Wie wird die Blockchain-Technologie unser Leben beeinflussen? Werden sich digitale Währungen als Anlageklasse durchsetzen? Die Fragen, die sich aus der Krypto-Materie ergeben, erscheinen grenzenlos. Wir beschränken uns auf fünf und wenden uns an Experten aus dem Gebiet.
Die Entwicklung im Raum Blockchain und Kryptowährungen sowie das rapide wachsende Ökosystem um die neue Technologie ist faszinierend. Dahinter stehen Personen, die mit vollem Herzen an diese Innovation glauben. Menschen mit ausgesprochener Begeisterung für den Bereich, ansteckendem Enthusiasmus und Unternehmensgeist.
Im CVJ.CH Format "5 Fragen" werden bedeutende und geschätzte Spezialisten und Unternehmer aus dem Krypto-Fachgebiet um ihre Meinung gefragt. Auf dieselben wiederkehrenden Fragen werden unterschiedliche Ansichten und spannende Beiträge aus der sich stets wandelnden Blockchain-Welt wiedergegeben.
Kurzporträt Jan Brzezek
Jan Brzezek ist CEO, Gründer und Verwaltungsratsmitglied der Crypto Finance Group, einem prämierten Schweizer Fintech-Unternehmen für institutionelle Investoren in Crypto Assets. Die Gruppe bietet eine umfassende Palette von Crypto Asset Dienstleistungen an, darunter Asset Management, Brokerage, Custody-Infrastrukturlösungen und Tokenisierung. Vor der Gründung von Crypto Finance war Jan in verschiedenen Positionen bei UBS Asset Management, Wealth Management und Investment Banking tätig. Zuvor arbeitete er in verschiedene Positionen im Derivatives-, Fixed-Income Sales und Trading für die UBS in Zürich und Asien sowie bei der SIX Swiss Exchange. Jan hat einen Bachelor-Abschluss in Banking and Finance von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.
CVJ.CH: Wie sind Sie auf den Krypto-Bereich gestossen?
Jan Brzezek: Eigentlich per Zufall. Obwohl ich bereits viel früher von Bitcoin gehört habe, bin ich erst in 2016 durch einige Projekte bei meinem Arbeitgeber darauf aufmerksam geworden. Die Projekte drehten sich natürlich primär um Blockchain, aber wenn man diese versucht zu verstehen, muss man sich zwangsweise auch mit Bitcoin auseinandersetzen. Und je mehr ich mich in dieses Thema eingearbeitet habe, umso mehr fühlte ich mich wie Alice im Wunderland, die in eine neue Welt eintaucht. Ich realisierte, dass wir am ganz am Anfang von etwas ganz grossem sind. Ich habe früh am Rande mitbekommen, wie sich Computer und das Internet entwickelt haben, das wollte ich mir nicht nochmals entgehen lassen. Dafür muss man aber seine Komfortzone verlassen, denn nur dort passiert das magische.
Wo wird die Blockchain-Technologie die meisten Spuren hinterlassen?
Wie bei allen disruptiven Technologien wird der kurzfristige Einfluss überschätzt und der langfristige massiv unterschätzt. Wir können aktuell immer noch nur sehr schwer abschätzen, wie sich Blockchain im generellen und Bitcoin im spezifischen durchsetzen werden.
Grundsätzlich unterscheide ich aber immer auch die beiden Themen. Blockchain ist für mich «nur» eine technologische Weiterentwicklung. Von den physischen Aktien und Obligationen, zu digitalisierten Schuldverschreibungen bei einer zentralen Verwahrstelle wie der SIX, hin zu dezentralen, intelligenten Registern, die nicht nur eine Buchhaltung führen, sondern automatisiert Corporate Actions ausführen. Durch effizientere und günstigere Emissionsprozesse wird es eine Explosion an neuen Produkten geben, in die man einfach investieren kann. Als Beispiel wird man meiner Meinung nach nicht nur in Roche Aktien investieren können, sondern ganz spezifisch in Patente von gewissen Medikamenten. Diese Tokens werden aus meiner Sicht die Kunden aber nicht selber in einem Wallet halten, sondern die technologie-affine Bank wird diese lagern und der Kunde wird seine Positionen wie bisher im E-Banking sehen. Beim Internet interessiert es die meisten ja auch nicht, über welche Technologie ich nun mit dem Online-Shop der Migros kommuniziere.
