Die in Zug ansässige Bitcoin Suisse zählt zu den beliebtesten Erfolgsgeschichten aus dem Crypto Valley. Das Unternehmen wuchs seit seiner Gründung im Jahr 2013 auf 145 Mitarbeiter und bedient über 10’000 Kunden.
Ein Interview mit Gründer und Verwaltungsratspräsident Niklas Nikolajsen in zwei Teilen.
Im ersten Teil: Bitcoin und Gold als sicherer Hafen in Krisenzeiten und die Zukunft der Tokenisierung von Assets.
CVJ.CH: Sie sind als sehr aktiver Verwaltungsratsvorsitzender praktisch täglich im Büro anzutreffen. Was für Aufgaben nehmen sie wahr?
Niklas Nikolajsen: Ich will den Herzschlag des Unternehmens spüren. Ich will wissen, wie es den Leuten geht und was sie denken. Ausserdem kümmere ich mich um die Strategie und unsere Schlüsselkunden. Letzteres, weil ich das Geschäft und die Ansprüche unserer Kunden verstehe. Zudem bin ich als grösster Aktionär von Bitcoin Suisse in der Lage, Entscheidungen schnell umzusetzen. Also setzen sich der CEO, Dr. Arthur Vayloyan, und ich zusammen und diskutieren anstehende wichtige Entscheide mit deren Vor- und Nachteilen. Dies war vor allem in während der jüngsten COVID-19-Krise und den volatilen Märkten sehr wichtig.
Apropos Krise: Sie sind als "Gold-Bug" bekannt und Bitcoin wurde schon oft als digitales Gold bezeichnet. Ist Bitcoin ein Hafen der Sicherheit, vor allem während Zeiten wie diesen?
Bitcoin hat auf jeden Fall das Potenzial, zum digitalen Gold oder Gold 2.0 zu werden - das habe ich schon mehrfach zu Protokoll gegeben. Allerdings habe ich nie behauptet, dass Bitcoin bereits heute Gold 2.0 sei.
Wie kann Bitcoin zu Gold 2.0 mutieren?
Angesichts der Umstände reagierte Bitcoin durchaus wie ich es erwartet habe. In der ersten Phase der Verwerfungen kam es zu einem Ausverkauf sämtlicher liquiden Vermögenswerte, auch Gold fiel beispielsweise um 15%. Die Anleger wollen in dieser ersten Phase primär Liquidität schaffen, um ihre illiquiden Investitionen zu sichern. Angesichts der tiefen, teilweise gar negativen Zinsen, hielten viele Anleger nur wenig Liquidität und die Konsequenz war dann eben der Verkauf liquider Positionen.
"Bitcoin hat auf jeden Fall das Potenzial, zum digitalen Gold oder Gold 2.0 zu werden“
Nun fiel Bitcoin zwar um 45%, doch es gilt ja auch als spekulativer als etwa Gold. Zudem ist es deutlich einfacher, eine Position in Bitcoin zu liquidieren, als sich von physischem Gold zu trennen. Wer Gold nicht nur auf dem Papier besitzt, wird sich bei einem aufkommenden Bedarf nach Cash wohl zuerst von seinen Bitcoin trennen - da bekommt der Anleger die freigewordenen Mittel am nächsten Tag aufs Bankkonto gutgeschrieben.
Stellt die Krise die Blockchain-Technologie auf den Prüfstand?
Wir dürfen nicht vergessen, dass der Kryptobereich noch sehr jung ist und wir vorwiegend mit experimenteller Software arbeiten. Zwar ist diese experimentelle Software auf sehr hohem Niveau, aber eben doch experimentell. Die Folgen davon sahen wir beispielsweise bei MakerDAO, als das Ethereum-Netzwerk an seine Belastungsgrenze kam. Solche Begebenheiten erinnern uns daran, dass gewisse Technologien wie «Decentralized Finance» (DeFi) zwar auf gutem Weg sind, aber noch lange nicht am Ziel.
Als Krypto-Pionier und Gründer von Bitcoin Suisse haben Sie seit dem nun bald 7 jährigen Bestehen der Firma schon mehrmals einen ausgesprochen guten Riecher für neue Geschäftsfelder bewiesen. Wie machen Sie das?
Wir richten uns bei unseren Dienstleistungen und Produkten voll und ganz den aktuellen Kundenbedürfnissen aus. Wir versuchen nicht zu erraten, wie die Nachfrage in Zukunft aussehen mag. Viele haben das versucht und antizipierten eine enorme Nachfrage von institutionellen Kunden. Sie kauften wunderschöne Krawatten, öffneten ihre Türen und hofften auf gute Geschäfte.
Doch der grosse Ansturm blieb noch aus. Stattdessen sind die grossen Krypto-Institutionen aktiv. Dies sind Unternehmen, die in der Szene arbeiten und die Grundlagen für die verschiedenen Blockchains bauen oder diesen einen Mehrwert hinzufügen, beispielsweise ConsenSys, Tezos oder die Ethereum Foundation. Wir sind eng mit diesem Ökosystem vernetzt und spüren Kundenbedürfnisse deshalb sehr früh.
Wie sieht es aus mit der Nachfrage von Family Offices und UHNWI?
