Die Schweiz hat sich als Heimat des Crypto Valley etabliert, einem Standort für aufstrebende Blockchain-Startups. In diesem Format beleuchten wir Unternehmen aus dem "Valley" und bieten ihnen die Möglichkeit, ihre Entstehungsgeschichte zu erzählen. In diesem Beitrag: Relai
In Bitcoin zu investieren ist für die breite Masse immer noch eine komplizierte und aufwändige Angelegenheit. Die Schweizer Bitcoin App «Relai», welche von sich behauptet die einfachste der Welt zu sein, versucht das zu ändern und endlich jedermann den Zugang zur Mutter aller Kryptowährungen zu ermöglichen.
Julian Liniger, Relai’s CEO und Mitgründer, erzählt die Entstehungsgeschichte des Crypto Valley Startups.
Was lange währt wird endlich gut
Nach mehreren Monaten konzipieren, entwerfen, recherchieren, tüfteln, pitchen, scheitern, lernen, fundraisen und entwickeln, kam unser Baby am 1. Juli endlich zur Welt: Relai – die weltweit einfachste Bitcoin Investing App «made in Switzerland». Es war ein grosser und lang ersehnter Moment für das Team sowie die zahlreichen Partner, Unterstützer, Testkunden, Supporter, sowie die ganze Schweizer Bitcoin Community. Wir haben hart geschuftet und viel Schweiss und Tränen vergossen. Umso besser hat es sich am Tag der Wahrheit angefühlt, als die App live ging und die ersten positiven Feedbacks kamen.
Aber beginnen wir beim Anfang
Im September 2018 war ich, Julian Liniger, Gründer und CEO von Relai, es leid, meinen Freunden und Kollegen, die ihre ersten paar Franken in Bitcoin investieren wollten, immer wieder durch dieselbe mühsame Prozedur zu helfen. Bei einer Online Börse ein Konto einrichten, persönliche Informationen eingeben, Dokumente und Selfies hochladen, das Profil verifizieren lassen, Geld überweisen, warten bis dieses angekommen ist, wieder einloggen, das Geld in Bitcoin umtauschen, eine Wallet eröffnen, die Bitcoin auf diese Wallet transferieren und schliesslich noch das wichtigste: den Private Key sichern.
Für die meisten war dieser mehrtägige Prozess zu mühsam, um nur einen kleinen Betrag in Bitcoin zu investieren. Das muss definitiv einfacher werden, dachten sich auch mehrere Mitglieder der Bitcoin Schweiz Telegram Gruppe, und so fingen Julian und zwei Mitstreiter aus der Schweizer Krypto-Szene, Bernd Lapp und Stefaan Ponnet, am Konzept der einfachsten Bitcoin Investing App der Welt zu tüfteln: Aus einem Bedürfnis wurde eine Idee.
Eine Idee fängt Feuer
In unserer Freizeit haben wir uns getroffen, via Video Chat ausgetauscht, recherchiert, das Relai Konzept entworfen und verfeinert, und bereits früh mit potenziellen Nutzern besprochen. Leute aus verschiedenen Bereichen, alt und jung, reich und arm, Bitcoin Anfänger und Experten, fanden Gefallen an unserem Vorhaben und versicherten uns, sie würden diese App benutzen, sobald sie online sei.
Im März 2019 nahmen wir am alljährlichen F10 Hackathon in Zürich teil. Dort stiessen wir auf Adem Bilican, heute Relai’s CTO, und Ivana Mitrovic, bis heute aktive Unterstützerin des Projekts. Wir haben in diesen intensiven 48 Stunden den ersten Prototypen der Relai app gebaut und es damit ins Finale geschafft. Nach den tollen Rückmeldungen aus dem Publikum und von der hochkarätigen Jury war klar, dass wir dem Ganzen mehr Zeit widmen sollten: Aus einer Idee wurde ein Projekt.
Jetzt starten wir durch
Voller Tatendrang machten wir uns direkt nach dem Event an die Arbeit. Aus dem Prototyp entstand in wenigen Monaten ein funktionierendes MVP (Minimal Viable Product). Eine Website und Social-Media-Kanäle erwachten zum Leben, und wir machten bei gefühlt jedem Startup Wettbewerb mit, der im Jahr 2019 stattgefunden hat.
An einem dieser Wettbewerbe, der sogenannten «Berner Business Creation Competition», lernten wir unseren ersten Business Angel, Lars Diener-Kimmich, kennen. Er war und ist eine Schlüsselperson für Relai. An einem sehr kritischen Punkt des Projekts Ende 2019, an dem die Gründer bereits ans Aufgeben dachten, weil es mit dem Fundraising nicht so richtig laufen wollte, glaubte Lars weiterhin an das Team und übernahm Anfang 2020 mit einem seiner langjährigen Freunde, Nick Haller, das erste Angel Investment in Relai: Aus einem Projekt wurde ein Startup.
