Wir berichteten kürzlich über die erste Anhörung im deutschen Bundestag zum Thema "Digitale Währungen". Dazu haben wir geladenen Sachverständigen Fragen zum Thema gestellt. In diesem Beitrag äussert sich der Sachverständige Ralph Bärligea.
Fortsetzung des ersten Teils des Interviews:
Können als Alternative zu den «kommerziellen Stablecoins», staatliche von Zentralbanken ausgegebene Coins (CBDC) eine zukünftige Rolle spielen?
Hier ist zunächst zu unterscheiden, was mit Central Bank Digital Cash (CDBC) gemeint sein soll. Speziell hierzu hatte ich erst letztes Jahr am 24. November eine interessante Podiumsdiskussion an der Frankfurt School of Finance and Management mit Vertretern der Banken, der Wissenschaft und der Politik. Wenn darunter einfach ein E-Euro als blockchain-basiertes Giralgeld, also ein Stablecoin innerhalb der staatlichen durch die EZB und die Aufsichtsbehörden überwachten Währungsordnung verstanden wird, ist das sicherlich eine gute Sache. Wenn jedoch die Zentralbank eigenes digitales Geld herausgibt, wäre das aus Sicht von sowohl Vertretern von Zentralbanken als auch Geschäftsbanken sehr gefährlich. Denn es würde Geschäftsbanken das Geschäftsfeld Giralgeld abgraben und diese damit massenhaft in die Insolvenz treiben. Die nächste Finanzkrise stünde vor der Tür. Denn wozu sollte jemand noch digitales Giralgeld halten, das mit einem Ausfallrisiko der emittierenden Geschäftsbank versehen ist, wenn er direkt das digitale Zentralbankgeld halten könnte, das ein solches Risiko nicht besitzt? Zwar gäbe es dafür Lösungen, etwa das Giralgeld in einem einmaligen Akt geldmengenneutral durch Zentralbankgeld zu ersetzen, doch das wäre ein bürokratisch und eigentumsrechtlich schwieriger Eingriff und zudem volkswirtschaftlich kontraproduktiv.
Heute läuft ein Großteil der Geldneuschöpfung dezentral über die Giralgeldschöpfung der Banken, das sind die Genossenschaftsbanken, Sparkassen und Privatbanken vor Ort.
Über diese Geldschöpfung werden die Kreditvergabe und damit auch Investitionsentscheidungen unter Nutzung lokalen Wissens und mit privater Haftung der kreditfinanzierenden Banken innerhalb der legalen Währungsordnung gesteuert. Dieses Element abzuschaffen und durch eine rein zentrale Geldschöpfung und daraus resultierender Kreditvergabe zu ersetzen käme einer Planwirtschaft gleich. Mit dem Nachteil, dass das Haftungsprinzip und die Nutzung lokalen Wissens bei der Kreditvergabe durch Geldneuschöpfung komplett ausgehebelt würden, was zu einer ineffizienteren Kapitallokation und damit erheblichen Wohlstandsverlusten und Risiken für die Volkswirtschaft führen würde. Bei einer Podiumsdiskussion bei der ich letztes Jahr in Limburg mit Jochen Metzger, dem Leiter des Zahlungsverkehrs der Deutschen Bundesbank sprechen konnte, erklärte dieser diesen Zusammenhang und ich kann sein Argument hier nur aufgreifen und unterstützen. CBDC wäre folglich nach dieser Bauart keine vorzugswürdige Alternative zum Status quo.
Die entsprechenden Gefahren haben wir so auch in unserer Sitzung im Ausschuss Digitale Agenda im Beisein des Bankenverbandes und des EZB-Direktoriumsmitglied Benoît Cœuré nach meiner Wahrnehmung einvernehmlich so besprochen und gesehen.
Wie ist Ihre generelle Einschätzung bezüglich Regulierung von Kryptowährungen? Sollte man diese vorantreiben oder eher restriktiv mit gar teilweisen Verboten angehen?
