Alle Welt redet über Kryptowährungen. Hängt Ihnen der Begriff mittlerweile zum Hals raus? Dann geht es Ihnen wie vielen innerhalb der Community. Auch sie wollen nichts mehr von Kryptowährungen hören – zumindest nicht in dem generalisierenden Zusammenhang, in dem von ihnen gesprochen wird.
Bitcoin und Konsorten werden gemeinhin als Kryptowährungen bezeichnet – doch das sind unpräzise Verallgemeinerungen. Kryptowährungen sind zwar der bekannteste Anwendungsfall der Blockchain-Technologie, doch gibt es noch weitere: von Plattformen für Software-Entwickler über Finanzanwendungen wie Wertschriftenhandel oder Kreditgeschäft bis hin zu Logistiknetzwerken, dezentralisierter Datenspeicherung und selbstverwalteten digitalen Identitäten.
Lidia Bolla, Managing Partner beim Krypto-Vermögensverwalter vision&, spricht darum generell von «Krypto-Assets». Dies auch deshalb, weil zum heutigen Zeitpunkt bei vielen Krypto-Projekten kaum abschliessend gesagt werden kann, welchem Segment sie zuzuordnen sind. Bei vielen Krypto-Assets handelt es sich um Internetprotokolle, deren Fundament eine kryptografisch gesicherte, dezentralisierte Datenbank ist, die sogenannte Blockchain. Die prominentesten Protokolle dieser Art sind Bitcoin und Ethereum. Die Anwendungsfälle, die mit diesen Protokollen möglich sind, scheinen grenzenlos. Gemäss Bolla stellt sich den Anlegern heute deshalb folgende Frage: Wird Bitcoin in zehn Jahren schlichtweg ein Wertaufbewahrungsmittel (digitales Gold), ein globales Zahlungssystem für Micro-Payments oder gar der Grundstein eines neuen dezentralisierten Finanzsystems ohne Intermediäre sein?
Niemand weiss es, weshalb eine vernünftige Bewertung kaum möglich ist. Da diese Protokolle keinen kontinuierlichen Cash-Flow generieren, würden herkömmliche Bewertungsmodelle wie das Discounted-Cash-Flow-Verfahren wenig taugen, meint Marcos Benvenuto, Investment Manager bei der Crypto Finance AG. Daher würden neue Methoden diskutiert und bereits vage angewendet. So wird versucht, das Potenzial der Marktdurchdringung eines Krypto-Assets zu evaluieren, um mögliche Netzwerkeffekte abzuschätzen. Dabei greift man auf eine Faustregel des Metcalfe’schen Gesetzes über das Kosten-Nutzenverhältnis von Kommunikationssystemen zurück. Die Schwierigkeit hier: Wie sollen die Marktdurchdringungspotenziale sinnvoll eruiert werden, wenn kaum klar ist, welchen Markt die Protokolle dereinst einmal bedienen werden?
Eine andere häufig gewählte Art der Bewertung basiert auf der Einschätzung der Entwicklerteams eines Krypto-Assets. Doch diese sei hoch subjektiv, so das Urteil Benvenutos. Die wenigsten Investoren würden die jeweiligen Entwickler persönlich kennen. Da das Krypto-Phänomen noch so jung sei, verfügten zudem die wenigsten Blockchain-Entwickler über einen aussagekräftigen Leistungsausweis.
Dass sich Investoren trotz unvollkommener Bewertungsmodelle auf die Krypto-Assets eingelassen haben, liegt wohl an den lukrativen Renditen, die es im heutigen Negativrendite-umfeld sonst nirgends mehr gibt. Krypto-Assets sind aber auch aus einer Portfolio-Perspektive interessant: Die bedeutendsten unter ihnen zeigen so gut wie keine Korrelation zu herkömmlichen Anlageklassen, teils sind sie sogar leicht negativ. Nicht einmal jene Unternehmen, die Mining-Hardware produzieren und daher unmittelbar vom Krypto-Boom profitieren, korrelieren mit den bekannten Krypto-Assets.
Doch handelt es sich dabei bloss um scheinbare Nicht-Korrelationen? Wie die Aktienmärkte gingen auch Bitcoin & Co. anfangs Februar auf Tauchgang. Die Kurseinbrüche von Bitcoin und S&P E-Mini Futures, geleveragete Derivate auf den S&P 500, verliefen gar beängstigend parallel. Benvenuto lässt sich davon allerdings kaum beeindrucken: «Bei statistischen Analysen kommt es stets auf die gewählte Methode an». Auch bei der Crypto Finance AG würde man die quantitativen Auswertungen regelmässig aktualisieren. Die jüngsten Zahlen von Mitte Februar würden bestätigen: Bitcoin korreliere nach wie vor kaum mit den traditionellen Assets, so Benvenuto.
Ob diese Nicht-Korrelation künftig bestehen bleibt, kann nur die Zeit zeigen. Mit zunehmender Etablierung des Krypto-Marktes wird wohl auch die Korrelation zu anderen Finanzmärkten steigen. Vorerst sind die Befunde noch mit Vorsicht zu geniessen. Skeptiker haben Recht, wenn sie anmerken, dass Bitcoin und Co. bislang nur das von Zentralbanken geschaffene Marktumfeld übermässiger Liquidität und historisch niedriger Volatilität kennen. Was, wenn der Wind plötzlich dreht?
Dann könnten Krypto-Assets vielleicht gerade den Unterschied machen, verkörpern sie in ihrem Ursprung doch die Antithese zu unserer heutigen Finanzwelt. Dass dieser anfängliche Geist noch schlummert und im Fall einer Krise manchen Anleger auf der psychologischen Ebene wieder einholt, darauf hoffen viele Krypto-Begeisterte.