Auf der anderen Seite haben wir Bitcoin und andere «digitale Währungen». Die Entstehung und mögliche Zukunft ist etwas vom faszinierendsten, dass ich seit langem gesehen habe. Aus fiskal- und geldpolitischer Sicht könnte Bitcoin die gleiche geschichtliche Relevanz bekommen, wie die Trennung von Kirche und Staat. Wieso das? Die Geschichte zeigt uns, dass die meisten Währungen keine 100 Jahre alt werden. Diese wurden oft von den Regierungen genutzt, um ihr unausgeglichenes Budget durch das Drucken von Neugeld zu sanieren, was in den meisten Fällen zu einer Abwertung derselben führte und das Volk schlechter dastehen liess als zuvor. Nun sind wir wieder an solch einem Punkt angelangt. Solche noch nie zuvor gesehenen Rettungspakete werden in Zukunft durch die Bevölkerung wieder zurückbezahlt werden müssen, was am einfachsten über eine Entwertung des Geldes funktioniert. Dies wird die unteren Schichten härter treffen als die oberen, was zu einem noch grösseren Ungleichgewicht führen wird.
Genau das gleiche gab es auch schon im Mittelalter, als die Fürsten mehr Münzen prägen liessen oder mit günstigeren Legierungen vermischten. Der Unterschied heute ist aber, dass wir mit Bitcoin ein mengenmässig klar begrenztes und auf der Welt leicht transferierbares Gut haben, welches nicht von irgendwelchen Regierungen beschlagnahmt oder verwässert werden kann. Auch wenn Bitcoin noch nicht das gleiche Vertrauen wie physisches Gold hat, alle anderen Punkte sprechen klar für die digitale Version.
Was braucht es, damit digitale Währungen eine grössere Adoption erfahren?
Ich glaube es braucht vor allem Aufklärung, seriöse Marktteilnehmer und Zeit. Viele Leute verstehen digitale Währungen noch nicht und verlassen sich dabei vielleicht auf einmal gelesene Vorkommnisse in der Vergangenheit, dem müssen wir gemeinsam entgegenwirken. Zweitens braucht es seriöse, professionelle und regulierte Marktteilnehmer, damit diese Anlageklasse die negative Konnotation verliert und für Anleger sicher macht. Und drittens Zeit. Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut. Wie bei allen Innovationen sind am Anfang viele kritisch, dann neugierig und am Schluss begeistert.
Werden sich digitale Währungen als Anlageklasse durchsetzen und bleibt Bitcoin an der Spitze?
Hier müssen wir zwischen Public Blockchains, wie die von Bitcoin und privaten Blockchains, wie die für die nun entstehenden digitalen Zentralbankenwährungen (CBDCs), unterscheiden. Ich persönlich glaube, dass sich beide durchsetzen werden. Bitcoin und andere Kryptowährungen werden in Ländern mit hoher Inflation, korrupten Regierungen und schwachen Finanzdienstleistungen am ehesten als Safe Haven Asset, anstelle von Gold, etablieren. Was nicht vergessen werden darf: In Ländern mit hoher Inflation ist Bitcoin im Verhältnis wertstabil. In türkischer Lira ist Bitcoin beispielsweise bereits fast doppelt so teuer wie bei dem Allzeithoch im Dezember 2017.
Ich kann mir vorstellen, dass es je nach Anwendungsfall und Region unterschiedliche Währungen geben wird, genauso wie auch die Wirtschaften unterschiedlich sind. Ich bin aber überzeugt, dass Bitcoin als digitales Gold seine führende Stellung behalten wird.
Wie sehen Sie die Zukunft von tokenisierten Vermögenswerten (z.B. Finanzprodukte auf der Blockchain)?
Wie bereits vorher erläutert, ermöglicht meiner Meinung nach die Tokenisierung eine gigantische Erweiterung und Granularität in Bezug auf Investitionsmöglichkeiten. Dabei geht es weniger um die Tokenisierung von bereits existierenden und öffentlich gehandelten Aktien und Obligationen, sondern viel mehr um bisherige sogenannte «Non-Bankable Assets». Dafür brauchen wir aber internationale Standards und Kooperationen über Firmen und Länder hinweg. Die Schweizer Finanzindustrie muss nun eine komplett neue Finanzmarktinfrastruktur entwickeln, die nicht nur einer Firma gehört, sondern die von allen zusammen betrieben werden muss. Das ist natürlich für das kurzfristige Denken einiger Manager schwierig, da sie aktuell nur Kosten haben und erst in ein paar Jahren davon profitieren können, aber nur wer agil ist und sich neuen Gegebenheiten anpassen kann, wird die Zukunft überleben.
Aus diesem Grund ist die Mission der Crypto Finance Gruppe, die Schweiz als internationalen Tokenisierungs- und Custody-Standort zu etablieren und somit den hiesigen Finanzplatz auch für die nächsten 100 Jahre relevant zu halten. Denn wir haben grundsätzlich alles was wir brauchen, jetzt braucht es bloss wieder den Mut, die Vision und den Unternehmergeist, den die Schweiz zu dem gemacht haben, was sie ist.