Lass’ uns eine Firma gründen
Beflügelt von dieser ersten kleinen Geldspritze, vor allem aber vom Vertrauen, welches in uns gesteckt wurde, brachen wir zu einer 3-monatigen Mission auf mit dem Ziel, die Relai App am 1. Juli 2020 zu veröffentlichen. Wir waren im Startup Modus! Mit viel Eifer und Tunnelblick arbeiteten wir Tag und Nacht an unserem Produkt, unserem Business Modell und dem Aufbau einer Community.
Wir haben sehr früh eine Testversion an eine kleine Gruppe hochmotivierter Early User ausgeliefert und diese iterativ, geleitet durch deren wertvolle Feedbacks, in kurzer Zeit zu einer brauchbaren ersten Version verfeinert. Mit diesem Produkt in der Hand gelang es uns endlich, eine angemessene Seed-Finanzierungsrunde abzuschliessen und eine Firma zu gründen: Aus einem Startup wurde ein Unternehmen.
Endlich ist es soweit
In der Nacht vor dem offiziellen Public Launch der App hatten wir noch Alpträume und grosse Zweifel. Denn die App war noch alles andere als perfekt. Es gab noch viele Bugs und unzählige Verbesserungsmöglichkeiten. «Ist das Produkt überhaupt schon reif für den Markt?», haben wir uns gefragt.
Es war definitiv mutig, die App schon so früh öffentlich zu lancieren. Trotz der unzähligen Tests fühlte es sich an wie ein «Leap of Faith». Nicht nur aus technischer Sicht, sondern auch aus Marktsicht: Würde es überhaupt jemanden interessieren, dass die App endlich live ist? Oder werden die Leute nicht mehr als ein Schulterzucken für das Ergebnis unserer monatelangen harten Arbeit übrighaben?
Trotz all’ diesen Unsicherheiten haben wir uns getraut, Relai am 1. Juli 2020 in die Wildnis zu entlassen. Wie sagt Reid Hoffman, Gründer von Linkedin: «If you are not embarrassed by the first version of your product, you've launched too late.»
Der Moment der Wahrheit
Dem Team fiel ein schwerer Stein vom Herzen, als wir in den ersten 24 Stunden mit positiven Feedbacks überhäuft wurden und es keine gravierenden technischen Probleme gab. Was für eine Erleichterung, die natürlich auch gebührend an der exklusiven Relai Launch Party in der Zürcher Langstrasse gefeiert wurde. Das Interesse an unserer App war grösser als wir es uns erträumt hatten! Die Angst, dass der Launch keine Menschenseele interessieren würde, war schnell verflogen.
Relai Launch Party (Alexis Roussel, Nick Haller, Adem Bilican, Julian Liniger, Lars Diener-Kimmich)
Zur Veranschaulichung: Der Tweet «Relai is live!» hat über 100 Likes und mehr als 6'000 Views erhalten. Auch die ersten Reaktionen und Kommentare, die wir via Social Media und unseren Community Chats erhielten, haben uns positiv überrascht und sehr gefreut. Unser Service hat scheinbar einen Nerv getroffen in der Europäischen Bitcoin Community und darüber hinaus. So schrieb einer unserer Follower auf Twitter: «Perfect! This is exactly what I needed.»
Jetzt nicht übermütig werden
Es ist nicht alles Gold was glänzt. Wir bekamen schnell zu spüren, dass das Produkt eben erst eine Version 1.0 und noch lange nicht perfekt ist. Neben den vielen positiven Feedbacks erreichten uns auch zahlreiche Bug-Reports, Support-Anfragen, Änderungsvorschläge und kritische Äusserungen. Wir mussten uns also wieder etwas sammeln und auf den Boden der Realität zurückkommen.
Was wir ebenfalls etwas unterschätzt hatten, war, dass wir nun in der Öffentlichkeit stehen und jeder unserer Schritte beobachtet, bewertet und kritisiert wird. Bezeichnend dafür war die Ankündigung einer neuen Advisorin, die kürzlich zum Relai Team gestossen ist. Die Rede ist von Demelza Hays, welche in der Crypto Industrie sehr bekannt, in Bitcoin Kreisen aber teils auch berüchtigt ist. Voller Freude haben wir den Neuzugang verkündet, und prompt hagelte es harsche Kritik von denselben Fans, die uns noch eine Woche zuvor in den Himmel gelobt hatten. Auf Twitter haben uns einflussreiche Bitcoiner bereits wieder abgeschworen. Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall.
Unser erster Shitstorm war dann aber zum Glück auch schnell überstanden und wir konnten uns wieder auf unser Tagesgeschäft konzentrieren: Bitcoin für jedermann zugänglich zu machen. Und das nach gewohnter Schweizer Manier: Schritt für Schritt. Oder wie Lao Tzu, Chinesischer Philosoph, sagen würde:
«The journey of a thousand miles begins with one step.» - Lao Tzu