Als 2013 die erste Kryptofirma in Zug gegründet wurde, konnte niemand wissen, dass die Schweiz fünf Jahre später weltweit als Krypto-Nation gefeiert wird. Ein Interview mit dem Autor.
Ende 2018 bestand das Blockchain-Ökosystem aus über 3300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und mehr als 600 Firmen. Die Schweiz gehört somit zu den führenden Ländern beim Vorantreiben dieser pozentiell disruptiven Technologie. Mittlerweile wird von Zürich über Basel bis nach Genf geforscht, gegründet und gehandelt. Sogar etablierte Banken mischen mit. Alexander Brunner hat mit Startup-Gründern, Investoren, Professoren, Juristen, Bankern bis hin zu Persönlichkeiten der Finanzmarktaufsicht Gespräche geführt. Auf der Grundlage von über 90 Interviews zeigt nun dieses Buch auf, wie die Krypto-Nation Schweiz innert kürzester Zeit zu einem weltweiten Erfolg wurde.
Wir konnten vor der heutigen Veröffentlichungsparty mit dem Autor Alexander E. Brunner über das Buch sprechen:
Herr Brunner, vielleicht zuerst zur Gesamtübersicht. Sie erwähnen in ihrem Buch, dass sich in der Schweiz seit 2013 bis zum heutigen Tage, ein Ökosystem von über 600 Firmen mit mehr als 3'300 Mitarbeitern ent-wickelt hat. Was oder wer hat ihrer Ansicht nach, den Grundstein zu dieser Entwicklung gelegt?
Den Grundstein des Crypto Valleys kann man eigentlich bis 2013 zurückverfolgen. Es war ursprünglich eine Gruppe von Ausländern die in die Schweiz gekommen sind, unter anderen Niklas Nikolajsen oder Johann Gevers. Sie wurden von der Schweiz angezogen weil sie die Idee von Bitcoin und Blockchain verbreiten wollten und die Schweiz dafür als guten Standort empfunden haben. Das entwickelte sich 2014 durch die Ethereum Foundation und mit Xapo weiter und so bildete sich nach und nach eine Community.
In ihrer Recherche über die Krypto Nation Schweiz haben sie über 90
Interviews geführt. Welche Impressionen haben sie dabei erleben können,
respektive gibt es bestimmte Charaktere welchen sie einen besonderen Platz
zurechnen würden, den ganzen Bereich stetig vorwärts getrieben zu haben?
Ich glaube es wäre etwas vermessen, wenn ich da einzelne Personen herauspicken würde. Ich habe sehr spannende Programmierer kennengelernt, die zuvor schon seit längerem in der «Cypherpunk-Bewegung» in Kalifornien aktiv waren. Ich habe Politiker getroffen, wie beispielsweise Ruedi Noser, der bereits anfangs 2013 den Weg nach Bern geebnet hat und wichtige Kontakte zur Regierung hergestellt hat. Mark Branson, CEO der FINMA, treibt seit 2015 die Entwicklung voran. Es gibt aber auch unzählige Unternehmer und Entrepreneure welche geholfen haben mit Investitionen das Krypto-Ökosystem im Crypto Valley voranzutreiben.
Zur Startup Landschaft welche sich im Blockchain-Bereich hier niedergelassen hat. Warum hat sich die Schweiz, trotz internationalem Wettbewerb, als Standort durchsetzen können?
Warum sich die Schweiz international hervortun konnte? Sicherlich war die Anfangserfahrung welche mit den ersten Unternehmen in diesem Bereich gemacht werden konnte ein Grundstein. Schon 2013 wurden beispielsweise mit Bitcoin Suisse erste Erfahrungen gesammelt. Der Regulator, welcher die nötige Rechtssicherheit für eine Branche vorgibt, ist bereits seit 2015 aktiv. Das ist international gesehen sehr früh für den Blockchain-Bereich. Die FINMA hat zuerst ICO Guidelines veröffentlicht, dann Banklizenzen vergeben und so wurde schlussendlich auch die Libra-Association angezogen. Somit wurde von Anfang an auch bereits weltweite Aufmerksamkeit geschaffen. Co-Working Spaces in Zürich und Zug entwickelten sich und die Uni Basel, sowie später auch die ETH konnten mit ihren Angeboten Programmierer anziehen, welche wichtig waren um die Blockchain-Technologie weiter zu entwickeln. Das ganze Ökosystem hat sich also mit den ersten innovativen Leuten aus dem Ausland, über Politik, Regulator, Unternehmer, Investoren und internationalen Standortvorteilen über die Jahre entwickelt. Nicht zuletzt da die Regierung sehr flexibel agiert und reagiert hat.
