Der zweite Teil des Gesprächs mit Bitcoin Suisse Gründer und Verwaltungsratspräsidenten Niklas Nikolajsen über Unternehmertum, Wachstum, Banklizenz, dem geplanten Börsengang und der Zukunft der Krypto-Finanzindustrie.
Die Fortsetzung des Gesprächs mit Niklas Nikolajsen. Seine Meinung über Bitcoin und Gold als sicherer Hafen in Krisenzeiten, sowie die Zukunft der Tokenisierung lesen Sie im ersten Teil .
CVJ.CH: Kommen wir zurück zu Bitcoin Suisse. Beinahe die Hälfte des gesamten Personalbestands von Bitcoin Suisse sind IT Spezialisten. Das ist seit jeher deutlich höher als bei ihren Mitbewerbern. Welche Überlegungen stehen hier im Vordergrund?
Niklas Nikolajsen: Ich sehe grundsätzlich zwei Wege, um eine Kryptofirma aufzubauen: Entweder, so haben es andere Mitbewerber gemacht, suche ich mir einen Anbieter fürs Custody, einen Anbieter für das Kernbankensystem, vielleicht eine Agentur, die mir die Webseite aufsetzt und jemanden, der mir eine Trading-Plattform konzipiert.
Wir haben eine andere Philosophie. Wir haben alle die erwähnten Komponenten selber gebaut. Natürlich hat das auch damit zu tun, dass es bei unserer Gründung 2013 für vieles noch keine entsprechenden Anbieter gab. Doch der Hauptgrund liegt darin, dass all diese Systeme nahtlos zusammenarbeiten sollen und dabei erweiterbar bleiben müssen. Insbesondere wenn neue Technologien kommen, wie beispielsweise Staking, dann wollen wir nicht erst mit einem Anbieter aushandeln, ob eine Anpassung seines Produkts sich für ihn auch wirklich rechnet, sondern wir wollen die Möglichkeit haben, das unseren Kunden früh, wenn möglich schon ab dem ersten Tag, anzubieten.
Wäre es denn keine Option, die Entwicklung selber zu kontrollieren, dies aber durch einen externen Anbieter erledigen zu lassen?
Das mag bei einem zeitlich limitierten Projekt eine gangbare Lösung sein. Doch unser Geschäft ist kein zeitlich limitiertes Projekt. Die Technologie entwickelt sich ständig weiter und unsere technische Infrastruktur soll damit verbundene neue Aufgaben übernehmen können. Zudem sehen wir immer wieder Verbesserungspotential. So sind unsere Entwickler stets voll ausgelastet und wenn ein Entwicklungsteam langfristig voll ausgelastet ist, rechnet es sich nicht, externe Consultants und Entwickler aufzubieten.
In den letzten zwei Jahren hat sich die Mitarbeiterzahl von Bitcoin Suisse mehr als verdreifacht auf nun über 145 Angestellte. Welche organisatorischen Herausforderungen brachte das mit sich?
Als wir anfingen, waren wir vielleicht fünf Leute. Es war somit klar, dass die Meisten mehrere Hüte trugen. Ich, beispielsweise, war sowohl im Management als auch im technischen Bereich tätig. In einem so kleinen Unternehmen muss also jeder Generalist sein. Wenn ein Unternehmen jedoch grösser wird, führt man Spezialisten und zusätzliche Managementebenen ein. Das patriarchische Modell, in dem eine Person alles übersieht und alle untereinander ausreichend kommunizieren, hat eine logistische Grenze von vielleicht 10, maximal 20 Personen. Wer da noch glaubt, micro-managen zu müssen indem er alles hinterfragt und Entscheidungsgewalt nicht delegiert, dem wird es nicht gelingen, weiter zu skalieren.
Was haben Sie verändert?
Wir führten in den Jahren 2017 und 2018 eine klare Managementstruktur ein, was damit begann, dass Arthur Vayloyan die Rolle des CEO von mir übernahm. Dann kamen weitere Rollen hinzu, wie ein Chief Risk Officer, Chief Financial Officer, Head of Trading und Head of Client Services. Natürlich ging da ein Stück der familiären Atmosphäre verloren. Jedoch war klar: man muss professionalisieren. Es braucht Messbarkeit und klare Verantwortlichkeiten. Unsere Managementstruktur hat das vereinfacht.
Wie hat sich das rasante Wachstum auf die Unternehmenskultur ausgewirkt?
Man verliert einen Teil der Identifikation und der Produktivität, weil Menschen anders arbeiten, wenn sie sich als Teil einer kleinen Familie fühlen oder ihre Arbeit einfach als einen „Job“ sehen. Wir konnten diesen Familiengeist und Gemeinsamkeitsgefühl bis jetzt jedoch sehr gut erhalten. Denn mir liegt viel daran, hin und wieder als "Familie" zusammen zu kommen. Traditionell haben wir daher ein Sommer- und Weihnachtsfest. An Freitagabenden, beispielsweise, gehen wir oft gemeinsam auf ein Bier und manchmal landen dann 10 -15 Leute bei mir zu Hause, wo wir über die vergangene Woche reden und über alles Mögliche amüsieren (lacht).
Im Herbst letzten Jahres hat Bitcoin Suisse die Banklizenz beantragt. Warum eigentlich?