Man sollte sicherlich zunächst die bestehenden Gesetze auf Kryptowährungen anwenden. Es gibt in der Bunderepublik Deutschland durch das Bürgerliche Gesetzbuch und durch das Grundgesetz garantierte Prinzip der Vertragsfreiheit. Das heißt, Tauschpartner können einen Tausch vornehmen wie es ihnen beliebt. Auch vermittelt durch ein beliebiges von ihnen gewünschtem Geld vereinbaren. Der Annahmezwang für den Euro als das gesetzliche Zahlungsmittel gilt laut Verständnis von Rechtskundigen, soweit nichts anderes davor explizit vereinbart wurde. Die freie Wahl des Geldes wird jedoch durch den Paragrafen 35 des Bundesbankgesetzes eingeschränkt. Wer Geld herausgibt und zur Zahlung verwendet, das „geeignet ist“, das gesetzliche Zahlungsmittel zu ersetzen, mache sich demnach strafbar.
Das heißt, wenn ein alternatives Zahlungsmittel auf einmal so große Marktanteile bekäme, dass der Euro irrelevant würde, könnte man von diesem Paragrafen im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch machen, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Rechtlich bin ich jedoch kein Experte und weder befugt noch befähigt, einen Rat hierzu zu erteilen. Am Ende werden das Gerichte entscheiden müssen. Ökonomisch habe ich eine klare Ansicht. Bevor es soweit kommt, sollte und wird man jedoch versuchen, das eigene Geld soweit zu verbessern, dass es weiter Marktführer bleibt.
Auf der anderen Seite könnte es für Staaten auch gefährlich sein, alternatives digitales Geld zu verbieten, da so Kapitalflucht und Fachkräfteflucht einsetzen und auch die Besteuerungsgrundlage des Staates abnehmen könnte.
Es könnte eine ähnlich negative Bedeutung haben, wie wenn man ein Land vom Internet oder modernen Verkehrsmitteln abklemmen würde. Auch das Postkutschenmonopol oder Telekommunikationsmonopol waren einst aus nachvollziehbaren Gründen in staatlicher Hand. Solche Monopole weiter aufrecht zu erhalten erscheint aus heutiger Perspektive unter veränderten wettbewerblichen und technologischen Bedingungen jedoch absurd. Ähnlich könnten wir in fünfzig oder hundert Jahren auf das Geldwesen zurückblicken. Das wird rückblickend sicherlich eine interessante Geschichte des Geldes werden.
Haben Sie persönlich schon mal mit Krypto-Währungen hantiert?
Ja. Die Kryptowährungen, die ich persönlich angefasst habe, sind Bitcoin und mit ihm auf Grund seiner Forks auch Bitcoin Cash, Bitcoin SV und Bitcoin Gold sowie Ethereum, IOTA und Golem. Ich finde, dass bei allen diesen Kryptowährungen das Nutzererlebnis eher schlecht war.
Es fehlt in der Praxis trotz vieler Angebote an nutzerfreundlichen Apps, an Möglichkeiten private Zugangsschlüssel nicht nur sicher, sondern auch handlich sowie vor Verlust und für den Erbfall geschützt rechtssicher zu verwahren. Letztendlich fehlt es auch an Akzeptanzstellen für diese Währungen. Geld ist ein Netzwerkgut, wenn eine kritische Masse an Nutzern nicht da ist, funktioniert es nicht. Gäbe es einen blockchain-basierten E-Euro als Giralgeld privater Banken oder als Zentralbankgeld der EZB würde ich diesen für Alltagszahlungen nutzen wie heute den Euro auch schon. Wird Libra eine bequeme Alternative zur Kreditkarte oder zu PayPal, würde ich Libra nutzen.
Geld ist im persönlichen Gebrauch keine ideologische oder politische Frage, sondern eine Frage des Nutzwertes, des Gebrauchswertes als Tauschmittel. Das wertstabilste und am leichtesten nutzbare Geld mit der größten Verbreitung ist einfach das Beste.
In Zukunft wird digitales Geld zudem Schnittstellen zu anderen Prozessen haben. Wenn ich als Unternehmer eine Rechnung direkt digital bekomme, nur noch am Smartphone per Daumendruck bestätigen muss und Bezahlung, Buchhaltung, Versteuerung und Archivierung erledigen sich dabei automatisiert, wäre das doch ein Bürokratieentlastungstraum für die allermeisten. Das gleiche gilt für Privatpersonen, die beispielsweise auf diese Weise einen Überblick über ihre Finanzen behalten oder Rechnungen zur Geltendmachung von Garantieansprüchen rechtssicher verwahren könnten. Darüber hinaus gibt es aber auch eine volkswirtschaftliche Dimension.