Wir hatten immer schon sehr vermögende Privatpersonen oder zumindest Personen, die bald sehr reich wurden mit uns, insbesondere im Jahr 2016 (lacht). Finanzinstitute kamen vielleicht ein Jahr später dazu. Wir durften damals das in Europa erste Krypto-Angebot mit einer Schweizer Privatbank lancieren. Auch Smart Money floss schon früh in Bitcoin. Doch gerade als dieses Geschäftssegment zu wachsen begann, brach es auch schon wieder ein. Auslöser war der Preiseinbruch von Bitcoin im Jahr 2018. Eine Zeit lang blieb diese Kundengruppe daraufhin eher ruhig, doch mittlerweile sind einige wieder aktiv. Trotzdem ist es noch kein dominierender Geschäftstreiber. Ich schätze, dass diese Kundschaft momentan etwa 20% des weltweiten Geschäftes ausmacht.
Manche gehen davon aus, dass institutionelle Anleger durch die Tokenisierung von Assets in den Markt getrieben werden, also dem Prozess wo nicht-bankfähige Produkte neu bankfähig, oder zumindest handelbar, gemacht werden. Sehen Sie das auch so?
Die Tokenisierung von Vermögenswerten wird mit Sicherheit kommen, denn Tokens sind ein Vehikel, das im Vergleich zu Datenbankeinträgen auf vielen Ebenen einen Mehrwert bietet: Die Token sind übertragbar und automatisch prüfbar. Es wird viel einfacher sein, die Herkunft von Geldern und Vermögenswerten zu bestimmen, ohne verschiedene Parteien kostspielig zu integrieren. Wann dies institutionelle Anleger in den Markt treiben wird, ist schwer zu sagen.
Was wird die Tokenisierungswelle anstossen?
Tokenisierung wird ein leichterer Zugang zur Liquiditätsprämie für Unternehmen und ein leichterer Marktzugang für private Investoren ermöglichen. Wir sahen diese Entwicklung bereits bei den Retail-Investmentbanken, beispielsweise Saxo Bank oder Swissquote, die Privatanlegern erstmals die Möglichkeit gaben, selbst mit Aktien und sonstigen Finanzprodukten zu handeln. Plötzlich konnte jemand, der nicht hunderte von Millionen Dollar schwer war, bei einem dieser Broker ein Konto einrichten und mit 5'000 Franken in die Firmen seiner Wahl investieren.
Investitionen werden also zugänglicher. Was verändert sich auf der Angebotsseite?
Investoren werden bei ihren Projekten eine weitere Exit-Möglichkeit haben. Derzeit beschränken sich deren Möglichkeiten darauf, ein paar Freunde und Bekannte anzurufen und ihnen das Investment weiterzugeben. Im besten Fall führt das Projekt ein Orderbuch mit interessierten Käufern und Verkäufer, das erleichtert die Suche ein wenig. Aus Sicht der Investoren ist ein bestehender Markt, auf dem das Investment gehandelt wird, also ein grosser Vorteil. So können sie nicht nur zum Zeitpunkt des Security Token Offerings (STO) teilnehmen, sondern jederzeit ein- und aussteigen.
Wann wird sich die Tokenisierung von Vermögenswerten durchsetzen?
Die Tokenisierung wird in der zukünftigen digitalen Wirtschaft Einzug halten, aber zum jetzigen Zeitpunkt ist es immer noch ein sehr experimentelles Thema. Zwar sehen wir bereits heute, wie Aktien- und Immobilien-Tokenisierungen abgewickelt werden. Doch bislang gibt es noch keine etablierten Marktplätze, wo diese gehandelt werden können.
„Die Tokenisierung von Vermögenswerten wird mit Sicherheit kommen und in der digitalen Wirtschaft Einzug halten“
Der Tag wird jedoch kommen, an dem jemand seine Assets als Token verlangt und dem Emittenten erklärt, er wolle anstatt eines Eintrags in einer zentralen Datenbank die mit Token verbundenen Transfermöglichkeiten oder die Sicherheit eines bestimmten, selbstgewählten Verwahrers.
Dann ist die institutionelle Welle also noch Jahre davon entfernt, Wirklichkeit zu werden?
Die treibende Kraft der institutionellen Nachfrage wird wohl das nächste Rally von Bitcoin sein und das sehe ich zeitlich vor der Tokenisierungswelle. Bereits 2017 haben wir es deutlich gespürt: Gegen Ende des Hypes kündigte Goldman Sachs damals an, dass sie einen Crypto-Trading-Desk aufbauen wollen. Bitcoin und Ether näherten sich damals einer kumulativen Marktkapitalisierung von 500 Milliarden Dollar.
Nur eine Woche später erklärte Jamie Dimon von JP Morgan: "Ich weiss, dass ich gesagt habe, dass wir niemals Bitcoin handeln würden, aber wir werden Bitcoin trotzdem handeln - so schlecht ist Bitcoin nämlich gar nicht!" Vier Monate später, als die Marktkorrektur begann, krebsten sie zurück und verteufelten Bitcoin erneut. Das zeigt mir, dass es einzig eine Frage der Opportunität und der Marktkapitalisierung ist.
Lesen Sie morgen im zweiten Teil: Niklas Nikolajsen zur Entwicklung von Bitcoin Suisse, Unternehmenskultur, Banklizenz, dem bevorstehenden Börsengang und die Zukunft der Krypto-Finanzindustrie.
Niklas Nikolajsen Niklas Nikolajsen