Die Schweiz mit ihren einzigartigen Stärken sei geradezu prädestiniert, eine nationale Kryptowährung zu schaffen, meint Konrad Hummler. Dass sich die Nationalbank bei diesem Thema bisher zurückhaltend zeige, sei normal. Denn zwischen dem, was die SNB sage, und dem, was sie tue, bestünden naturgemäss Unterschiede.
Sehen Sie Kryptowährungen in absehbarer Zukunft in der Lage, etablierte Währungen aufzufressen, sprich vollständig zu ersetzen?
Nein. Der Weg zum Erlangen allgemeinen Vertrauens ist ein langer und steiniger, zumal die Sicherheit von Cryptocurrencies völlig virtueller Natur ist und sich der Vorstellungskraft weitgehend entzieht.I
Im Kanton Zug kann man bei den Behörden mit Bitcoins bezahlen, bei SBB-Automaten seit kurzem Bitcoins kaufen. Hat die Schweiz in Europa eine gewisse Vorreiterrolle in Sachen Kryptowährungen?
Das sind episodische Vorkommnisse. Ihnen eine Vorreiterrolle zuzubilligen, wäre wohl etwas überoptimistisch.
Sie fordern eine digitale Währung «Swiss Made», die den Schweizer Bank- und Finanzplatz kompetitiver machen soll. Wie genau soll das funktionieren?
Die Schwachstelle von Kryptowährungen liegt in ihrer völligen Virtualität und der daraus resultierenden tiefen Vorstellbarkeit. Die Schweiz ist als Hort von Stabilität und Zuverlässigkeit ein weltweiter Begriff. Die Kombination einer Kryptowährung mit den einzigartigen Stärken der Schweiz könnte ein Erfolgsmodell sein.
Wen würden Sie hier gerne in der Verantwortung sehen beziehungsweise von wem sollte eine- solche Initiative kommen? Von unabhängigen Organisationen, der SNB oder der Regierung?
Sicher nicht die Regierung! «Geldproduktion» ist von jenen, die Geld verbrauchen und verbrennen, grundsätzlich fernzuhalten. Die Notenbank wäre wohl die richtige Instanz, denn sie ist auch so eingerichtet, dass der Gewinn aus der Geldschöpfung, die Seignorage, regelgetreu an die Bevölkerung zurückfliessen kann.
Sehen Sie neben Bitcoin und Ether derzeit noch eine andere ernstzunehmende Alternative im Bereich- der Kryptowährungen?
Neben Bitcoin und Ethereum gibt es bereits eine Vielzahl von Kryptowährungen. Es herrscht ein herrlicher Wettbewerb der Systeme im Sinne von Friedrich August von Hayek und Joseph Schumpeter. Was überleben wird und ob «The Winner Takes it All» auch hier gilt, wissen wir nicht.
Haben umstrittene Währungen wie OneCoin oder auch Swisscoin das Potenzial, den Ruf von Kryptowährungen nachhaltig zu schädigen?
Selbstverständlich. Die natürlichen Gegner von Kryptowährungen werden alles daran setzen, dass dies auch geschieht und entsprechend politisch ausgeschlachtet wird.
Die Bank of England erwartet in einer Studie von «Central Bank Digital Currencies» (CBDC), also von Zentralbanken ausgegebenen digitalen Währungen, ein deutliches Wachstumspotenzial und eine erhöhte wirtschaftliche Stabilität. Ist es Ihrer Meinung nach realistisch, dass Zentralbanken bald mit der Ausgabe von Digitalwährungen beginnen?
Die Notenbanken werden logischerweise versuchen, ihre gesetzlich gegebene Monopolstellung zu schützen, indem sie sich selber zu Produzenten von Kryptowährungen machen. Allerdings: Die algorithmische Geldschöpfung widerspricht der menschlich gesteuerten, wie sie die Notenbanken betreiben. Dadurch wird sich eine divergierende Kursentwicklung zwischen den klassischen und den virtuellen Währungen ergeben. Im besten Fall wirkt solches disziplinierend auf die Geldpolitik, was schliesslich zu höherem Wachstum führen müsste.
Wäre die jüngste Entwicklung von Kryptowährungen ohne die Planlosigkeit der Notenbanken hinsichtlich Geldpolitik überhaupt möglich gewesen?
Die Notenbanken handeln meines Erachtens nicht planlos, sondern innerhalb ihrer Denkschemen konsistent. Das Problem liegt darin, dass die wirtschaftliche Realität immer weniger diesen Denkschemen entspricht, weil wir uns in einem strukturellen und nicht in einem zyklischen Veränderungsprozess befinden.