Für Menschen, die von Geldentwertung oder Kapitalverkehrskontrollen negativ betroffen sind, könnten global zugängliche, in ihrer Menge strikt limitierte, sowie frei transferierbare Kryptowährungen ein Garant für Eigentum und finanzielle, sowie ökonomische Inklusion und Emanzipation sein.
Voraussetzung dafür wäre aber, dass Kryptowährungen erwachsen werden, genügend Verbreitung und zu einem stabilen Marktpreis finden. Auch über eine staatlich lancierte Kryptowährung, die technisch garantierte sowie transparente Regeln besitzt, könnte dies gelingen. Dies könnte für mehr soziale Gerechtigkeit, bessere Aufstiegschancen und damit mehr Wohlstand und gesellschaftlichen Frieden sorgen, wovon am Ende alle profitieren.
Geldentwertung durch eine nicht ausreichende Regulierung der Geldmenge hingegen macht das Sparen gerade mit kleinen Beträgen schwer, die mit ihr einhergehende Besteuerung von Scheingewinnen sowie kalte Progression, ist speziell für Kleinsparer mit geringen Renditen und Lohnempfänger ein Aufstiegshindernis. Auch Fehlallokation von Kapital, zu hohe Risiken und die damit verbundenen sozialen, ökologischen und ökonomischen Schäden, können eine Folge zu expansiver Geldpolitik sein. Auch zu nennen ist der Cantillon-Effekt, über den die Erstempfänger des über Kredite neu geschaffenen Geldes profitieren, wenn sie Kapitalgüter wie Grundstücke und Immobilien noch zu bestehenden Preisen kaufen. Während dann das Geld allmählich in Umlauf kommt und damit die Preise auch der vorher gekauften Vermögensgüter steigen. Diese Erstempfänger sind in der Regel bereits Vermögende und Bezieher hoher Einkommen, die sich Kredite leisten können. Das Nachsehen haben Bezieher kleiner Einkommen mit wenig Vermögen. Etwa eine junge Familie, die sich keine Immobilie mehr leisten kann, weil deren Sparbuch sich entwertet, während die Immobilienpreise steigen. Deflation hingegen, im Sinne eines zu starken Anstieges des Geldwertes, kann Schuldner unverschuldet in die Insolvenz zwingen, während sich dann andere über günstige Preise bei zum Beispiel Zwangsversteigerungen freuen.
Vom Geld als Tauschmittel und öffentliches Gut sollten durch die komparativen Kostenvorteile der Arbeitsteilung jedoch in einer Win-Win-Situation alle gleichermaßen profitieren. Alle die es verwenden und nicht in einer Win-Loose-Situation nur Manche auf Kosten anderer.
Ich verspreche mir durch die Blockchain-Technologie mehr Wettbewerb des Geldes, eine bessere Regulierung der Geldmenge und mehr Transparenz des Geldes, aber auch mehr Datenschutz in Bezug auf Geld, also insgesamt eine höhere Qualität des Geldes.
Nicht nur die Anstrengungen von privaten Start-ups, auch die Anstrengungen der Zentralbanken mit Hilfe der Blockchain-Technologie besser reguliertes und auch in Zukunft wettbewerbsfähiges Geld zu entwickeln, sind in diesem Kontext zu begrüßen. Schattenseiten von Kryptowährungen, wie etwa Kriminalität oder Geldwäsche könnte man in den Griff bekommen.
Wenn unser Geld durch die Blockchain-Technologie in jederlei Hinsicht manipulationssicherer wird, könnte das die europäische und auch globale Einigung weiter vorantreiben und die Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig stärken. Darin sehe ich eine große Chance.
Ausserdem ist er Senior Business Consultant im Bereich Digital & Strategy bei der Management- und Technologieberatung BearingPoint, wo er vornehmlich Banken und den öffentlichen Sektor zu Finanzfragen, Digitalisierung und Blockchain berät. Er ist studierter Ökonom mit Vertiefung in Wirtschaftsinformatik, Hochschuldozent und regelmäßiger Fachautor zu Wirtschaft, Blockchain und Kryptowährungen.