Konkret wird untersucht, wie Banken und andere Finanzintermediäre den FINMA Artikel Art. 10 GwV-FINMA, manchmal auch als "travel rule" bezeichnet, anzuwenden haben.
Erstmals publiziert am 2. September 2019 durch das «Centre de droit bancaire et financier » der Univiersität Genf. Übersetzt durch CVJ.CH.
Aufsichtsmitteilung über die Anwendung bestimmter Standards für Banküberweisungen im Rahmen von Krypto-Aktivitäten.
Am 26. August 2019 veröffentlichte die FINMA eine Aufsichtsmitteilung 02/2019 über die Anwendung bestimmter Standards für Banküberweisungen im Rahmen von Krypto-Aktivitäten. Konkret wird untersucht, wie Banken und andere Finanzintermediäre den FINMA Artikel Art. 10 GwV-FINMA, manchmal auch als "travel rule" bezeichnet, anzuwenden haben. Also die tatsächlichen Angaben welche von den Finanzintermediären bei einer Banküberweisung zu übermitteln sind.
Es sei zunächst daran erinnert, dass Krypto-Werte über elektronische Wallets gehalten werden, die nicht unbedingt mit Finanzinstituten verbunden sind. Sie können von jedermann anonym erstellt und verwendet werden. Grundsätzlich werden Übertragungen von Krypto-Werten direkt von Wallet zu Wallet vorgenommen und gehen nicht über einen Finanzintermediär oder ein Unternehmen, das befugt wäre, solche Transaktionen zu blockieren. Diese Transfers sind daher dezentralisiert, dematerialisiert und disintermediär. Sie enthalten nicht den Namen des Auftraggebers und des Begünstigten, sondern lediglich die Adressen - welche aus einer Reihe von Ziffern und Buchstaben bestehen - zur Identifizierung der einzelnen Wallets.
Inhaber von Krypto-Werten haben die Möglichkeit, diese von Finanzintermediären wie Banken oder Online-Broker hinterlegen zu lassen. Sie können von diesen Instituten verlangen, ihre Krypto-Werte auf andere Wallets übertragen zu lassen. Dann können zwei Szenarien auftreten: Die Übertragung kann auf eine von einem anderen Finanzintermediär kontrollierte Wallet, oder auf ein von einer nicht unterstellten Person erstellte Wallet erfolgen.
Hier stellt sich die Frage nach der Anwendung von Art. 10 GwV-FINMA. Diese Bestimmung besagt, dass Finanzintermediäre bei Zahlungsaufträgen insbesondere den Namen und die Postadresse des Auftraggebers und des Begünstigten angeben müssen (Art. 10 Abs. 1 GwV-FINMA). Diese Anforderung basiert auf der FATF-Empfehlung 16.
Finanzintermediäre sollen Namen und Adresse des Auftraggebers und des Begünstigten eines Krypto-Transfers mitteilen
Die erste Neuerung, die mit der Aufsichtsmitteilung 02/19 eingeführt wurde, besteht darin, dass Finanzintermediäre Art. 10 Abs. 1 GwV-FINMA anwenden müssen, wenn sie Krypto-Werte zu einem anderen Finanzintermediär übertragen. Sie müssen ihm daher die Namen und Postadresse des Auftraggebers und des Begünstigten der Transaktion mitteilen. Diese Informationen können in der Regel nicht in die Transaktion integriert werden. So müssten diese Informationen getrennt über ein alternatives Kommunikationsmittel erfolgen. Diese Anforderung steht im Einklang mit einer kürzlich erfolgten Änderung der Empfehlungen der FATF.
Die FINMA geht aber noch weiter. Sie fügt hinzu (Hervorhebung hinzugefügt):
Eine Überweisung von- und an eine externe Wallet eines Dritten ist nur dann möglich, wenn das beaufsichtigte Institut den Dritten zuvor wie bei einer eigenen Kundenbeziehung identifiziert, den wirtschaftlich Berechtigten festgestellt und die Verfügungsmacht des Dritten über die externe Wallet durch geeignete technische Massnahmen überprüft hat.
Soweit dem Kunden ein Wechselgeschäft angeboten wird (Fiat vs. Krypto-Wert, vice versa, oder ausschliesslich zwischen Krypto-Werten) und in die Transaktion eine externe Wallet involviert ist, ist ebenfalls die Verfügungsmacht des Kunden über die externe Wallet durch geeignete technische Massnahmen zu überprüfen. Findet eine solche Überprüfung nicht statt, gelten die Regeln des Zahlungsverkehrs, d.h. wiederum Art. 10 GwV-FINMA.
