Nicht hackbare Aufbewahrungsmöglichkeiten für Kryptowährungen sind nur nützlich, solange man lebt. Milliarden von US-Dollar in Bitcoin (BTC) sind für immer verloren, unter anderem weil die Erben nicht an das Erbe gelangen. Wie kann das Ganze verhindert werden?
Du lebst, du lernst, du kaufst Bitcoin (BTC), du stirbst. Sicherlich bewahrst du deine Coins an einem gut geschützten Ort auf. Vorsichtige Hodler, deren Schlüssel sicher verstaut sind, wägen sich in Sicherheit. Sie wissen, dass ihre Coins zu ihren Lebzeiten sicher verwahrt sind.
Die Gelder nach dem Tod an einen Erben zu transferieren, ist allerdings eine ganz andere Angelegenheit. So wie die Anzahl der Facebook-Profile von Verstorbenen steigt, steigt auch die Mengen an Krypto, die in den Wallets der Toten schlummern.
Ein Depotdienst namens Coincover behauptet, dass über vier Millionen Bitcoin (knapp 20% aller BTCs) für immer verloren sind. Das sind rund 216 Milliarden US-Dollar zu heutigen Preisen. Im Gegensatz zu einer Bank oder einem Makler, dem ein Konto an einen Namen (und eine Sozialversicherungsnummer in den USA) angehängt ist, sind die Schlüssel für Krypto-Wallets die einzige Möglichkeit, darauf zuzugreifen.
Für immer verlorene Bitcoins?
Der Pionier der digitalen Währung, Hal Finney, welcher 2014 an den Komplikationen von ALS gestorben ist, war auch als zweiter Nutzer von Bitcoin - nach Satoshi Nakamoto selbst - bekannt. Der Kryptographie-Pionier, der zum Zeitpunkt seines Todes erst 58 Jahre alt war, besass wahrscheinlich eine grosse Menge Bitcoin aus der Anfangszeit der digitalen Währung. Es gibt tatsächlich einige gut gefüllte Wallets, deren Coins seit dem Jahr 2014 nicht mehr transferiert worden sind – gehören einige dieser Coins vielleicht Finney?
Soweit öffentlich bekannt ist, hat er keine Schlüssel für Wallets weitergegeben. Somit könnte sein digitales Vermögen für immer verloren sein. Allerdings hat Finney seinen Körper kryonisch eingefroren, möglicherweise erfahren wir in der Zukunft mehr von ihm.
ALS ist eine Krankheit, die Lähmungen verursacht und die Kommunikation erschweren kann. Möglicherweise war Finney nicht in der Lage, Informationen über sein Krypto-Erbe weiterzugeben.
Ein weiterer hochkarätiger Fall: Gerald Cotten, ein kanadischer Mogul der Börse QuadrigaCX. Im Jahr 2018 starb die junge Führungskraft plötzlich an den Folgen von Morbus Crohn. Viele unethische Praktiken kamen ans Licht und die Firma ging bankrott.
Ernst & Young wurde für die unzugänglichen Cold Wallets des Unternehmens verantwortlich gemacht. Das FBI und die kanadischen Behörden untersuchten nicht nur den Todesfall, sondern versuchten auch Zugriff auf die Gelder zu erhalten. Bis Juni 2020 erbeuteten sie allerdings nur 46 Millionen US-Dollar von möglichen 190 Millionen US-Dollar. Es scheint fast so, als hätte Cotten die Keys schützen können – und möglicherweise seinen Tod vorgetäuscht.
Zombie-Bitcoin-Milliardäre
Crystal Blockchain hat festgestellt, dass 1,5 Millionen ruhende Adressen mehr als 100 BTC enthalten.
Ihre Forschung ergab auch, dass 54% der untersuchten BTC aus dem Mining-Bereich und lediglich 4% aus dem Darknet stammen. Entsprechend dominieren Bitcoin von Minern diese ruhenden Wallets. Möglicherweise sind die Hodler Bitcoiner der ersten Stunde. Ob die Schlüssel zu den Wallets verloren sind, ist nicht klar.
Es ist nicht leicht zu erörtern, ob die Coins ruhen oder verloren sind. Einige Whale-Adressen haben keine einzige ausgehende Transaktion. Eine andere Adresse hat einen mysteriösen Namen für den öffentlichen Schlüssel der Wallet (11111111111111111114oLvT2) und wurde anscheinend zum Burning von BTC erstellt.
Schütze deine Coins
Ein Custodial Service könnte Abhilfe schaffen. Das bedeutet jedoch auch, die eigene Anonymität und vollständige Kontrolle über die Gelder aufzugeben. Sheraz Ahmed, der geschäftsführende Gesellschafter von STORM Partners, sagt, dass diese Dienste für einige Krypto-Hodler der alten Schule unangenehm sein könnten. Der einfachste Weg die Coins zu schützen, ist eine vertrauenswürdige Person einzuweihen:
„Der einfachste Weg, Bitcoin nach dem Tod an eine andere Partei zu übertragen, besteht darin, sicherzustellen, dass jemand eine Kopie deines privaten Schlüssels erhält.“ - Sheraz Ahmed
Mittlerweile gibt es einige Depot-Dienste, wie beispielsweise TrustVerse oder Casa. Einige Börsen erlauben es Nutzern sogar, einen Begünstigten zu benennen, falls der Besitzer verstirbt. Diese Begünstigten müssen eine Sterbeurkunde oder einen anderen hochsicheren Eigentumsnachweis vorlegen. Ferner bietet es sich an die notwendigen Informationen im Testament zu erwähnen.
Interview mit Marc Steiner
Zu genau diesem Thema hat CVJ.CH bereits ein Interview mit dem Digitalexperten und Bitcoinberater Marc Steiner durchgeführt, welcher im August 2020 ein Buch mit dem Titel "Bitcoins verwahren und vererben - Ein praktischer Ratgeber" publizierte.