Was waren nach ihrer Meinung wegweisende Entscheidungen aus der Politik,
welche ein neues Ökosystem rund um die Blockchain-Technologie aus der
Schweiz heraus gedeihen haben lassen?
Wegen der Politik ums Ökosystem, glaube ich, dass Ruedi Noser einer der ersten gewesen ist, der die nötigen Kontakte herstellte. Die Politik konnte schlussendlich auch die FINMA zum Thema sensibilisieren und so entstand beispielsweise das Fintech-Desk. Auch Doris Fiala, welche im Trustsquare engagiert ist und andere, wie beispielsweise der damalige Stadtpräsident von Zug, Dölfi Müller, der auch viele Türen geöffnet hat. Dadurch ist auch eine Nahbarkeit zur Verwaltung entstanden und die daraus entstandene Vorhersehbarkeit, respektive Sicherheit hat dafür gesorgt, dass die Rahmenbedingungen genutzt wurden. Ich glaube, es braucht keine spezifische Gesetzgebung, sondern gute Rahmenbedingungen, pragmatische Regulatoren und Politiker welche das Angebot abrunden. Das haben wir in der Schweiz geschafft.
Wie kamen sie zur Ansicht über diese Thematik ein Buch zu veröffentlichen?
Ich habe 2016 in einem Family Office gearbeitet und bin über den Beruf das erste Mal mit der Branche in Berührung gekommen. Zuerst mit Johan Gevers von Monetas, später mit Richard Olsen von Lykke. Im Gespräch mit Banken, welche sich interessierten dieses Thema ihren Kunden zugänglich zu machen, kamen mir erste Ideen dazu. Es interessierte mich wie die Bereiche Innovation, Ökosystem, Technologie, Finanzen und Wirtschaft das Ökosystem rund um die Blockchain-Technologie vorantrieben. Schlussendlich hat mich dann ein Freund darauf aufmerksam gemacht, dass ich doch ein Buch über das Thema schreiben soll.
Was hat sie in ihrer ganzen Recherche zum Buch persönlich am meisten beeindruckt?
Das mit Abstand am Beeindruckendsten ist die Geschwindigkeit mit der das alles ablief. Zuerst der Anfang 2013 mit Bitcoin Suisse, dann der Krypto Boom/Hype 2016-2017, 2018 der Krypto Winter, 2019 dann die ersten Krypto-Banken. Unternehmen wie die SIX oder Swisscom welche dazukamen, das ist eine unglaubliche Geschwindigkeit für nur 6 Jahre. Mehr als 4000 Mitarbeiter, mehr als 800 Firmen, sowie Universitäten die beteiligt sind. Die Politik und alle anderen welche am Ökosystem mitarbeiten, das finde ich bis heute noch sehr eindrücklich.
Wo steht die Schweiz, oder weitergefasst, die gesamte globale Wirtschaft in
10 Jahren mit der Blockchain Technologie?
Wo die Schweiz und die Blockchain Technologie in 10 Jahren steht? Die meisten Programmierer mit denen ich gesprochen habe, meinen dass die Technologie mit 10 Jahren noch sehr jung ist. 10 Jahre sind in der Tat nicht so viel, aber ich glaube, dass sich bis dahin Krypto-Währungen und Token etabliert haben. Vielleicht hat dann auch schon eine Krise im klassischen Fiat Finanzsystem stattgefunden und das Vertrauen in Krypto wurde dadurch gestärkt. Auch ausserhalb des Finanzsystems vermute ich, dass man bis dahin viel mit Pilotprojekten herausgefunden hat, wo die Blockchain Technologie am wirksamsten ist. Da sie am Schluss doch eine langsame, teure und schwerfällige Datenbankstruktur aufweist. Wie auch ein Programmierer in einem Interview gesagt hat: «Die Blockchain ist die perfekte Lösung für ein Problem, welches wir noch nicht gefunden haben.»