Bei Bitcoin Suisse geht es derzeit um zwei unterschiedliche Lizenzen: Eine Effektenhändlerlizenz sowie eine Banklizenz. Erstere erlaubt uns das Handeln von Asset-Tokens (Wertschriften) wie vorher beschrieben. Die Banklizenz erlaubt uns das Halten von Kundeneinlagen.
Es ist doch auch jetzt schon möglich, bei Bitcoin Suisse ein Konto zu führen - wie sonst könnte ich Bitcoin kaufen?
Wenn Sie heute 10'000 Franken bei Bitcoin Suisse einzahlen, können wir dies nur dank einer Ausnahmeregelung im Schweizer Bankgesetz akzeptieren. Diese besagt, dass auch eine Nicht-Bank Einlagen halten darf, vorausgesetzt, sie verfügt über eine genügend hohe Ausfallgarantie einer Schweizer Bank. Eine solche Bankgarantie besitzen wir in der Höhe von 45 Millionen USD.
Das bindet wertvolles Kapital. Gegenüber einer Bank, welche ihr Kapital nicht auf diese Weise binden muss, ist das ein klarer Wettbewerbsnachteil.
Welchen zusätzlichen Nutzen bringt die Effektenhändlerlizenz?
Sie erlaubt uns, ein neues Produkteuniversum für unsere Kunden zu erschliessen. Dies beinhaltet beispielsweise Asset Tokens (Wertschriften), Stablecoins, oder sogar Derivate. Bei Asset Tokens denke ich nicht an tokenisierte Aktien, sondern tokenisierte Rinderfarmen in Bolivien oder Immobilien an der Bahnhofstrasse. Die Lizenz erlaubt uns, mit dem Angebot gewisser Kryptobörsen in den Wettbewerb zu treten und unseren Kunden eine noch breitere Palette an Dienstleistungen anbieten. Kurzum: An der Effektenhändler- und Banklizenz führt kein Weg vorbei.
In der Schweiz gibt es bereits zwei Kryptobanken - reagiert Bitcoin Suisse hier vielleicht zu spät?
In einem gewissen Sinne arbeiten wir seit unserer Gründung vor 7 Jahren an einer Banklizenz, indem wir das notwendige Eigenkapital erarbeitet haben. Auch das Aufsetzen der notwendigen Infrastruktur und Systeme brauchte Zeit. Wäre es toll gewesen, viel früher schon eine Banklizenz zu beantragen? Ja! Wäre es möglich gewesen? Nein.
Wäre dies anders gewesen, wenn Bitcoin Suisse schon früher die Türen für Investoren geöffnet hätte, wie das mit dem laufenden Fundraising oder dem IPO geschehen soll?
Derzeit sind wir mitten in der Series-A Finanzierung, unserer ersten Kapitalbeschaffung in der Firmengeschichte. Dies trotz COVID-19, da wir von der Attraktivität des Angebots felsenfest überzeugt sind. Hätten wir früher schon eine solche Finanzierungsrunde gemacht, wären wir sicher schneller gewachsen. Allerdings hätten wir nicht in der gleichen Qualität an Reife gewonnen.
«Es macht einen Riesenunterschied, ob ein Kind ein Fahrrad geschenkt bekommt oder selbst dafür arbeiten musste.»
Man kennt das ja: Es macht einen Riesenunterschied, ob ein Kind ein Fahrrad geschenkt bekommt oder selbst dafür arbeiten musste. Wer fremdes Geld investiert, hat eine andere Risikobereitschaft und dreht vielleicht nicht jeden Franken zweimal um. Sparsam und schlank zu bleiben, hat uns beispielsweise durch die schwierige Zeit 2014/2015 gebracht. Heute können sehr wenige Krypto-Finanzunternehmen auf der Welt ein ähnlich umfassendes Dienstleistungsportfolio, eine ähnlich lange operative Erfolgsgeschichte und eine ähnlich hohe Ertragskraft vorweisen.
Kommen wir zurück zur aktuellen Marktsituation und zur typischen Frage: Wie wird es weitergehen? Was ist Ihre Prognose für den Bitcoin Kurs?
Nach den breit gestreuten Kursverlusten an den Finanzmärkten werden wir selektive Kurserholungen sehen. Doch es dauert, bis die Wirtschaft wieder in Schwung kommt. Hier stehen wir vor vielen Herausforderungen und logistischen Engpässen. Diese Herausforderungen werden viele Firmen um ihre Existenz bringen, was Aktien und Unternehmensanleihen unattraktiv macht. Auch die Zinsen werden tief beziehungsweise negativ bleiben. In so einem Umfeld erscheinen Gold und Bitcoin als attraktive Alternative und ich würde mich nicht wundern, wenn wir schon bald eine deutliche Kurserholung sehen*.
(*Anmerkung der Redaktion: Zum Zeitpunkt dieses Interviews handelte Bitcoin knapp über USD 5'000,)
Wie sehen Sie die Zukunft der Krypto-Finanzindustrie?
Die Erholung wird zu neuen Investitionen im Kryptobereich führen, welche die verschiedenen Blockchain-Technologien weiterbringen und skalierbarer machen wird. Langfristig glaube ich an ein enormes Wachstum der Krypto-Assets. Mit Bitcoin Suisse sind wir sehr gut positioniert, um dabei als Pionier und Marktführer weiterhin eine Vorreiterrolle übernehmen. Ich bin überzeugt, dass die Technologie unsere Finanzsysteme fairer macht und viel Gutes bewirken kann.
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