Die angeführte Rechtsgrundlage stellt aus unserer Sicht keine solche Verpflichtung dar. Die Pflicht zur Identifizierung der Vertragspartei (Art. 3 GwG) und des wirtschaftlich Berechtigten (Art. 4 GwG) gilt in zwei Fällen:
- Die Aufnahme einer andauernden Geschäftsbeziehung im Sinne von 2 lit. GwV-FINMA (Art. 3 Abs. 1 ab initio GwG) oder
- Die Durchführung eines Kassageschäfts im Sinne von 2 lit. b GwV-FINMA über einen Betrag von mehr als CHF 25'000 (Art. 4 lit. g, 20 al. 5 let. f, 27 al. 3 let. f VSB 16 anwendbar unter Bezugnahme auf Art. 35 GwV-FINMA).
Art. 10 GwV-FINMA formuliert nach ihrem strikten Inhalt kein zusätzliches Szenario, das eine Verpflichtung zur Identifizierung der Vertragspartei und des wirtschaftlich Berechtigten auslösen würde.
Die in der Aufsichtsmitteilung 02/19 erwähnte Art der Transaktion scheint a priori ein Kassageschäft zu sein: Die von der FINMA angegebenen Massnahmen sollten daher nur dann umgesetzt werden, falls eine Transaktion den Betrag von CHF 25'000 übersteigt. Es gibt jedoch eine Ausnahme von dieser Regel: Der Finanzintermediär muss in jedem Fall die Vertragspartei und den wirtschaftlich Berechtigten bei Verdacht von Geldwäscherei identifizieren (Art. 3 Abs. 4 GwG, siehe Art. 13 ff. GwV-FINMA und Anhang zur GwV-FINMA), unabhängig vom Betrag der Transaktion.
Verkündet die FINMA somit unterschwellig, dass Transaktionen mit Krypto-Werten immer als ein erhöhtes Risiko der Geldwäsche angesehen werden sollten?
Welche andere Quelle könnte daher die Grundlage für die Verpflichtungen der FINMA bilden? Die Antwort findet sich in den FATF-Empfehlungen. Gemäß der Empfehlung 16 zu Banküberweisungen sollten die Länder "sicherstellen, dass die Finanzinstitute die erforderlichen und richtigen Informationen über den Auftraggeber und die erforderlichen Informationen über den Zahlungsempfänger bei Banküberweisungen und anderen damit zusammenhängenden Nachrichten enthalten" (Hervorhebung hinzugefügt). Nach Ansicht der FATF sollte die Überprüfung der "Richtigkeit" dieser Informationen in die Verantwortung der Finanzintermediäre selbst fallen (siehe Interpretative Note to Recommendation 16, Glossar, "accurate", S. 75). Dies ist jedoch "nur" eine Empfehlung, die anders als durch eine Mitteilung der Regulierungsbehörde, in nationales Recht umgesetzt werden sollte.
Die eigentliche Grundlage für die Argumentation der FINMA konnte sich im 4. Mutual Evaluation Report der Schweiz, der 2016 von der FATF veröffentlicht wurde, gefunden werden. So steht auf Seite 188 (Hervorhebung hinzugefügt):
For the FINMA financial intermediaries, there is no explicit obligation to verify the information concerning the originator. For Swiss authorities, the obligation is implicit and results from the obligation to “indicate” included in Art. 10 OBA-FINMA. This is an obligation to achieve a result and to ensure that, through technical measures and/or manual control, the requested information is correctly entered into the system.
Es ist jedoch schwer zu erkennen, welche Art der Rechtsauslegung es ermöglichen würde, aus Art. 10 GwV-FINMA eine positive Verpflichtung für Finanzintermediäre zur Überprüfung dieser Art von Informationen abzuleiten. In der Praxis führen Finanzintermediäre diese Art der Überprüfung nur dann durch, wenn die Transaktion ein erhöhtes Risiko der Geldwäsche darstellt: Finanzintermediäre müssen dann den Hintergrund der Transaktion klären. Die anwendbare Rechtsgrundlage ist dann Art. 6 Abs. 2 GwG und nicht Art. 10 GwV-FINMA.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die in der Aufsichtsmitteilung 02/19 vorgesehene Rechtssicherheit zwar begrüßt wird, die Rechtmässigkeit der Anforderungen der FINMA für die Übertragung von Krypto-Werten an nicht unterstellte Dritte jedoch fraglich ist.