehmen, darunter FaroTV und die Innovationsplattform Atizo. Heute ist er eine treibende Kraft in der Entwicklung des globalen Blockchain-Startup-Ökosystems und Mitbegründer der Swiss Blockchain Federation.