Die Schweizer Nationalbank (SNB) zeigt sich im Vergleich zu ihren britischen Kollegen zurückhaltend und skeptisch. Wieso?
Zwischen dem, was die SNB sagt, und dem, was sie wirklich tut, gibt es grosse und berechtigte Unterschiede. Warten wir einmal ab.
Können Sie das ausführen?
Eine Notenbank benötigt einen genügenden Handlungsspielraum im Geheimbereich, weil alles, was sie heraustrompeten würde, unmittelbaren Einfluss auf die Einschätzung durch die Finanzmärkte hätte. Die daraus resultierende Volatilität wäre unerträglich und unsinnig.
Der Kurs von Bitcoin ist – genau wie der Goldpreis – nach der Brexit-Abstimmung und dem Wahlsieg von Donald Trump sprunghaft angestiegen. Sehen Investoren Bitcoin trotz der hohen Volatilität und des fehlenden intrinsischen Werts mittlerweile als sicheren Hafen?
Hinter der Wahl von Donald Trump steht ein Megatrend in Richtung Re-Nationalisierung der Welt. Ich diagnostizierte ihn schon vor zweieinhalb Jahren. Die Welt wird wieder vielfältiger; Diversifikation lohnt sich. Die Investition in Bitcoins entspricht nichts anderem als einer Ausnützung tiefer Korrelationen.
Sehen Sie also auch in nächster Zeit angesichts der Unsicherheit bezüglich Brexit und Trumps Präsidentschaft Potenzial in «unüblichen» Assets?
Wenn der Trend zu mehr Vielfalt dank erhöhter Wahrnehmung nationaler Eigeninteressen weitergeht, dann sinken die Korrelationen generell, Bitcoin hin oder her.
Sie beschreiben die Abschaffung der totalen -Anonymität der Blockchain-Technologie, auf denen Kryptowährungen basieren, als «alternativlos», da ein gewisses Mass an Kontrollierbarkeit- notwendig- sei. Widerspricht ein solches Vorgehen nicht dem Grundgedanken von Bitcoin & Co.?
Blockchain-Technologie hat nichts mit Anonymität zu tun, im Gegenteil: Die lückenlose Historie erlaubt gerade die Rückverfolgung sämtlicher Transaktionen. Dass Bitcoin auf völlige Anonymität baut, macht sie angreifbar. Man kann sich ein weltweites Verbot des Zahlungsverkehrs für reale Transaktionen durchaus vorstellen, wenn einmal ruchbar wird, dass Terroristen sich über Bitcoin Waffen beschafft haben. Das Zahlungsmittel Dollar wird für solche Transaktionen von der Öffentlichkeit vorgezogen.
Das Argument der Kriminalitätsbekämpfung wird regelmässig auch von Unterstützern einer Bargeldabschaffung herangezogen – wie stehen- Sie diesem Thema gegenüber?
Der Einbezug von Geldflüssen in die Bekämpfung der Kriminalität ist zwingend, aber die Abschaffung des Bargelds, einer der Tragsäulen unseres Wohlstands, ist dennoch völlig unangemessen. Wer gegen das Bargeld ist, hat ideologische Ziele und nimmt die Kriminalitätsbekämpfung als Vorwand.
Welche Bereiche sehen Sie am stärksten von den durch die Blockchain anstehenden Umwälzungen betroffen?
Den grössten Entwicklungssprung könnten die Entwicklungs- und Schwellenländer vollziehen. Dort fehlen die Institutionen oder sind total korrupt. Peer-to-Peer ist dort die logische nächste Entwicklung, das Potenzial ist enorm.
Wie sollten Grossbanken auf diese Entwicklung reagieren? Ist das unter anderem von der UBS vorangetriebene Projekt einer gemeinsamen «Utility Settlement Coin» ein erfolgsversprechender Ansatz?
Die «Utility Settlement Coin» ist eine hervorragende Idee, zumal sie auch als Transaktionsmedium beim Internet of Things (IoT) dienen könnte.
Dr. Konrad Hummler ist Jurist und Ökonom. Als unbeschränkt haftender, geschäftsführender Teilhaber prägte er massgeblich das starke Wachstum der Bank Wegelin & Co. Aufgrund des Steuerstreits mit den USA wurde das Geschäft 2012 an die neugegründete Notenstein Privatbank AG verkauft. Anschliessend gründete Hummler die M1 AG, einen Think Tank für strategische Zeitfragen.
Dieses Interview ist im Original auf punktmagazin.ch erschienen und ist Teil einer Kooperation.